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Anton Stach im Interview: „Vielleicht findet Hansi Flick das interessant“

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Von: Jan Christian Müller

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Heiß auf seinen Einsatz: Anton Stach auf der deutschen Ersatzbank.
Heiß auf seinen Einsatz: Anton Stach auf der deutschen Ersatzbank. © Zink / Imago Images

Der Mainzer Anton Stach erklärt, was er dem DFB-Team geben kann, was er sich von Leon Goretzka abgucken kann und was er und seine beiden Schwestern krass finden.

Herzogenaurach – Zum Interview mit Nationalspieler Anton Stach zu gelangen, ist nicht ganz einfach. An der Schranke zum Adidas-Gelände in Herzogenaurach muss das Sicherheitspersonal vom Reporter erst überzeugt werden, dass der DFB die Einfahrt mit dem Auto erlaubt hat. Dann geht es weiter dem vom Ausrüster gestellten Fahrrad 300 Meter einen Hügel hinab an den Eingang des „Home Ground“, selbstverständlich in Begleitung der Security. Dort erscheint der rasante Aufsteiger Anton Stach, 23, pünktlich zum Gespräch. Der Mainzer Mittelfeldspieler, der am Samstag in der Nations League in Ungarn (20.45 Uhr/RTL) auf seinen zweiten Einsatz in der A-Mannschaft hofft, hat eine Menge zu erzählen.

Herr Stach, Sie sind 1,94 Meter groß und stark. Stimmt es, dass Sie als Jugendspieler bei Werder Bremen zu klein und schwach auf der Brust waren?

Ich war tatsächlich immer einer der Kleinsten und Schmächtigsten. Das hat sich dann mit 18 Jahren schlagartig geändert. Jetzt sieht es ein bisschen anders aus.

Sind Tränen geflossen, als Sie man Ihnen bei Werder sagte: „Anton, es reicht nicht!“

Tränen wohl nicht, ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Aber ich war schon sehr traurig. Meine Zeit in Bremen war wie eine Achterbahnfahrt.

Beim späteren Bundesligatrainer Florian Kohfeldt in der B-Junioren-Bundesliga waren Sie sogar Kapitän.

Stimmt, aber im nächsten Jahr wurde ich kaum noch berücksichtigt. Und dann wurde mir gesagt, dass ich keine Chance auf mehr Spielzeit hätte. Ich habe mich dann entschieden, einen Schritt zurückzumachen in die Regionalliga. Den bereue ich nicht. Ganz im Gegenteil.

Welchen Rat können Sie Jungen geben, die so aussortiert werden wie Sie?

Die sollten sich nicht unterkriegen lassen, weitermachen und hart trainieren. Sie sollten weiter an ihrem Traum vom Profifußball festhalten. Ihre Entwicklung kann viel später einsetzen. Und bei anderen, die vorher viel besser waren, kann sie plötzlich stehenbleiben. Das zweite Standbein Schule ist aber auch sehr wichtig.

Haben Sie auch mal den Mut verloren?

Es gab schon eine Zeit nach dem Rückschlag bei Werder, in der ich nicht mehr so viel Lust auf Fußball hatte. Und das will was heißen, bei meiner großen Fußballbegeisterung.

Sie waren ja auch ein hervorragender Tennisspieler.

Das war vor meiner Bremer Zeit. Da habe ich noch parallel Tennis und Fußball gespielt.

Und jetzt sind Sie seit März A-Nationalspieler. Was hat sich verändert für Sie?

Im Kopf gar nichts.

Und sonst?

Meine Mitspieler hier sind andere Kaliber. Sie sind bärenstark. Die Qualität ist brutal. Da wird jeder Fehler bestraft. Daran musst du dich erstmal gewöhnen. Aber ich will mich hier auch nicht verstecken. Und klar: Mein Spiel hat sich verändert. Ich habe mich ganz gut weiterentwickelt, wie ich finde. Aber eben noch nicht weit genug. Ich glaube, dass ich noch viel mehr Potenzial habe.

Schauen die Menschen auf der Straße Sie jetzt anders an?

