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Ausgehungert nach Fußball

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Von: Jan Christian Müller

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Volles Haus im Borussia-Park.
Volles Haus im Borussia-Park. © dpa

Es hat den Anschein, als dürsteten die Fans geradezu nach dem Stadionerlebnis. Bei der Mehrzahl der Fans ist der Grad der Identifikation höher als jener der Entfremdung.

DFB-Pokal Hamburger SV gegen den SC Freiburg am Dienstagabend: binnen weniger Stunden alle 57 000 Tickets vergriffen. Bundesliga am Osterwochenende: Bielefeld gegen Bayern, Gladbach gegen Köln, Union gegen Frankfurt: alle ausverkauft. Dortmund gegen Wolfsburg, Freiburg gegen Bochum: nur noch wenige Restplätze frei. Leverkusen - Leipzig, Mainz - Stuttgart, Augsburg - Hertha: neun von zehn Plätzen besetzt. Zweite Liga: Bremer Weserstadion, Böllenfalltor in Darmstadt: jeweils rappelvoll. Dazu am Gründonnerstag 30 000 Eintracht-Fans im Camp Nou in Barcelona. Und nicht zu vergessen: 47 000 Menschen beim Drittliga-Clash gegen Saarbrücken auf dem guten alten „Betze“ in Kaiserslautern.

Es sieht also gerade gut aus für die meisten Schatzmeister, deren Einnahmen aus Eintrittskarten sich in der schlimmsten Pandemie nur noch im Promillebereich bewegt hatten und riesengroße Löcher in die Kassen rissen. Nur Frank Briel, der tapfere Finanzchef der TSG Hoffenheim, sah am Ostersonntag viele leere Plätze im Stadion von Sinsheim. Das 0:0 gegen Schlusslicht Fürth hatte ehrlicherweise nicht mehr als 16 110 Leute vor Ort verdient.

Insgesamt aber zeigt sich: Die Befürchtungen, der deutsche Lizenzfußball könnte auch nach zurückerlangter Vollauslastung der Arenen unter geballtem Desinteresse der Kundschaft leiden, erfüllen sich bisher nicht. Ganz im Gegenteil: Es hat den Anschein, als dürsteten die Fans geradezu nach dem Stadionerlebnis.

Hinzu kommt nach zwei Jahren der Entbehrungen die frische Frühlingsluft, die für viele die Gefahr von Ansteckungen als kalkulierbares Risiko erscheinen lässt. Zumal es ja keineswegs verboten (und für Risikogruppen sogar sehr angeraten) ist, im Stadion konsequent eine Maske zum Selbstschutz zu tragen - auch wenn manch einer sich dabei inzwischen recht einsam fühlt.

Die fehlenden Zuschauereinnahmen führten dazu, dass allein die Klubs der Ersten Fußball-Bundesliga über eine Milliarde Euro weniger einnahmen, derweil Spieler und Trainer absurderweise aus ihren Altverträgen und fehlender Bereitschaft zu einem länger andauernden Gehaltsverzicht dennoch weit über 100 Millionen Euro mehr Gehalt überwiesen bekamen. Wer glaubte, dass derlei Auswüchse zu einer kollektiven Abwendung vom Profifußball führen würden, sieht sich nun eines besseren belehrt. Die, die tatsächlich keine Lust mehr haben, weil sie den Gesten und Worten der Demut nie trauten, bleiben eher Einzelfälle. Bei der Mehrzahl der Fans ist der Grad der Identifikation höher als jener der Entfremdung.

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