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Darmstadt 98: Nüchtern im Rausch

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Von: Daniel Schmitt

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Glückliche Lilien: Die Darmstädter Matthias Bader, Emir Karic und Jannik Müller jubeln.
Glückliche Lilien: Die Darmstädter Matthias Bader, Emir Karic und Jannik Müller jubeln. © dpa

Die Lilien eilen mit dem nächsten souveränen Sieg dem Bundesligaaufstieg entgegen - schon am Samstag kann es für den SV Darmstadt 98 so weit sein

Das Gesicht des Torsten Lieberknecht passte zu dem, was er sagte, womöglich sogar zu dem, was er fühlte, doch ganz und gar nicht zu dem, was er kurz zuvor erlebt hatte. Der Fußballtrainer des Zweitligisten Darmstadt 98 schaute also ausgesprochen emotionslos drein am Samstag auf dem Pressepodium der Kieler Sportvereinigung Holstein, er sprach ruhig, eintönig fast, als er den Auftritt seiner Mannschaft aus dem Hessischen im hohen Norden analysierte. Ganz so als ordne er da gerade eine triste Partie am dritten Spieltag der Saison ein, oder in der Vorbereitung, wenn überhaupt. Ihren Job habe seine Mannschaft erledigt, so Lieberknecht, business as usual, zuckte er mit den Schultern, daher werde er die Lage weiterhin „nüchtern“ angehen. Sein gutes Recht.

Oder aber man schaut sich das Geleistete an und verfällt in Lobreden auf die Lilien: Schließlich war der Darmstädter Auftritt in Kiel ein überaus gelungener, frühe Führung, schnell nachgelegt, den Sack bald zugemacht, ein wie im Rausch herausgespieltes 3:0 (2:0). Eines, und das ist ja nichts Unwesentliches in diesen Tagen, das den Darmstädtern vier Spieltage vor Ultimo zum einen bereits die sichere Teilnahme an der Relegation sicherte, und zum anderen ihnen allerbeste Chancen auf einen der ersten beiden Positionen lässt. Sprich: Der direkte Aufstieg ist in greifbarer Nähe.

Spieler treiben es auf Spitze

Mit der astreinen Leistung baute der SVD seinen Vorsprung an der Spitze aus, liegt bei zwölf zu vergebenden Zählern satte acht vor dem drittplatzierten Hamburger SV, der nicht die Form, Konstanz und Qualität zu haben scheint, diesen Rückstand wettzumachen. Zumal die Lilien selbst keine Zeichen dafür senden, sie würden in den Spielen gegen St. Pauli, Hannover, Magdeburg und Fürth plötzlich die Nerven verlieren und kolossal einbrechen.

„Im Fußball ist schon sehr viel passiert“, sagte SVD-Torwart Marcel Schuhen, der in Kiel wie so oft in dieser Saison mit starken Paraden am Sieg entscheidend beteiligt war. „Es war ein Schritt in die richtige Richtung, nicht mehr und nicht weniger“, ergänzte Abwehrchef Christoph Zimmermann. Des Trainers Nüchternheit von den Spielern auf die Spitze getrieben.

Lilien-Verteidiger Jannik Müller (6.), ein Kieler Eigentor von Simon Lorenz (22.) und der zehnte Saisontreffer von Stürmer Philipp Tietz (52.) sorgten für den 19. Darmstädter Saisonerfolg, der zwölfte ohne Gegentor obendrein, was einen Eindruck davon gibt, wie bestechend konstant die Südhessen durch die Runde marschieren und damit aller Konkurrenz mindestens einen, eher zwei oder drei Schritte voraus sind.

HSV droht die Relegation

Der HSV zum Beispiel reihte an die gewonnene Stadtmeisterschaft der Vorwoche nun ein ernüchterndes 2:3 in Magdeburg. „Die Gelackmeierten“ seien sie, fand der Hamburger Coach Tim Walter, nach dem er unlängst erstaunlich hochmütig über mögliche Nordderbys gegen Werder Bremen fabuliert hatte. In der Bundesliga wohlgemerkt. Die aktuelle Wahrheit hieße jedoch: Relegation.

Neben Darmstadt 98 ist nämlich auch der zweitplatzierte 1. FC Heidenheim zielsicher unterwegs in Richtung Eliteliga der deutschen Kickerei, er schoss die Fußballer aus Fürth mühelos mit 2:0 aus deren Stadion. Darmstadt und Heidenheim in der Bundesliga? Gewiss nicht jedermanns Sache, man frage mal bei Vermarktern der DFL oder TV-Anstalten nach, aber doch das derzeit wahrscheinlichste und leistungsgerechteste Szenario.

Torsten Lieberknecht immerhin fand auf der Pressekonferenz in Kiel irgendwann doch noch lobende Worte für seine Truppe. „Dass wir nicht mehr Vierter werden können und uns im Vergleich zur vergangenen Saison verbessert haben, ist eine herausragende Leistung.“ Er sprach diese Sätze ruhig, eintönig, wohlwissend, was ihn womöglich schon am Samstagabend erwarten könnte, sollte tags zuvor der HSV patzen und seine Elf gegen St. Pauli die Steilvorlage nutzen: Ein rauschhaftes Wochenende für die nüchternen Darmstädter.

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