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Angezählter Nagelsmann

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Von: Ingo Durstewitz

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Im Blickpunkt in München: Trainer Julian Nagelsmann.
Im Blickpunkt in München: Trainer Julian Nagelsmann. © Imago

Der Bayern-Trainer hegt keine Rücktrittsgedanken, sondern gibt sich vor dem wichtigen Spiel gegen Leverkusen offen und kämpferisch.

Es ist nun nicht so, dass der zumeist distanziert und kühl-mürrisch daherkommende Julian Nagelsmann ein eiskalter Engel wäre oder mit Scheuklappen durch die Welt wandern würde. Er verliert halt nur nicht gerne, und wenn man denn trotzdem verliert und auch noch Trainer beim FC Bayern ist, dann kann das schon mal unangenehm sein. Gerade in der Bundesligapause, in die seine Bayern auch noch mit einer Niederlage beim FC Augsburg gegangen sind, ist so einiges auf den noch immer sehr jungen Münchner Coach eingeprasselt, und als er vor dem einst als Spitzenspiel geplanten Duell gegen Bayer Leverkusen am Freitagabend (20.30 Uhr/Dazn) in Fröttmaning vor die versammelte Presse trat, öffnete er sich ein gutes Stück weit. „Dass die letzten zwei Wochen hart waren, ist normal. Und wenn ich behaupten würde, sie hätten mich total kalt lassen, dann wäre das gelogen“, sagte der 35-Jährige, der für den schlechtesten Start seit Louis van Gaal (2010) verantwortlich zeichnet. Dass die Bayern vier Bundesligaspiele in Folge nicht mehr gewinnen konnten, liegt auch eine Weile zurück. Mehr als zwei Jahrezehnte sogar. Da war Julian Nagelsmann noch ein Teenager.

Heute gilt er als eine der größten deutschen Trainerhoffnungen, was sein Arbeiten am aufgeregtesten Standort mit dem höchsten Druck nicht einfacher macht. „Fußball ist ein wichtiger Teil meines Lebens, aber als Mensch und für mein Lebensglück definiere ich mich nicht darüber“, sagt er und muss darüber schmunzeln, „dass mein Name in den letzten Wochen inflationär oft gefallen ist, für was ich alles verantwortlich sein soll. Aber ich bin nicht für alles verantwortlich – auch nicht dafür, dass die Nationalmannschaft gegen Ungarn verloren hat.“ Reicht ja schon, wenn er die Last einer Pleite gegen Augsburg zu tragen hat.

Er sei ein „ordentlicher Mensch“ und gehe „mit den Spielern ordentlich um“, er nehme auch ganz sicher nichts auf die leichte Schulter, sondern beschäftige sich intensiv mit der Situation, die misslich ist, keine Frage. Er hinterfrage sich stetig, „ich schaue in den Spiegel und überlege, was ich gut gemacht habe und was nicht.“ Er fertige Notizen an oder spreche ins Handy, „um die Fehler am nächsten Tag nicht noch mal zu machen“. Generell scheint der Fußballlehrer von der Wucht der Kritik sehr wohl überrascht. „Rücktrittsgedanken hatte ich aber nicht“.

Vielmehr habe er die letzten Spiele noch mal intensiv analysiert und dabei auch „viele alte Weggefährten kontaktiert, die einen Blick drauf geworfen haben“. Dies habe ihm „den Horizont geöffnet“, aber trotzdem keine „extrem neuen Erkenntnisse“ gebracht. „Wir müssen nicht alles umkrempeln.“ Er bleibt bei seiner grundsätzlichen Analyse, dass nicht so viel falsch laufe. „Wir haben gegen Barcelona die ersten Chancen genutzt. Wir hatten auch gegen Frankfurt einen Dosenöffner.“ Das Festspiel endete 6:1 – scheint wie aus einer anderen Zeit.

Momentan sind die Bayern voll im Krisenmodus, und der Trainer ist angezählt. Neben taktischen und personellen Fragen, wird intern auch die Liaison mit einer Boulevard-Reporterin argwöhnisch beäugt. Nagelsmann kann das einerseits nachvollziehen, andererseits aber ganz und gar nicht. „Ich verstehe wirklich, dass dieser Vorwurf kommen kann“, sagte er der „FAZ“. „Aber in welchem Interesse sollte ich [ihr] etwas erzählen? Ich wäre der Erste, der entlassen wird.“ So weit ist es noch nicht.

Insofern wäre es für den Landsberger nicht schlecht, den Turnaround zu schaffen. Bayer Leverkusen könnte ein dankbarer Gegner sein, steht aber auch mit dem Rücken zur Wand, was ihn gefährlich macht. Und: Auf ihren Länderspielreisen konnten die Bayern-Profis nicht viel Selbstvertrauen tanken. Für die meisten waren die Trips ziemlich trist und erfolglos – wie zuletzt die Zeit beim FC Bayern. dur

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