Angespannte Lage beim FC Bayern

Die Bayern machen Fehler, die nicht zu ihnen passen - und doch wohl die logische Konsequenz sind aus der Ansammlung an Problemen.
Noch im nächtlichen Hochgefühl von Paris hob Oliver Kahn mahnend den Titan-Finger, als ob er da schon geahnt hätte, was nur vier Tage später folgen sollte. Das Stichwort „Kontinuität“ setzte der Vorstandvorsitzende des FC Bayern in den Mittelpunkt seiner Rede nach diesem zufriedenstellenen 1:0 unter der Woche gegen die Weltelf aus Frankreichs Kapitale. Und weiter, so des ehemaligen Torwarts Ansage in Richtung der Münchner Spieler: „In der Bundesliga geht’s jetzt richtig zur Sache, da sieht’s eng aus. Wir müssen dran bleiben.“ Heute weiß man: Blieben sie nicht, zumindest am Samstag in Gladbach nicht, wenn man mal vom Schulterstreichler des pfeilschnellen und im Laufduell mit Alassane Plea doch zu langsamen Dayot Upamecano absieht.
Die Bayern jedenfalls haben in diesen Tagen eine Menge Probleme. Angefangen beim die Niederlage im Borussia-Park (2:3) einleitenden Stellungsfehler des Verteidigers, der zur (überzogenen) Roten Karte, Diskussionen und einem ungehörigen Wutanfall von Trainer Julian Nagelsmann gen Schiri Tobias Wels führte (siehe Kommentar). Doch es liegt mehr im Argen, viel mehr, denn diese eine singuläre Situation.
Ein Haufen an Problemen
Es sei an dieser Stelle ein ausgewähltes Potpourri an Missständen aufgeführt: Da wäre die Causa Neuer/Tapalovic, ihr folgend das Causachen Gnarby, beide weiterhin präsent und nicht gänzlich ausgeräumt, da bereits weitere Baustellen aufploppen. Etwa der Ersatzspieler Thomas Müller, der entweder gar nicht mitmachen darf wie in Paris oder als Rote-Karte-Opfer nur 18 Minuten in Gladbach. Dazu die mäßigen Leistungen der zweiten Reihe um Daley Blind oder Ryan Gravenberch, die allgemeine Abwehrwackelei, erneut belegt am Samstag durch 17 Gladbacher Torschüsse und fünf Großchancen. Obendrein ein gegen den DFB, die 50+1-Regel und den eigenen aus seiner Sicht zu machtlosen Verein im DFL-Konstrukt polternden Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß. Viel los im Süden Bayerns - zu viel!?
Jetzt, da das Meisterschaftsrennen der Bundesliga so spannend ist wie lange nicht mehr, machen die Münchner auf dem Rasen Fehler, die eigentlich nicht zu ihnen passen, zu den Überbayern, dem Serienmeister, den abgezocktesten Profis des Landes. Die aber wohl doch, blickt man auf den Haufen an Schwierigkeiten, nur eine logische Konsequenz der Unruhe sein dürften. Es rumort bei den Bayern, extern wie intern, was offensichtlich abfärbt auf die Mannschaft, die mit wechselhaften Leistungen reagiert.
Oder der Trainer Nagelsmann: An einem Tag baldowert er eine exzellente Taktik aus (Paris), verändert zur Halbzeitpause mit nur einem Wechsel die Statik des Spiels und coacht seine Truppe damit zum Erfolg im Wettbewerb der Könige, um kurz drauf im grauen Alltag mit seiner Personalwahl daneben zu liegen (Mönchengladbach). Einerseits. Andererseits unkt manch Beobachter, dass es schon in Paris schief gegangen wäre, hätte PSG-Star Mbappé auch nur zehn, fünfzehn, zwanzig Minuten mehr im Tank gehabt. Hypothetisch allemal.
Nächste Woche gegen Union
Sicher ist, dass der Druck auf Nagelsmann stetig wächst, weil der immer noch junge Coach, 35, es nicht hinbekommt, seiner Mannschaft zu Stabilität zu verhelfen, weil er selbst mit fehlender Souveränität, die die Bayern-Trainer im Grunde immer auszeichnete, so manches Störfeuer legt.
Und es ist auch ein Problem des Fokus‘. So könnte Wohl und Wehe für Nagelsmann davon abhängen, was am 8. März im Rückspiel gegen Paris passiert. Gewinnt er, wird es Lob hageln, wird es sehr wahrscheinlich weitergehen mit ihm und den Bayern. Verliert er, steht sein Job mehr denn je auf dem Spiel.
Bis dahin treten die Bayern jedoch noch zweimal in der Liga an, kommenden Sonntag ausgerechnet gegen das Sensationskollektiv von Union Berlin. Der bajuwarische Führungsspieler Joshua Kimmich sagt: „Wichtig ist, dass wir nach unserem Spiel in der nächsten Woche Erster sind. Und das haben wir in der eigenen Hand.“ Vielleicht liegt aber genau darin derzeit das größte Problem. (Daniel Schmitt)