Bayern München und die Wochen der Wahrheit

Für den Fußball-Rekordmeister aus München beginnt mit dem Spiel in Frankfurt eine ganz heiße Phase und damit auch für Coach Niko Kovac. Und der verliert bald auch noch seinen größten Fürsprecher.
Die FC Bayern München Aktiengesellschaft mit ihren mehr als tausend Angestellten und weit über 750 Millionen Euro Jahresumsatz ist auf einigen Positionen hervorragend aufgestellt. Gerade wurde der Vertrag mit Rouven Kasper bis 2023 verlängert. Kasper, der 37 ist und aussieht wie 27, ist seit drei Jahren Geschäftsführer der China-Tochter FC Bayern Munich Shanghai Co. Ltd. und firmiert künftig als „President Asia“ im Büro in Schanghai. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge lobt den jungen Manager als „absoluten Spezialisten“, der mit seinem Team „hervorragende Arbeit“ leiste.
Auf ähnlich konkrete Ehrerbietung aus der eigenen Vorstandsetage darf Niko Kovac vor zwei „Wochen der Wahrheit“ nicht hoffen. Nach dem Gastspiel in Frankfurt an diesem Samstag, gegen Olympiakos Piräus am Mittwoch, dem Topspiel gegen Borussia Dortmund am nächsten Samstag und dem Abschied von Präsident Uli Hoeneß am dann Freitag könnte die ohnehin brüchige Statik um den Trainer noch instabiler geworden sein.
Hoeneß hat Kovac seinerzeit als neuen Trainer durchgedrückt. Ohne den noch knapp zwei Wochen lang starken Mann im Klub, der künftig als einfaches Aufsichtsratsmitglied nicht mehr über unmittelbaren Durchgriff verfügt, fehlt Kovac ein bedeutender Fürsprecher in vorderster Reihe. Zur Erinnerung: Die Gnadenlosigkeit des Geschäftsbetriebs goss Rummenigge im Frühjahr in zwei einprägsame Sätze: „Bei uns gibt es keine Jobgarantie. Jeder, der hier arbeitet, muss liefern.“ Schon vermutet die gewöhnlich gut informierte „Sportbild“, Red-Bull-Topmanager Ralf Rangnick sei ein Kandidat für den Trainerposten beim FC Bayern.
Das Wochenblatt glaubt zudem zu wissen, dass Hoeneß in einer seiner letzten Amtshandlungen als Aufsichtsratschef am 11. November darauf dringen wird, dass Sportdirektor Hasan Salihamidzic eine Stufe höher in den Vorstand befördert wird. Was die Frage aufwirft: Sind die Bayern auf zwei zentralen Positionen - der des Trainers und der des Sportchef - für die Zukunft tatsächlich ähnlich optimal gewappnet wie mit Milchgesicht Rouven Kasper fürs China-Geschäft?
Uli Hoeneß hat dieser Tage dem vereinseigenen, gut gemachten Hochglanzmagazin „51“ ein umfangreiches Abschiedsinterview gegeben und damit zur Deutungshoheit über sein Gesamtwerk beigetragen. Der 67-Jährige wähnt den FC Bayern bestens aufgestellt: „Ich glaube, dass unser Konzept in den nächsten Jahren prosperiert wie nie. Es gibt weltweit kaum einen Verein, der so wie wir auf der Geldanlage-Seite geführt wird. Viele Klubs steuern stattdessen darauf zu, einen Schuldenberg jenseits einer Milliarde Euro anzuhäufen.“ Diese Klubs werde es „in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Das wird Große treffen.“ Er erwähnt Manchester United und die beiden Mailänder Vereine und folgert: „Es gibt viele Hinweise, dass man im Fußball nur mit Geld alleine, ohne Knowhow, ohne Herz, ohne gewisse Werte, auf Dauer nicht erfolgreich sein kann.“ Er selber habe dem FC Bayern „alles zu verdanken“ und sich „nie als Angestellter, sondern als sein erster Fan gesehen“. Das Erbe sieht er gut verwaltet, wenn Ex-Adidas-Chef Herbert Hainer ihm nachfolgt und Oliver Kahn ab 1. Januar 2022 zum Rummenigge-Nachfolger als Vorstandschef wird. „Ich habe Leute ausgesucht, denen ich diese Aufgabe zutraue.“ Wenn er von Hainer und Kahn „nicht völlig überzeugt wäre, hätte ich noch einmal kandidiert“.
Nach der Verbüßung seiner Haftstrafe wegen eines schwerwiegenden Steuerdeliktes („Mein allergrößter Fehler. Das bereue ich zutiefst, und Kritik daran ist höchst berechtigt“) war es dem Patron des FCB nicht gelungen, seine Rolle zurückhaltender als zuvor zu interpretieren. Für die Zukunft ohne Präsidentenamt und ohne Vorsitz im Aufsichtsrat gelobt Hoeneß Zurückhaltung, wenngleich mit Einschränkungen: „Ich bin nicht so ehrgeizig, dem Verein weiter meinen Stempel aufzudrücken.“ Aber, bitte nicht unterschätzen: „Eines ist klar: Ich werde kein Claqueur sein. Ich räume jetzt mein Büro, sonst hätte sich nichts verändert. Aber ich bin nicht aus der Welt.“
Er wird also seine Stimme erheben, wenn er es für nötig erachtet - und was diese Stimme zu sagen hat, könnte Kovac noch zur Hilfe gereichen, wenn auch nicht mehr so machtvoll. „In unserer schnelllebigen Welt reichen drei Fehler, und du wirst gekillt. Mir rollen viel zu schnell Köpfe.“