Béla Réthy: „Man muss nicht neutral sein. Man muss nur fair sein!“

Die Kommentator-Legende Béla Réthy spricht über sein Ende beim ZDF, seine Sympathie für Eintracht Frankfurt, gute Spiele, schlechte Spiele und „alte, weiße Männer“.
Frankfurt - „Bei Live gibt es kein Tipp-Ex“, sagt Béla Réthy und nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund im Interview. Der am 14. Dezember 1956 in Wien geborene ehemalige deutsche TV-Sportjournalist und -Kommentator ungarischer Herkunft kommt beileibe nicht wie ein Fußball-Rentner herüber, auch wenn nach 35 Jahren ZDF-Festanstellung mit dem WM-Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko (2:0) ausgerechnet an seinem 66. Geburtstag Schluss für ihn beim Mainzer Sender war.
Der dreifache Gewinner des Herbert-Awards (heute Deutscher Sportjournalistenpreis) kommentierte viele unvergessene Spiele; so auch das WM-Halbfinale 2014 Deutschland gegen Brasilien (7:1). Dies war aber nicht sein Lieblingsspiel, über das er live berichtete – wie Sie gleich lesen werden.
Béla-Andreas Réthy |
Geboren: 14. Dezember 1956 in Wien/Österreich |
Auszeichnungen: Deutscher Sportjournalistenpreis 2007, 2008, 2009 |
Lieblingsverein: Eintracht Frankfurt |
Ich darf anfangs vorausschicken: Ich freue mich, im Interview Ihre legendäre Stimme, mit der ich quasi aufgewachsen bin, zu hören!
Béla Réthy: (lacht) Ja, es geht vielen so.
Nach der WM war Schluss für Sie mit dem Kommentieren im ZDF…
Das hat mit den Statuten zu tun. Ich habe die Altersgrenze bei den Öffentlich-Rechtlichen erreicht. Und dann kommt die Rente. Es war schon um zwei Monate verlängert worden. Wenn die WM im Sommer gewesen wäre, wäre ich im November schon weg gewesen. Aufgrund dieser komischen Winter-WM sind es halt acht Wochen länger geworden.
Sind Sie schon mental darauf eingestellt? Sie waren ja noch voll aktiv bei der WM. Ist das Ende Ihrer Reportertätigkeit im ZDF in Ihrem Kopf und auch in Ihrem Herzen schon angekommen?
Noch nicht so ganz. Ich bin noch voll im Saft. Ich habe – kurz bevor Sie angerufen haben – Reisekosten abgerechnet. In stillen Momenten denkt man: Das sind die letzten, die du abrechnest. Ab und zu schießt das einen in den Kopf. Dann hat man neue Ideen, was man machen könnte. Und die verwirft man wieder. Das ist ein Prozess, der immer noch am Laufen ist.
Béla Réthy über das Kommentieren von Finalspielen: „von der Vorbereitung her ein Selbstläufer“
Sie haben bei der letzten Europameisterschaft überraschender Weise nicht das Finale kommentiert und auch nicht bei der WM in Katar, weil dies in der ARD lief. Sind sie traurig darüber?
Nein. Mein letztes Finale war immerhin im letzten Jahr das in der Champions League zwischen Real gegen Liverpool. Dreimal durfte ich ein WM-Finale kommentieren, dreimal bei der EM und siebenmal in der Champions League.
Ist man bei einem Finale als Kommentator nervöser?
Nein. Eigentlich ist das leichter, als bei der WM ein Vorrundenspiel wie Kroatien gegen Kanada zu kommentieren. Man weiß bereits vor einem Finale so viel über beide Mannschaften, dass es von der Vorbereitung her ein Selbstläufer ist.
Im Radio haben Sie nie ein Spiel kommentiert. Aber einmal quasi im Fernsehen Radio gemacht …, aus Versehen, als das Bild ausfiel! Als Kind und Jugendlicher habe ich die Bundesligakonferenz mit Reportern wie Heribert Faßbender, der danach zur Sportschau ins Fernsehen gewechselt ist, geliebt. Ist im Radio zu kommentieren, nicht die hohe Kunst für einen Sportreporter?
Das galt seinerzeit tatsächlich als die hohe Kunst. Die bewundere ich ja, die lieben Kollegen. Wie die Bilder malen können! Die dürfen keine Pausen machen. Wir im Fernsehen hingegen machen gern mal Pausen. Im Radio schweigen, ist, glaube ich, nicht die Vorgabe…

Wie bereitet man sich als Béla Réthy auf einen Fernsehkommentar vor?
