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„Habe Morddrohungen erhalten“: Ex-Bayern-Star muss sich verstecken

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Von: Frank Hellmann

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Sportlerinnen und Sportler spielen in der Revolutionsbewegung des Iran eine Schlüsselrolle. Der Preis für ihren Mut ist oft hoch.

Ali Karimi war die Bedrückung anzusehen. Im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund war es am Montagabend mucksmäuschenstill, als sich der ehemalige Fußballstar von einem unbekannten Aufenthaltsort aus den USA mit einer Videobotschaft meldete.

Name:Ali Karimi
Geburtsdatum und -ort:8. November 1978 in Karadsch (Iran)
In der Bundesliga als Spieler aktiv für:FC Bayern München, FC Schalke 04
Karriereende:2014

Ex-Bayern-Star Karimi lebt im Exil in den USA

„Natürlich ist es ein schreckliches Gefühl, im Exil zu sein. Aber es war noch schlimmer zu fühlen, dass die Menschen in ihrem eigenen Land wie im Exil unter ähnlichen Umständen leben müssen“, sagte der ehemalige Bundesligaspieler des FC Bayern und FC Schalke 04 bei dem Iran-Abend „Frau, Leben, Freiheit“, der die besondere Rolle der Sportlerinnen und Sportler thematisierte. Der zuvor in Dubai lebende Karimi sah sich vor einigen Monaten gezwungen, in räumlich noch größere Distanz zu seiner Heimat zu gehen: „Ich habe von verschiedenen Stellen Morddrohungen erhalten.“

Der 44-Jährige sprach vor einer Landesflagge, auf der stand: Women. Life. Freedom. Das Fußball-Idol ist davon überzeugt, dass sich die eigenen Opfer lohnen, um für fundamentale Menschenrechte zu kämpfen: „Manchmal passieren uns Dinge im Leben, über die wir keine eigene Kontrolle mehr haben. Trotzdem müssen wir irgendwie mit ihnen klarkommen. Meine Hoffnung ist, dass die Revolution das erreichen wird, was die Mehrheit der Menschen im Iran hofft.“

Ali Karimi vor einem Fußballspiel des FC Bayern
Ali Karimi vor einem Spiel des FC Bayern München im Jahr 2007. Heute lebt der regimekritische Iraner im Exil in den USA. © Imago Images / Ulmer

Karimi äußerte sich mehrfach kritisch gegenüber dem iranischen Regime

Im vergangenen Jahr hatte der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini dafür gesorgt, dass vor allem Frauen Ihren Unmut über die Unterdrückung auf Teherans Straßen trugen. „Mahsa Aminis Tragödie hat die Herzen aller Menschen im Iran gebrochen“, sagte Karimi, dem auf Instagram fast 15 Millionen Menschen folgen.

Nach seinen kritischen und tausendfach geteilten Twitter-Beiträgen („Hab keine Angst vor starken Frauen. Vielleicht kommt der Tag, an dem sie deine einzige Armee sind“) beschlagnahmten die Behörden bald den Besitz des 129-fachen Nationalspielers, der zu diesem Zeitpunkt bereits außer Landes war.

Iranische Nationaltrainerin gründete Fußballschule als Anlaufpunkt

Niloufar Ardalan konnte ihre Heimat nicht so einfach verlassen – ihr Ehemann verhinderte die Ausreise der ehemaligen Kapitänin und Trainerin der iranischen Frauen-Nationalmannschaft. Von ihrem Schicksal erzählte Farschid Ali Zahedi, der über ihren unermüdlichen Einsatz den Film „Zeit zum Atemholen“ gedreht hat, der zur Premiere im vergangenen Spätsommer im Dortmunder Fanprojekt lief.

Mit dem FC Ardalan schaffte es die Hauptperson, eine Fußballschule zu gründen und den Fußballplatz zum Anlaufpunkt mutiger Frauen zu machen, die sich ihre Liebe zum Fußball oder Futsal nicht verbieten lassen. Der Filmemacher berichtete von den schwierigen Dreharbeiten in einem Land, „wo Frauen keine Rechte haben“. Sportlerinnen würden bis heute nicht nur mit dem Regime, sondern auch mit der Familie kämpfen.

