Auf den Spuren von Thomas Tuchel

Die A-Junioren von Mainz 05 stehen im DFB-Pokal und Meisterschaft jeweils im Halbfinale. Stürmer Nelson Weiper ragt heraus und hat schon in der Bundesliga getroffen.
Jedes Jahr vor einer Spielzeit begeben sich die A-Jugendspieler des FSV Mainz 05 auf den 2000 Meter hohen Simmering im Inntal, um dort 1200 Höhenmeter zu überwinden. Mit dem Fahrrad. „Die meisten müssen irgendwann schieben, aber es bilden sich Gruppen, die sich gegenseitig pushen. Und oben sind dann alle miteinander glücklich“, berichtet Trainer Benjamin Hoffmann. Eingeführt hat dieses Ritual ein gewisser Thomas Tuchel vor 14 Jahren. Der Schlaks wurde mit den Mainzern 2009 prompt Deutscher A-Junioren-Meister und begründete so eine Weltkarriere, die ihn 2021 mit dem FC Chelsea auf den Thron der Königsklasse und nun zum FC Bayern München führte.
Benni Hoffmann schickt sich gerade an, es dem ihm bestens bekannten Tuchel mit der aktuellen Mainzer U19 nachzutun. Zum Titel in der Bundesliga Süd/Südwest hat der 43-Jährige sein mit einigen Toptalenten geschmücktes Team - weit vor hochdekorierten Konkurrenten wie Bayern München, dem VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt und dem SC Freiburg - bereits geführt. Prompt gab es Glückwünsche von Tuchel.
Nun warten weitere Hochkaräter auf die Rheinhessen: im Halbfinale des DFB-Pokals (am 2. April in Gelsenkirchen) bei Schalke 04, im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft (am Ostersonntag daheim im Bruchwegstadion und 16. April auswärts) gegen den 1. FC Köln.
Viele Offensivtalente
Hoffmann weiß, wie Meisterschaft geht: Mit den A-Junioren von Borussia Dortmund gewann er 2019 den Titel. Beim BVB lernte er nacheinander Jürgen Klopp und Tuchel kennen. „Thomas war für mich einer der größten Inspiratoren, er hat mich sehr nah an seine Arbeit und die Bundesligamannschaft gelassen.“ Ist Tuchel auch Vorbild in der Karriereplanung? Hoffmann gibt sich bescheiden: „Natürlich wäre es auch für mich interessant, aber ich bin absolut glücklich mit meiner Situation. Ich sehe mich als Ausbilder.“
Diesen Job beherrscht der emphatische Trainer, der seine Fußballlehrerlizenz 2015 mit Steffen Baumgart, Florian Kohfeldt, Thomas Reis und Marco Rose erwarb. Der Gefahr, dass seine Spieler sich aufgrund der Bezeichnung „Junioren-Bundesliga“ schon auf höchstem nationalen Profistandard wähnen, pflegt Hoffmann zeitig zu begegnen. „Ich sage meinen Jungs, dass das Niveau, auf dem wir uns bewegen, zwischen Oberliga und Regionalliga anzusiedeln ist. Dann schaue ich schon mal in große Augen.“
Ganz besonders in dieser Saison finden sich im Kader der Mainzer U19 einige Hochbegabte, denen ein verlässlicher Sprung in die Bundesligamannschaft zuzutrauen ist. Allen voran Nelson Weiper, erst 17 Jahre alt und schon mit einem Tor in der ersten Liga dabei. Mit dem Flugkopfball zum 4:0 gegen Mönchengladbach wurde Weiper zum jüngsten Bundesligatorschützen der Mainzer. Den Treffer, berichtet Coach Hoffmann, hätte die A-Jugendmannschaft sich gemeinsam in der Kabine noch einmal angeschaut. „Nelson wurde abgefeiert.“
Weiper trainiert wie Sturmkollege Brajan Gruda regelmäßig bei den Profis, kommt aber nur allzu gerne runter zur A-Jugend, zumal er gerade am Abitur bastelt und deshalb tagsüber schon mal eine Einheit mit dem Bundesligakader auslassen muss. „Bei uns“, sagt Hoffmann, „kann er noch Kind sein. Man darf nicht vergessen: Er ist erst 17 Jahre alt.“
Das Stürmerproblem im deutschen Nachwuchsfußball kann Hoffmann aktuell in Mainz nicht bestätigen. Neben Weiper gehören auch der wuchtige Gruda (18, schon zwei Bundesliga-Kurzeinsätze) und der elegante Dennis Kaygin (15 Saisontore) zu den Offensivleuten im 05-Nachwuchs, denen sie im Klub einiges zutrauen.
Enger Austausch mit Profis
Auffällig, dass bei Mainz 05 eine erkleckliche Anzahl der Talente schon länger im Verein ist. Das war vor ein paar Jahren bei bei Ridle Baku (jetzt VfL Wolfsburg) Torwart Finn Dahmen sowie den derzeit ausgeliehenen Paul Nebel (Karlsruher SC) und Niklas Tauer (Schalke 04) so. Und das ist jetzt auch bei Weiper, Kaygin und dem ebenfalls als Toptalent geltenden Verteidiger Philipp Schulz so. „Das“, sagt Hoffmann, „ist kein Zufall, sondern der Ausbildungsweg von Mainz 05.“
Der Austausch mit Chefcoach Bo Svensson ist engmaschig. „Wir sitzen auf einem Flur“, berichtet Hofmann, „wir haben fixe Termine, die Sportdirektor Martin Schmidt koordiniert.“ Da fügt es sich, dass sowohl Schmidt als auch Hoffmanns U-19-Trainer-Vorgänger Svensson sich in der Talentförderung bestens auskennen. Ebenso hilfreich für die Durchlässigkeit: Svenssons Assistenten Babak Keyhanfar und Patrick Kaniuth kommen ebenfalls aus der 05-Nachwuchsschmiede.
Weil der FSV Mainz 05 nicht die finanziellen Mittel einiger Konkurrenten zur Verfügung stehen, „müssen wir weiter nicht nur mit Inhalten überzeugen, sondern auch Menschlichkeit im Umgang und mit unseren Trainingsmöglichkeiten.“ Benni Hoffmann blickt dem geplanten Neubau am Bruchwegstadion deshalb mit einiger Vorfreude entgegen. Erst einmal ist die Vorfreude auf die Halbfinals in Pokal und Meisterschaft aber riesengroß.
Immer der Spur von Thomas Tuchel nach.