Am Tag des Spiels möglichst nichts mehr machen! Wie bei einem guten Trainer muss immer alles fertig sein. Ich versuche, am Tag des Spiels Abstand zu gewinnen vom Fußball, um den Akku wieder hochzufahren, wenn der Rasen liegt und die Lampe brennt, damit das Adrenalin wieder da ist. Da lenke ich mich ab mit lesen, Filme gucken, spazieren gehen. Ansonsten hat sich die Vorbereitung im Laufe der Jahre eigentlich dahingehend verändert, dass man früher alle Informationen mühsam zusammenkratzen musste. Und jetzt sind Infos im Überfluss da, anhand von Datenbanken und Videoclips. Die Kunst besteht eher darin, wichtig von unwichtig zu trennen. Das ist manchmal mehr Arbeit, als Informationen zu suchen.
Béla Réthy über Lieblingsclub Eintracht Frankfurt: „Der Verein kommt ja zu einem“
Muss ein Kommentator immer neutral sein oder können Sie Sympathien manchmal gar nicht unterdrücken?
Man muss nicht neutral sein. Man muss nur fair sein! Das ist für mich ein Riesenunterschied. Wenn Deutschland gegen Argentinien im Endspiel steht, das hat vor achteinhalb Jahren Tom Bartels moderiert, dann ist man eben für Deutschland. Ich habe dieses legendäre Spiel bei der WM 2018 gegen Südkorea kommentiert. Da war ich natürlich für Deutschland, habe mich aber totgeärgert, was die da zusammengekickt haben. Man muss die Fakten schon benennen, aber man muss nicht neutral sein. Das ist für mich kein Widerspruch.
Wie steht es mit Ihren ungarischen Wurzeln? Sie sind zwar in Wien geboren, aber Ihre Eltern stammen aus Ungarn und sind beim Volksaufstand geflohen.
Genau.
Ungarn hat mittlerweile wieder mehrfach Deutschland besiegt. Für wen sind sie da?
Da bin ich unparteiisch. Ich arbeite für einen deutschen Sender. Ich habe keine Sekunde in Ungarn gelebt. Natürlich verfolge ich, was sie im Fußball hervorbringen und dass sie wieder besser geworden sind. Sie waren mal eine große Fußballnation und zweimal im WM-Finale. Das erste Mal 1938. Aber ich bin mit dem deutschen Fußball sozialisiert. Ich lebe seit ich zwölf bin in Deutschland.
Haben Sie auch einen Lieblingsverein?
Ja, habe ich: Eintracht Frankfurt. Der Verein kommt ja zu einem. Man geht nicht zum Verein. Als Kind bin ich mit meinem Vater und später als Jugendlicher immer vom Bahnhof Frankfurt-Sportfeld ins Waldstadion gepilgert. Das ist etwas, was man nicht ablegen möchte. Und jetzt spielen sie Champions League!
Béla Réthy über Caio bei der Eintracht: „Wenn der aufstand zum Warmmachen, tobte die Kurve“
Ich bin gebürtiger Frankfurter. Meine Mutter hat mich als Kind immer zum Eintracht-Training mitgenommen. Dann war ich auch mal im „Kicker“ mit Jürgen Grabowski fotografiert. Später habe ich ihn als Erwachsener interviewt und auch privat getroffen. Er kam aus Wiesbaden, wo Sie auch wohnen. Kannten Sie ihn gut? Es hat doch eine Metaebene, dass kurz nachdem er im letzten März verstorben ist, die Eintracht wieder die Euro League gewinnt, die zu seinen Zeiten noch UEFA Cup hieß. Diesen gewann er 1980.
Ja, genau. Er hat mit dem Fußballspielen auch in Wiesbaden angefangen. In Biebrich, bevor er zur Eintracht ging. Erst war er beim SV Biebrich 1919, dann beim FV Biebrich 02. Ich kannte ihn vom „Hallo“ sagen. Wir haben uns nie verabredet, aber wir haben uns ab und zu gesehen. Beim Pokalendspiel in Berlin waren wir mal eingeladen. Gegen Dortmund, was 2017 für die Eintracht mit 1:2 verloren ging.
