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„Als Frau muss man sich seinen Platz erkämpfen“

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Hat sich in der Männerdomäne Profifußball sehr viel Respekt erarbeitet: Spielerberaterin Raquel Rosa.
Hat sich in der Männerdomäne Profifußball sehr viel Respekt erarbeitet: Spielerberaterin Raquel Rosa. © Picture Point LE/Imago

Die angesehene Spielerberaterin Raquel Rosa über die Fußballbranche aus weiblicher Sicht.

Frau Rosa, Sie haben sieben Jahre bei der TSG Hoffenheim gearbeitet, später hat Sie Ralf Rangnick mitgenommen zu RB Leipzig. Bei der WM 2014 in Ihrem Heimatland in Brasilien und bei der Europameisterschaft 2016 arbeiteten Sie im Projektmanagement der deutschen Nationalmannschaft. Zudem haben Sie als Dolmetscherin die Pressekonferenzen des DFB übersetzt. Wie sind Sie eigentlich in den professionellen Männerfußball gekommen?

Ich habe beim badischen Fußballverband meine Trainerlizenz gemacht. Dort war ich auch als Trainerin angestellt. Während meines Studiums in Heidelberg habe ich gehört, dass die TSG Hoffenheim jemanden, der Portugiesisch-Brasilianisch spricht und auch Taktik versteht, für die Analyse braucht. Mit Ralf Rangnick als Trainer haben sie damals angefangen, ausländischen Spieler zu holen. Es ging darum, die Taktik des Trainers und die Analyse unter anderen von Helmut Groß den Spielern näherzubringen.

Wie ging es weiter?

In der gleichen Saison hat mich der damalige Sportdirektor Jan Schindelmeiser gefragt, ob ich bei Vertragsverhandlungen mit dabei sein möchte, weil ich damals vier Sprachen – aktuell sind es sechs – beherrschte und ich VWL studiert habe. Er hat mir die Verträge gezeigt und erklärt, was wichtig für den Spieler, den Berater und den Verein ist. Und so saß ich nicht mehr nur im Analyseraum, sondern auch am Verhandlungstisch mit den großen Beratern.

Da kam der Wunsch auf, Spielerberaterin zu werden.

Während der Zeit, in der ich am Verhandlungstisch saß, habe ich Berater kennengelernt, die einen guten Job gemacht haben. Andererseits habe ich auch andere Beobachtungen gemacht. Ich habe gesehen, dass Spieler nicht die idealen Entscheidungen für sich treffen können, wenn sie nicht alle Informationen haben. Ich habe mir vorgenommen, es besser zu machen, meine eigene Philosophie – wie ich mit den Spielern umgehe, wie ich bei Verhandlungen agiere – zu haben, wenn ich auf die Beraterseite des Tisches wechsle. Ich habe mir auch vorgenommen, mehr Sprachen zu lernen, mein Netzwerk zu erweitern, die Regularien anderer Ligen zu verstehen, um Spieler top beraten zu können.

Was muss ein guter Spielerberater können?

Bis auf das im vergangenen Jahr gestartete Uefa-Agents Programm gibt es keine exakte Anleitung dazu, was es bedeutet, Spielerberater zu sein. Das heißt, jeder kann nach seinem besten Wissen und Gewissen seine Arbeit machen. Ich hatte die Chance, insgesamt elf Jahre mit großartigen Menschen in Vereinen zu arbeiten. Das war für mich eine Schule auf höchstem Niveau. Diese Erfahrung half mir dabei, meine Philosophie als Spielerberater zu entwickeln.

Wie sieht diese aus?

Wenn ich mit einem Spieler zusammenarbeite, gibt er mir ein Stück weit seine Karriere in die Hand. Meine Aufgabe ist, alles dafür zu tun, dass er sich sportlich weiterentwickeln kann. Die sportliche Karriere des Spielers ist das Herzstück. Ich muss wissen, mit wem ich arbeite, umgekehrt genauso. Es muss für beide Seiten eine Kenntnis darüber da sein, was für ein Mensch vor einem steht. Man muss gegenseitiges Vertrauen und Respekt haben. Dann geht es los, den Spieler zu analysieren: Wie kann ich ihn besser machen? Der eine braucht beispielsweise einen Opernsänger, um seine Stimme richtig einsetzen zu können, der andere einen Koch. Jeder Spieler wird individuell betrachtet. Den Plan machen wir zusammen und verfeinern wir immer wieder. Am Ende geht es dann darum, den richtigen Verein mit ihm auszusuchen, der der ihn sportlich weiterbringt und den besten Vertrag auszuhandeln.