Manche schon. Mir fällt dann oft auf, dass sie zu mir herüberblicken, sich aber kaum trauen, mich anzusprechen. Das können sie ruhig tun. Ich freue mich sogar darüber.

Nur noch mal zur Einordnung, Herr Stach. Sie waren zu Saisonbeginn bei Mainz 05 noch kein Stammspieler. Stimmt doch, oder?

Stimmt genau.

Warum eigentlich nicht? Die Mainzer haben ja 3,5 Millionen Euro für Sie an Greuther Fürth überwiesen.

Das Problem am Anfang war, dass ich direkt von den Olympischen Spielen in Japan kam. Dieses Turnier zu spielen und zu erleben war eine super Erfahrung, aber dadurch hatte ich auch Trainingsrückstand. Und ich war das Erstliganiveau noch nicht gewöhnt. Die ersten drei, vier Wochen in Mainz konnte ich abseits des Platzes gar nichts mehr machen.

Weil Sie wegen der Trainingsbelastung fix und fertig waren?

Ja, das war ganz schlimm am Anfang. Ich hatte ja nach den aufregenden Wochen nur wenig Zeit für die Regeneration. Aber dann habe ich mich immer mehr angepasst.

Das ist bescheiden formuliert, Herr Stach. Viele sagen jetzt, Sie seien für Mainz 05 schon zu gut geworden. Was sagen Sie?

Ganz ehrlich: Mainz ist Tabellenachter geworden in der Bundesliga. Es wäre vermessen, wenn ich jetzt behaupten würde, ich wäre zu gut für Mainz 05.

War das früher bei Klassenarbeiten bei Ihnen auch so? Wenn es drauf ankam, habe Sie gut performt und sich nach oben angepasst?

Ja, das war tatsächlich häufig der Fall. Das habe ich meistens ganz gut hinbekommen. Aber nur, wenn ich vorher auch gelernt hatte.

Die Mainzer Verantwortlichen sagen, dass Sie auf jeden Fall bleiben.

Das ist mein Plan.

Weil man ja auch nie wissen kann, ob nicht noch ein Angebot im Sommer um die Ecke kommt, dass weder der Verein noch Sie selbst ablehnen wollen?

Ausschließen kann man im Fußball nichts.

Zur Person

Anton Stach wuchs in Buchholz in der Nordheide auf und wurde als Jugendspieler von Werder Bremen entdeckt. Dort konnte sich aber nicht durchsetzen. Über die zweiten Mannschaften des VfL Osnabrück und des VfL Wolfsburg gelangte er in die zweite Liga nach Fürth, führte Fürth mit zum Aufstieg - und wurde postwendend zum FSV Mainz transferiert, wo er sich flugs zum A-Nationalspieler entwickelte.

Der 23-Jährige kommt aus einer sportaffinen Familie. Vater Matthias, einst Journalisten-Europameister und -Weltmeister im Tennis,, ist TV-Tennis- und Fußballreporter. Die Schwestern Emma und Lotta spielen hochklassig Basketball, Mutter Julia war eine erfolgreiche Handballerin. (jcm)

Ihr Mainzer Klubtrainer Bo Svensson meckert immer mal an Ihnen herum. Er spricht Defizite unverblümt an. Sind Sie manchmal beleidigt, das in der Zeitung zu lesen?

Überhaupt nicht. Ich weiß, dass er nur das Beste für mich will. Und ich bin durch den Rückhalt und Austausch innerhalb meiner Familie früh damit aufgewachsen, mit Kritik umgehen zu können. Ich bin ja selbst sehr kritisch mit mir.

Svensson fummelt Sie offenbar gerade zu einem offensiveren Spieler um?

Stimmt. Das gefällt mir. Ich komme gerne öfter in Abschlusssituationen.

In der Nationalmannschaft standen Julian Weigl und Florian Neuhaus über Ihnen in der Hierarchie. Jetzt nicht mehr. Was können Sie dem Team geben, was es noch nicht hat?