Mit der zweiten großen Eintracht-Legende, Bernd Hölzenbein, habe ich mal eine lustige Geschichte erlebt. Ich bin nach Brasilien geflogen, wegen irgendwas. Und da stand auf einmal der Hölzenbein am vorderen Gepäckband! „Was machst du denn hier?“, frage ich ihn verblüfft. Er tut geheimnisvoll: „Nicht verraten, ich kaufe den Caio!“ „Wen?“ „Du kennst den Caio nicht? Das wird mal ein Weltstar. Sag bloß keinem etwas!“ Ich daraufhin: „Alles klar, Bernd! Viel Glück!“
Leider ist Caio nicht so eingeschlagen bei der Eintracht. Mit der Weltkarriere wurde es dann doch nichts…
Aber er war beliebt. Zehn Kilo Übergewicht, aber wenn der aufstand zum Warmmachen, tobte die Kurve. Er war ein netter Kerl, aber sehr weit weg vom Weltstar.
Wen finden Sie denn jetzt am besten von der heutigen Eintracht?
Daichi Kamada finde ich super! Djibril Sow hat sich unheimlich gesteigert. Im Moment könnte ich stundenlang Jesper Lindström zusehen – wie der durch die Gegend pest! Torwart Kevin Trapp macht das hervorragend. Und natürlich Kolo Muani! Die machen schon Spaß, die Kameraden! Ich bin zufrieden mit der Mannschaft.
Béla Réthy über das Spiel in den 70ern: „Das war Zeitlupen-Fußball!“
Waren Sie eigentlich immer nah dran an der zuletzt immer schlechter werdenden deutschen Nationalmannschaft?
Ich telefonierte zuletzt mit Flick vor den Spielen. Er nahm sich immer Zeit dafür. Früher sind wir mal hingefahren. In den letzten Jahren telefonierte Löw dagegen nicht mal mehr mit uns. Wir sprachen dann mit dem Assistenten. Löw ist sehr netter Mensch. Er ist aber ein bisschen in sich gekehrt.
Jetzt sind Sie so lange dabei gewesen. Wie sehen Sie die Veränderungen beim Fußball? Ist er wirklich soviel schneller und athletischer geworden?
Das ist schon so. Allein, wie wir uns vorbereiten, bei einem Spiel. Früher recherchierten wir viel Hintergrund und Anekdoten. Die kannst du jetzt gar nicht mehr unterkriegen. Kaum guckst du mal zwei Sekunden weg, passiert die entscheidende Szene von dem Spiel und du stehst da im nassen Hemd. Das Spiel ist viel schneller, viel athletischer geworden, wird aber zu sehr verwissenschaftlicht, finde ich. Wenn wir Jahrhundertspiele angucken wie 1970 Deutschland gegen Italien, also das 3:4 nach Verlängerung beim WM-Halbfinale in Mexiko: Da kriege ich jetzt noch schweißnasse Hände vor Aufregung! Aber wenn man es sich heute mit Abstand ansieht: Das war Zeitlupen-Fußball!
Fußball in den 1970er Jahren war aber nicht immer langsam. Mit Jürgen Grabowski habe ich mich über die Halbfinal-Spiele der Frankfurter Eintracht gegen West Ham United im Europapokal der Pokalsieger 1976 unterhalten. Beim 2:1 im Hinspiel und 1:3 im Rückspiel gab es in Hochgeschwindigkeit heraus gespielte Chancen im 30-Sekundentakt!
Klar, gab es auch damals schnelle Spiele, aber der Fußball hat sich doch verändert. Und auch bei den Anhängern: Früher waren die Kinder und Jugendlichen Fans von unseren lokalen Größen. Heute sind die Kids Fans von Weltstars wie Mbappé oder Benzema. Das ist ein Faktum. Der Fußball ist „entregionalisiert“ worden.
Das ist ein guter Satz! Haben Sie für jüngere Spieler Bewunderung oder guckt man mit Hingabe nur auf die Legenden, mit denen man groß geworden ist?
Nö, ich guck’ schon auch heute mit Begeisterung. Das Real-Mittelfeld, vor allem mit dem französisch-kongolesischen Spieler Camavinga, ist sensationell! Ich verfolge das alles auch privat. Du kannst den Job nicht machen, wenn du keinen Bock auf Fußball hast. Ich bin sehr interessiert an der Entwicklung des Fußballs. Auch bei den Junioren-Weltmeisterschaften ziehe ich mir fast jedes Spiel rein. Mitunter auch vor Ort.
Das macht wirklich Spaß, wenn neben einem Scout, Trainer und andere Fachleute stehen und das Geschehen auf dem Rasen verfolgen. Jugendfußball finde ich gut! Bevor ich auf den „richtigen“ Fußball losgelassen wurde, bin ich noch vom leider im August 2022 verstorbenen Karl Senne zu Schülerländerspielen geschickt worden. Da waren dann 70.000 Kinder und Jugendliche im Olympiastadion bei Begegnungen gegen England. Einige davon durfte ich kommentieren. Auch A- und B-Jugend, heute U19 und U17 genannt, verfolge ich. Einmal Eintracht-Fan, immer Eintracht-Fan und das und immer auf allen Ebenen - auch bei den Frauen!