Karimi nimmt Sportler und Verbände in die Pflicht

Insbesondere der Fußball spiegelt die Zerrissenheit des Landes in all seinen Facetten wider. Bei der WM in Katar erhielt jede Geste der iranischen Nationalspieler beim Abspielen der Hymne eine politische Bedeutung. Zur Erinnerung: Beim Auftaktspiel gegen England hatte „Team Melli“ vor der Weltöffentlichkeit geschwiegen, dann aber bewegten die meisten widerwillig ihre Lippen. Weil sie unter massiven Druck gesetzt worden waren?

Nach Karimis Dafürhalten ist es die Pflicht, dass insbesondere die Topspieler, zu denen ja auch Sardar Azmoun von Bayer Leverkusen gehört, ihre Popularität nutzen, „sich für gesellschaftliche Belange einzusetzen“. Explizit ständen Athletenorganisationen und Sportverbände in der Pflicht; „die globale und olympische Öffentlichkeit“ habe „jegliche Aktivitäten von politischen und militärischen Kräften im iranischen Sport zu unterbinden“.

Spielerberater über Karimi: „Spiegelbild des Protestes“

Der Spielerberater Reza Fazeli würdigte Karimi als „Spiegelbild des Protestes“: Die Bewegung kämpfe „für die Liebe und Zivilisation gegen die Barbarei: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Liebe am Ende gewinnen wird.“ Der 48-Jährige vertritt unter anderem den deutschen Nationalspieler Emre Can, der sich beim Abschlussbild mit auf die Bühne stellte. Der in Berlin lebende Fazeli erzählte, es sei schwierig, als Iraner ein normales Leben zu führen. „Es ist keine einfache Zeit für uns alle. Einmal in Ruhe zu atmen: Dieses Gefühl gibt es weder im Iran noch außerhalb.“

Der lange Arm des Regimes reicht weit – und betrifft längst auch diejenigen, die über den Sport berichten. Inzwischen ist es den wenigen Fotografinnen unter Strafe untersagt, Sportlerinnen abzulichten. Arbeitsverbote sind an der Tagesordnung; der Bannstrahl trifft auch diejenigen, die international preisgekrönte Arbeit vollbracht haben. Eigentlich erstaunlich, dass so viele noch im Land verharren. Vahid Sarlak, der inzwischen bei Borussia Mönchengladbach als Judo-Trainer arbeitet, sah irgendwann keinen anderen Ausweg mehr als die Flucht.

Kletterin Elnaz Rekab sorgte für weltweites Aufsehen

Als Weltklasse-Judoka hatte ihn 2007 bei einer WM ein Funktionär am Arm gepackt, um ihm zu verdeutlichen, dass er den nächsten Kampf verlieren müsse, damit er nicht gegen einen Israeli antritt. Zwei Jahre später passierte in Rotterdam noch mal dasselbe. Nachdem er in Europa blieb, durften Schwester und Bruder in der Heimat „nicht mehr arbeiten“. Seine Familie habe er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen, erzählte der 42-Jährige mit stockender Stimme. Sarlak brachte den Mut auf, 2019 vor dem Sportgerichtshof Cas auszusagen, um den iranischen Judoverband nach einem weiteren Vorfall aus dem Weltverband auszuschließen. „Dieses Regime ist ein krankes System.“

Für Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International bleibt die Öffentlichkeit „der zentrale Hebel“. Das islamische Regime fürchte das weltweite Aufbegehren, als die iranische Kletterin Elnaz Rekab bei der Asienmeisterschaft ohne Kopftuch angetreten war. Danach war die Sportlerin mit massiver Einschüchterung konfrontiert.

Ringer Navid Afkari vor zwei Jahren hingerichtet

Fahlbusch erinnerte an den Ringer Navid Afkari, der unter dubiosen Umständen vor zwei Jahren hingerichtet wurde. Amnesty International zählte kürzlich weitere 17 000 politische Gefangene in wenigen Wochen. Gegnern des Mullah-Regimes drohten „Hinrichtungen, Hausarrest, Folter und willkürliche Verhaftungen“.

Eines müsse man wissen, erläuterte die Nahost-Expertin: „Iranische Sportlerinnen und Sportler erleiden dasselbe wie Millionen Menschen im Iran.“ Das sollte aber nicht das Schlusswort sein. Der Themenabend endete damit, dass sich Podium und Publikum zu den Klängen von „Baraye“, der Hymne der iranischen Protestbewegung, mit dem Victory-Zeichen erhoben. Der regimekritische Fernsehsender „Iran International“ übertrug von Anfang bis Ende live. So wichtig waren die Botschaften vom Königswall gegenüber vom Dortmunder Hauptbahnhof.

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