Berauschte Blues

Der FC Chelsea wirft mit Geld um sich, Besitzer Todd Boehly hat einen Weg gefunden, das Financial Fairplay auszutricksen. Die Signalwirkung ist verheerend. Ein Kommentar.
Allein die Zahlen sind der schiere Wahnsinn. Als ob die bereits im vergangenen Sommer investierten 300 Millionen Euro in neue Spieler nicht reichten, hat der FC Chelsea im Winter noch mal 350 Millionen Euro in Neuzugänge gepumpt. Der Zehnte der Premier League gab mehr als aus Bundesliga, La Liga und Ligue 1 zusammen. Geht’s noch? Selten war die Beschreibung, dass jemand mit Geld um sich wirft wie Dagobert Duck mit den Scheinen in seinem Geldspeicher, so zutreffend wie an der Stamford Bridge.
Als achter und letzter Neuer kam für die britische Rekordsumme von 121 Millionen Euro noch der Argentinier Enzo Fernandez von Benfica Lissabon. Ein Weltmeister, ein Mittelfeldspieler mit Potenzial, gewiss. Aber eher Kämpfer als Künstler. Bloß ein Bodyguard für Lionel Messi. Trotzdem wird der 22-Jährige gleich mal mit einem Vertrag über achteinhalb Jahre ausgestattet. Diese Langzeitkontrakte sind ein Taschenspielertrick, um die Zahlungen zu strecken.
Der amerikanische Eigner Todd Boehly hat dieses eigenartige Gebaren für den englischen Klub entdeckt, um das Financial Fairplay zu umgehen. Dass diese Bindungen einem Verein auf die Füße fallen, wenn Spieler sich nicht wie gewünscht entwickeln, blendet der US-Milliardär natürlich aus. Ohnehin gibt die Premier League mit Ausgaben nur in diesem Winter von schon wieder fast einer Milliarde Euro kein gutes Beispiel für die herbeigeflehte Bodenständigkeit des Profifußballs ab.
Die Pandemie hat nur kurzfristig die Ausgabenwut begrenzt. Wer reflexartig eine Abschaffung des Transferfensters im Winter fordert, sollte nicht nur arbeitsrechtliche Einwände bedenken. Letztlich ist das Metier eben eine Unterhaltungsindustrie, in der die Protagonisten heute noch dieses und morgen schon jenes Wappen küssen. Dass das im Winter oft vom einen Tag auf den anderen passiert, damit fremdeln viele Fans dennoch zu Recht.
Schon unter dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch hatte Chelsea auf dem Transfermarkt geklotzt statt gekleckert. Kai Havertz und Timo Werner kosteten im Corona-Sommer 2020 mal eben 100 beziehungsweise 80 Millionen Euro. Dass Werner längst wieder für RB Leipzig stürmt und letztlich dem Klub nicht weiterhalf, hält die neuen Besitzer nicht davon ab, das Profiteam mit immer neuen Spielern zu fluten. Die Einkäufer der „Blues“ agieren dabei fast wie im Rausch.
Schon in zwei Wochen duelliert sich Chelsea mit Borussia Dortmund in der Champions-League. „Die fahren ihr eigenes Rennen“, hat BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl süffisant angemerkt. Die Befürchtung, dass Dortmund gegen eine Mannschaft mit lauter neuen Gesichtern antritt, ist unbegründet. Die Uefa erlaubt, nur drei Winterneuzugänge zu registrieren. Dazu müssen aus dem maximal 25-köpfigen Aufgebot für die Königsklasse natürlich drei etablierte Kräfte gestrichen werden. Auch das Hauen und Stechen in einem jetzt völlig aufgeblähten Kader ist der schiere Wahnsinn.