Béla Réthy über Prioritäten im Ruhestand: Reisen, Lesen, Enkelkind
Sie unterstützen als Botschafter die Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“. War das nicht komisch, in Katar die WM zu kommentieren, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden?
Das Problem ist im Grunde, dass in so einem Land eine WM gar nicht stattfinden darf. Das Land hat seine großen Schwächen, aber die WM ist von der FIFA vergeben worden. Wir haben leider zu wenig Einfluss, die Menschenrechtsfrage dort zu beeinflussen. Das haben wir mit China bei den Olympischen Winterspielen nicht hingekriegt, weil wir in Handelsbeziehungen mit ihnen sind. Da sagen wir kein Wort. Und die WM in Russland 2018, viereinhalb Jahre nachdem sie die Krim überfallen haben, war sozusagen der „Testlauf“ für das, was in Katar passierte.
Das sind einfach keine lupenreinen Demokratien. Es ist schade. Ich würde es auch gern ändern, heute oder morgen. Aber wir beide schaffen das nicht. Man ist zwiegespalten. Anderseits spielen nämlich bei einer WM die besten Fußballer der Welt. Das ist auch ein bisschen zu viel verlangt, zu fordern, dass man da nicht hingeht. Es gibt keinen einzigen Spieler, der dort nicht gern hin möchte. Herr Füllkrug wollte gern zu WM fahren, doch ich nehme an, dass er auch ein großer Kritiker der mit Füßen getretenen Menschenrechte dort war. Wenn du beispielsweise das Halbfinale hast – Deutschland ist nicht gemeint (lacht), und der Ball segelt durch den 16er: Da kannst du als Kommentar nicht mit den Menschenrechten anfangen. Wir hatten aber Begleitprogramm mit Menschenrechtsthemen im ZDF und auch in der ARD, so mit Vertretern vom Amnesty International.
Sie leben und atmen Fußball. Wie entspannt sich aber ein Béla Réthy? Haben Sie noch Hobbys?
Reisen! Ich will jetzt noch mehr dahin reisen, wo ich ansonsten lediglich für zwei Tage war und nur den Flughafen, das Hotel und das Stadion gesehen hatte. Australien zum Beispiel. Und auch ein paar Ecken, die ich noch nichts kenne. Ich lese gerne, alles, was mir so in die Finger fällt. Ich habe noch ein Enkelkind und das ist in Berlin, das sehe ich nicht so oft. Das wird sich jetzt ändern. Und ich will mich mehr um die Familie kümmern. Wenn das Wetter doof ist, setze ich mich in ein Flugzeug, wo Ruhe ist.
Wenn man das Beispiel Jörg Dahlmann nimmt: Hatten Sie mal Angst, dass Sie einen Satz heraushauen, der Ihnen verübelt wird? In den politisch oberkorrekten Zeiten muss man doch aufpassen.
Man hat schon die Schere im Kopf. Wenn sich die Außenministerin entschuldigen muss, dass sie als Kind Cowboy und Indianer gespielt hat, finde ich schon, das geht dann ins Absurde. Ich bin ein Freigeist. Ich bin auch der Meinung, dass Leute, die ihre Postion vertreten, diese gelassener vertreten sollten und nicht so dogmatisch, weil man dadurch vielmehr kaputt macht, als man erreichen möchte. Es gibt sehr viele sympathisch wirkende Menschen mit Vorstellungen von Dingen, die passieren sollen in Deutschland: also positive Veränderungen in Sachen Respekt, Toleranz, Frauenrechten etc. Und die werden ein bisschen durch dieses völlig überzogene, spießige Nachhalten von jedem Komma torpediert. Das finde ich sehr bedenklich. Aber vielleicht bin ich auch nur ein alter, weißer Mann. Vielleicht ist diese Vorstellung auch rassistisch…
Béla Réthy über das Skandalspiel von Gijón: „Das war keine Absprache, sondern nonverbale Kommunikation“
Für die Frankfurter Rundschau habe ich Interviews mit den jugendlichen Hauptdarstellern aus dem Film „Der junge Häuptling Winnetou“ geführt, aber auch mit den erwachsenen Akteuren über kulturelle Aneignung und Redfacing, wo sie auch ihren Standpunkt frei vertreten konnten. Und das wurde von den meisten Lesern sehr begrüßt.