In unserem Fall würde ich von Hierarchie noch nicht reden. Julian und Florian sind zwei super Spieler, die jede Mannschaft bereichern. Ich bin ein etwas anderer Spielertyp als sie – durch meine Größe, meine Zweikampfstärke, meine defensive Präsenz und die Dynamik. Vielleicht findet Hansi Flick das auch interessant.

Und jetzt orientieren Sie sich bestimmt an Leon Goretzka, für den Sie hier der Backup sind?

Leon ist der Spieler, dem ich wahrscheinlich am ähnlichsten bin.

Was können Sie sich von ihm abgucken?

Vieles. Auf jeden Fall die Laufwege nach vorne. Dass er weiß, wann er in die torgefährlichen Räume gehen muss. Er hat ja schon oft getroffen. Ich in der Bundesliga bislang nur einmal. Das ist zu wenig.

Wo sehen Sie bei sich sonst noch Defizite?

Vor allem in der Vororientierung. Da muss ich unbedingt noch besser werden.

Können Sie das genauer erklären?

Wenn ich zum Beispiel an der Mittellinie mit dem Rücken zum gegnerischen Tor vom eigenen Innenverteidiger angespielt werde, muss ich noch verbessern, dass ich zuvor schon den Raum hinter mir erkannt habe und weiß, wohin ich spielen will, um das Spiel schnell zu machen.

Ihr Vater Matthias Stach hat vergangene Woche die French Open für Eurosport kommentiert…

… ja, und wir haben ihn dann hier bei der Mannschaft zusammen manchmal im Fernsehen gesehen.

Sprechen Sie täglich miteinander?

Das nun nicht, aber wir schicken täglich WhatsApp-Nachrichten und telefonieren regelmäßig.

Als Sie vergangenen Sommer in der U21 bei der EM gegen die Niederlande in einer unheimlich spannenden Schlussphase eingewechselt wurden, hat Ihr Vater das Spiel fürs Fernsehen kommentiert und sagte die legendären Sätze: „Ich könnte jetzt sagen: ,Junge, blamier mich nicht.‘ Sag ich aber nicht“. Jetzt platzt er wahrscheinlich vor Stolz?

Damals auch schon. Aber er ist keiner, der mich nur lobt von wegen: „Toll, Junge, was du schon alles erreicht hast.“ Er sagt eher, was ich noch besser machen soll. Er pusht mich, dass ich noch härter arbeiten soll. Ich finde es gut, dass ich so jemanden hinter mir habe.

Ihre Schwestern sind beide sehr gute Basketballerinnen. Emma, die Ältere, spielt im Nationalteam, Lotta, die Jüngere, in der Junioren-Nationalmannschaft. Wie gehen die beiden mit ihrem jetzt so berühmt gewordenen Bruder um?

Ganz normal. Da hat sich gar nichts verändert. Die schimpfen immer noch manchmal mit mir, wenn ich nicht aufgeräumt habe.

Sind Sie unordentlich?

Eigentlich nicht. Aber wenn ich bei meinen Eltern in Buchholz zu Besuch bin, bin ich schon manchmal etwas faul. Dann bekomme ich von meinen Schwestern jetzt genauso etwas zu hören wie vor zehn Jahren.

Sprechen Sie über die unterschiedlichen Wahrnehmungen einer Frauen-Nationalmannschaft im Basketball und einer Männer-Nationalmannschaft im Fußball?

Ja. Und wir finden die Unterschiede zu krass. Was die Aufmerksamkeit angeht, was die Organisation angeht, und natürlich auch das Geld. Nehmen Sie allein die Anreise zur Nationalmannschaft: Die muss meine Schwester mehr oder weniger selbst organisieren mit dem Zug oder dem Auto.

Wie fühlen Sie sich in Mainz?

Es gibt keinen Punkt, der mir nicht gefällt. Die Stadt ist top, die Wohnung ist super, im Verein stimmt es.

Aber Ihre Ziele sind nun bestimmt neu justiert?

Ich will natürlich gerne bei der WM dabei sein.

Und mit dem Verein?

Das müssen wir noch mit dem Trainer und der Mannschaft besprechen. Ich will jetzt lieber nicht sagen, dass ich mit Mainz 05 Meister werden will. (Interview: Jan Christian Müller)

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