Max Eberl rettet sich selbst
Es hat sich einiges aufgestaut beim ausgebrannten Max Eberl, der dem Klub in der schwersten sportlichen Krise schweren Herzen den Rücken kehrt. „Ich will hier raus.“ Eine Ära geht zu Ende. Ein Kommentar.
Frankfurt am Main - Es muss sich einiges aufgestaut haben, wenn einer wie Max Eberl nach 23 Jahren Knall auf Fall den Bettel hinwirft. Nicht mehr kann, nicht mehr will, nicht mehr für alles gerade stehen. 23 Jahre in einem Klub, erst als Spieler, dann im Nachwuchsbereich, seit 2008 als Sportdirektor - das ist dann kein Job mehr, sondern eine Herzensangelegenheit, wenn auch gut bezahlt. Max Eberl hat die Reißleine gezogen, das ist vernünftig. Er konnte nicht mehr, hatte keine Kraft mehr, diesen intensiven Job so auszufüllen wie er, der niemals nur 99 Prozent geben kann, ihn auszufüllen gedenkt. „Ich will hier raus. Ich will keine Verantwortung mehr“, hat er auf der tränenreichen Abschiedspressekonferenz gesagt. Es klang wie ein Hilferuf. Eberl hat gespürt, dass er nicht mehr konnte, am Ende seiner Möglichkeiten angelangt war. Aus reinem Selbstschutz musste er loslassen von seinem Herzensverein. musste sich vor sich selbst schützen. Und er hatte die Größe zuzugeben, schwach zu sein, nicht mehr zu können. Das nötigt Respekt ab, hohen Respekt, gerade in einer Branche, in der breitbeinige Alphatiere den Ton angeben.
Max Eberl hat Borussia Mönchengladbach geprägt wie einst Netzer, Vogts, Bonhof auf dem Rasen, er hat die Fohlen konsolidiert, in die Champions League geführt und zu einem pumperlgesunden Klub gewirtschaftet mit seinen Tugenden: Umsicht, Ruhe, Augenmaß, Verlässlichkeit. Eberl war Herz und Gehirn, Seele und Gewissen des Klubs, der bis vor kurzem wie ein Vorzeigeunternehmen wirkte: stetig aufstrebend, solide, gut geführt, sportlich mit hohen Ambitionen, mit einer Mannschaft, die attraktiven Fußball spielt.

Borussia Mönchengladbach steht vor einem Trümmerhaufen
Wie sich die Zeiten ändern: Derzeit stehen sie am Borussia-Park vor einem Trümmerhaufen. Es geht alles so rasend schnell.
Es hat sich einiges aufgestaut bei Max Eberl, dem Klub in der schwersten sportlichen Krise der letzten Jahre schweren Herzens den Rücken zu kehren. Sicher: Der jüngste Rückschlag am Niederrhein hat mit unglücklichen Entscheidungen Eberls zu tun, er, der jahrelang Solidität und Seriosität verkörpert hat, hat sich anfechtbar gemacht. Das (zu lange) Festhalten am Karrieristen Marco Rose, das damit einhergehende Verspielen sämtlicher Ziele, der geplatzte 40-Millionen-Transfer von Thuram, die - auch wegen Corona - nicht getätigten Wechsel von Ginter und Zakaria, das bedingungslose Rückenstärken für einen Partygänger in Corona-Zeiten, die Liaison mit einer Vereinsangestellten, die für Missmut sorgte. Eberl bot plötzlich Angriffsflächen. Das führte zu einem körperlichen, vor allem aber auch mentalen Verschleiß, den auch eine mehrwöchige Auszeit in den Bergen nicht bremste.
Borussia Mönchengladbach: Max Eberl wird fehlen
Max Eberl ist ausgebrannt, müde, dünnhäutig, zuletzt tauchte er ganz ab. Auch das kannte man lange nicht vom bayrischen Gemütsmenschen, der immer in vorderster Front seinen Mann stand. Der Druck nagte an ihm, das ständige Getriebensein in diesem Milliardenspiels, immer im grellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Aus der Tretmühle kam er nicht mehr heraus, der Stress wurde immer mehr, vor allem, als sich strategische Entscheidungen im Nachhinein als falsch erwiesen, etwa Trainer Adi Hütter, noch so ein Karrierist, für viel Geld von Eintracht Frankfurt zu holen oder die verpasste Neuausrichtung des Kaders. Am Ende dieser Entwicklung konnte Max Eberl nicht mehr, musste kapitulieren, um sich selbst zu retten.
Der Abgang des Architekten des Gladbacher Höhenflugs trifft der Klub ins Mark, die Demission ist ein Schlag ins Kontor. Die Borussia verliert ihr Gesicht und einen, der vieles abgefangen hat, was von außen eingeprasselt war. Dieser Mann wird Gladbach fehlen. Eine Ära ist zu Ende. (Thomas Kilchenstein)