Das ist gut so! Das ist Vielfalt! Erhobene Zeigefinger haben mich nämlich schon in meiner Schulzeit gestört. - Antonio Rüdigers Mutter stammt aus Sierra Leone. Na und? Dann kommt aber schon einer und sagt: „Wieso ist das jetzt ein anderer Deutscher als der Blonde da?“ Aber nein! Leute, lasst doch mal die Kirche im Dorf! Rüdiger engagiert sich für soziale Projekte dort und das sind seine Wurzeln. Das ist doch keine Ausgrenzung! Er ist dunkelhäutig und nur weil man sagt, dass seine Vorfahren aus Sierra Leone kommen und er in der deutschen Nationalmannschaft spielt, ist das alles plötzlich dünnes Eis? Man kann doch sagen, einer ist bairischer Herkunft und der andere sächsischer. Das macht die Beschreibung doch nur ein bisschen lebendiger! Sie, als schreibender Journalist, können, wenn Sie das Gefühl haben, es passt nicht so ganz, noch etwas durchstreichen. Bei Live gibt’s kein Tipp-Ex!
Welches war das Fußballspiel, welches Sie am liebsten kommentiert haben?
Das Spiel, was mir am meisten Spaß gemacht hat, war lustigerweise ohne deutsche Beteiligung. Das war das UEFA-Cup-Finale 2001 in Dortmund zwischen Deportivo Alaves und dem FC Liverpool, welches mit 4:5 nach Verlängerung und einem Eigentor als Golden Goal endete. Da fällt mir ein, dass mit Didi Hamann und Markus Babbel doch zwei Deutsche auf Liverpooler Seite dabei waren. Das war ein überragendes Fußballspiel!
Und welches war Ihnen ein Grauen?
Ich hatte ein Spiel, wo ich gesagt habe, hoffentlich ist‘s nach zehn Minuten vorbei. Es war das Achtelfinale der WM 2006 in Köln: Schweiz gegen Ukraine. Es endete nach Verlängerung 0:0 und dann ging es im Elfmeterschießen 0:3 aus. Die Schweiz, die auch in der Gruppenphase kein Gegentor bekam, schied aus, ohne ein einziges Tor in den regulären Spielzeiten bekommen zu haben. Es war ein schreckliches Spiel in Köln – ohne echte Torchancen. Die Ukrainer schienen nämlich bereits damit zufrieden zu sein, das Achtelfinale erreicht zu haben. Und dann verballern die Schweizer auch noch alle Elfmeter!
Das war so schlimm wie einst bei der WM 1982 das Ballgeschiebe in Gijón, wo Deutschland und Österreich nach dem 1:0 für uns das Spielen einstellten, damit die punktgleichen Algerier das Nachsehen hatten. Das war keine Absprache damals, sondern es fand eine nonverbale Kommunikation statt. Seitdem finden die Paarungen der letzten Spieltage immer parallel statt. Meine Kommentatoren-Leistung war bei Schweiz gegen Ukraine auch nicht so berühmt, weil ich irgendwann nichts mehr sagte. Das war das schlimmste Spiel, was ich je gesehen habe!

Béla Réthy über Robert Redford: „Schon mit 20 faltig. Genauso wie ich“
Für mich war das coolste Spiel aller Zeiten 1975 in der Bundesliga zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München, das mit 6:0 endete. Die Eintracht hätte auch 20:2 gegen Maier, Beckenbauer, Rummenigge und Co. gewinnen können! Grabowski erzielte von der linken Außenfahne das 3:0 und Nickel verwandelte zum 6:0-Endstand einen Eckball direkt!
Ja, das war einfach unfassbar! Ich habe jetzt mal die Spiele genommen, wo ich selber als Kommentator beteiligt gewesen bin.
Fußball und Film beginnen beide mit einem „F“. Was sind Ihre Lieblingsfilme?
Schwierige, aber gute Frage. (überlegt) „Die Unbestechlichen“! Der Journalistenfilm mit Robert Redford und Dustin Hoffman. Redford habe ich sogar mal getroffen, beim Besuch eines Ressorts in Utah. Da kam er in Salt Lake City zu uns an den Tisch. Der war schon mit 20 faltig. Genauso wie ich… Und dann muss ich „Fahrstuhl zum Schafott“ von Louis Malle mit der Jazz-Musik von Miles Davies nennen. Und natürlich „Pulp Fiction“ von Quentin Tarantino. Der hat mir Riesenspaß gemacht!
Und mir das Interview mit Ihnen!
Ganz meinerseits! Vielen Dank!
(Das Interview führte Marc Hairapetian)