Bleibt der Club a Depp?

Der 1. FC Nürnberg erlebt innerhalb weniger Tage mehrfach, was ihn seit Jahren auszeichnet: eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Doch der Pokalerfolg kann die Probleme nicht übertünchen. Ein Kommentar.
Nach dem in allerletzter Sekunde verlorenen Frankenderby gegen Greuther Fürth fragte selbst die renommierte „Süddeutsche Zeitung“ bang, wie, in aller Welt, diesem 1. FC Nürnberg „jetzt noch zu helfen“ sei. Eigentlich gar nicht, stand da zwischen den Zeilen, und in den Zeilen standen Worte wie: Angst, Panik, Resignation. Und als Menetekel an der Wand tauchte es sogleich auf, das Bonmot, wonach „der Club a Depp“ ist.
Das war am Sonntag.
Am Mittwochabend bestimmten andere Vokabel das Bild, Wahnsinn, Irrsinn, Sensation, unfassbar, nicht zu glauben. Da war dieser depperte Club gerade in einem spektakulären Pokalspiel mit mehr Glück als Verstand, einem Last-Minute-Tor, dem klügsten Platzverweis der jüngeren Geschichte und einem dramatischen Elfmeterschießen ins Viertelfinale eingezogen, und darf jetzt, als einzig verbliebener Zweitligist, gegen einen der Top-6 der Branche oder den VfB Stuttgart spielen. Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle, vier Tage zwischen zu Tode betrübt und himmelhochjauchzend. Typisch für den Club.
Sie sind ja rund um den Valznerweiher Kummer gewohnt, Höhen und Tiefen sowieso, und nie weiß der Glubberer, in welchem Aggregatzustand sich sein Verein gerade befindet. Neun Bundesliga-Abstiege sind längst Rekord, ebenso das Kunststück als amtierende Meister im nächsten Jahr abzusteigen, 1969 war das, unter Trainer Max Merkel. Ein paar Beispiele aus den letzten Jahren: 2016 Relegation zur ersten Liga, gegen Eintracht Frankfurt gescheitert, 2018 Aufstieg ins Oberhaus, 2019 Abstieg, 2020 Relegation um den Klassenerhalt in Liga zwei, erst ein zufällig reingestochertes Gurkentor in der Nachspielzeit rettete die Nürnberger, sonst wäre der Absturz in die Dritte Liga perfekt. Zuletzt mehr schlecht als recht im Unterhaus unterwegs, aktuell: Abstiegskampf, Relegationsplatz, ein Zähler Vorsprung, Trainer schon getauscht, Markus Weinzierl für Robert Klauß, der Verein finanziell klamm. Da tun die 3,3 Millionen Euro gut, die der 1. FCN bisher im Pokal eingenommen hat.
Der 1. FC Nürnberg ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es in Schieflage geratene Traditionsklubs mit überschaubarem finanziellen Spielraum, aber großen Ambitionen haben, in die Spur zu finden, wenn sie einmal vom Karussell gefallen sind. Dem Hamburg SV, auch schon bald fünf Jahre Zweitligist, ergeht es ähnlich, wenn auch momentan deutlich besser. Oder Arminia Bielefeld, Fortuna Düsseldorf, Hannover 96. Die ökonomische Kluft zwischen erster und zweiter Liga wird stetig größer, die Konkurrenz mit den von außen gepamperten Neureichen (Leipzig, Wolfsburg, Hoffenheim, Leverkusen) ist erdrückend, je länger sich der Aufenthalt in der zweiten Liga hinzieht, umso schwerer werden Aufstieg und anschließender Klassenerhalt eine Etage höher. Der FC Schalke, noch so ein Traditionalist, kann momentan ein Liedchen davon trällern.
Im Frankenland kursieren derweil andere Szenarien. Die Relegationsspiele gegen den Abstieg werden in den Tagen rund ums DFB-Finale in Berlin (3. Juni) ausgetragen. Der 1.FC Nürnberg als Pokalsieger in der dritten Liga? A Depp, wer so was für unmöglich hält.