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Becherwurf von Bochum

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Von: Thomas Kilchenstein

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Getroffen: Schiedsrichterassistent Christian Gittelmann (r.) kniet neben Schiedsrichter Benjamin Cortus nieder.
Getroffen: Schiedsrichterassistent Christian Gittelmann (r.) kniet neben Schiedsrichter Benjamin Cortus nieder. © dpa

Die Auswüchse in der Fußball-Bundesliga sind stets ein Spiegelbild einer zunehmend enthemmteren, rücksichtsloseren Gesellschaft. Der Täter muss sozial geächtet werden.

Man könnte nach dem Volltreffer von Bochum auf die Idee kommen, Geisterspiele hätten durchaus ihre guten Seiten. Zumindest würden dann schwerlich halbgefüllte Bierbecher auf Linienrichter-Hinterköpfe klatschen. Vermutlich wäre das dann doch ein Schuss mit Kanonen auf Spatzen. Aber mindestens „inakzeptabel“, „peinlich“ und „rufschädigend für den VfL Bochum“ ist die fiese Attacke vom Freitagabend allemal. Die Frage ist: Wie lässt sich verhindern, dass ein einzelner - nennen wir ihn ruhig Schwachkopf - alle Skrupel fahren lässt und es für richtig hält, Gegenstände auf andere, ihm völlig fremde Menschen zu werfen? Da ist dann doch zuvor einiges schief gelaufen. Wenn Hemmschwellen immer tiefer liegen, Zündschnüre immer kürzer, Emotionen unkontrolliert freien Lauf gelassen werden und es in gewissen (un-)sozialen Räumen akzeptabel ist, ein derartiges Verhalten an den Tag zu legen, dann passieren solche Dinge eben. Diese Auswüchse sind stets ein Spiegelbild einer zunehmend enthemmteren, rücksichtsloseren Gesellschaft.

Deshalb ist es kein spezielles Bochum-Problem: Das Werfen von Böllern, Münzen, Feuerzeugen ist in allen Stadien verbreitet, wer fragt eigentlich mal die vielen Fotoreporter in den Innenräumen, die Wochenende für Wochenende unter regelmäßigen Bierduschen ihre Bilder knipsen?

Andererseits ist es vielleicht doch kein purer Zufall, dass der Becherwurf ausgerechnet in der Arena an der Castroper Straße passierte. Es war Max Kruse, der sich vor ein paar Wochen über die „Ruhrpott-Asis“ beschwert hatte - nach einem Spiel beim VfL Bochum unter Bierduschen und Beleidigungen.

Und als ob es die Verantwortlichen geahnt hätten, hatten sie am Spieltag ein Video veröffentlicht, in dem auf Selbstverständliches hingewiesen werden musste, Bier sei „zum Trinken, nicht zum Werfen“ da. Währen des Spiels gegen Gladbach hatte der Stadionsprecher explizit darum gebeten, „keine Gegenstände aufs Spielfeld“ zu werfen, vergeblich wie sich alsbald zeigte in einem Stadion, in dem die Anhänger extrem nahe am Spielfeldrand sitzen. Der VfL kennt seine Pappenheimer.

Natürlich sollte nicht pauschal die Bochumer Fanschaft in Sippenhaftung genommen werden. Es ist übrigens dieselbe Fanschaft, die sich eine Woche zuvor in Frankfurt beim Gedenken an das verstorbene Eintracht-Idol Jürgen Grabowski bei der Schweigeminute vorbildlich verhalten hat. Aber der eine Schwachkopf macht alles zunichte.

Sicher: Derlei Auswüchse sind schwer zu verhindern, aber der Werfer darf nicht hinter einer anonymen Masse abtauchen. Mit Sicherheit haben ihn viele im Block A gesehen, er wird zur Rechenschaft gezogen werden, in ein Fußballstadion dürfte er so schnell nicht mehr kommen. Die Forderung nach möglichst drakonischen Strafen wird jetzt wieder laut, als hätten harte Strafen je etwas bewirkt. Auch die über die DFB-Seite veröffentliche Kriegsrhetorik des ge- und betroffenen Linienrichters ist unpassend. Helfen würde: soziale Ächtung des Werfers und eine zivilcouragierte Haltung der Umstehenden: Du machst unseren Fußball nicht kaputt.

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