Was ist aus Ihrer Sicht noch wichtig?

Berater mit Spielern auf einem hohen Niveau sollten mindestens Englisch sprechen können und natürlich die Regeln und Klauseln der verschiedenen Ligen kennen. Auch Verhandlungsgeschick und Menschenkenntnis sind elementar. Es ist wichtig, ein großes Netzwerk zu haben – zu Trainern, Sportdirektoren, aber auch, wenn man in andere Länder wie England oder Frankreich blickt, zu den Eigentümern -, damit man den bestmöglichen Vertrag aushandeln kann. Extrem von Bedeutung ist auch die folgende Frage: Welcher Verein ist der beste für den Spieler im aktuellen Moment seiner Karriere?

Und wenn trotz alledem nicht alles nach Plan läuft?

Wenn Hindernisse aufkommen, bin ich da und unterstütze ihn auch dabei, sich persönlich weiterzuentwickeln. Das sind alles junge Menschen. Je nach Situation geht es auch darum, dem Spieler Möglichkeiten aufzuzeigen, wie es im Leben weitergehen kann – nicht nur auf dem Feld. Wichtig ist zudem ein gutes Netzwerk, das einem die Möglichkeit gibt, schnell Kontakt zu den Vereinen aufzunehmen, um über Probleme zu sprechen und Lösungen zu suchen. Das geht aber nicht von heute auf morgen, sondern ist das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit. Ich lege auch Wert darauf, dass ich mich immer weiterentwickle. Der Fußball ist schnelllebig. Man kann nicht aufhören zu lernen.

Sie bilden auch Spielerberater aus und leiten dazu als Direktorin das Uefa Player Agent Programm.

Ich hatte die große Ehre, von der Uefa ausgewählt worden zu sein. Die Uefa hat ein Wahnsinns-Know how- und Portfolio. Ich konnte meine Erfahrung aus 16 Jahren miteinbringen und meine Philosophie der Arbeit weitergeben. Gemeinsam haben wir ein Programm entwickelt, in dem wir alle ins Boot holen: Vereinspräsidenten, Sportdirektoren, Eigentümer, Familien, Ex-Spieler. Wir zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist und worauf es ankommt. Es geht um Verhandlungsgeschick, den richtigen Umgang mit Sportdirektoren und Präsidenten verschiedener Ländern, die jeweiligen Gesetze, Versicherungen, das Akquirieren von Spielern. Auch um die Fragen: Wie geht man mit Spielern jedes Alters um? Wie kann man eine Karriere planen? Die Ausbildung hat viele Facetten.

Warum ist eine Ausbildung für Berater so wichtig?

Zur Person

Raquel Rosa zeigt, Männerfußball ist auch Frauensache. Bester Beweis dafür: Die Brasilianerin gehört zu den renommiertesten Spielerberaterinnen der Welt. Sie betreut unter anderem Bayern-Star Dayot Upamecano, Amador Haidara von RB Leipzig und Mohamed Camara von AS Monaco. Zudem leitet sie als Direktorin das Uefa Player Agent Programm. FR

Jeder kann den Job so machen, wie er es für richtig hält. Das kann natürlich auch sehr gefährlich sein für einen Spieler, wenn er in falsche Hände gerät. Manchmal ist es nicht mal, weil der Berater bösartig ist, sondern weil er sich in der Gesetzgebung der Liga nicht auskennt und gewisse Klauseln nicht eingebaut hat. Das ist schon dramatisch für einen Spieler. Eine Ausbildung wäre ganz wichtig, damit man einen gewissen Standard hat. Wir reden über junge Menschen, die einen falschen Weg durch Unwissenheit gehen können. Das beeinflusst ihn, seine Familie und sein Leben.

Als Spielerberaterin agieren Sie in verschiedenen Ländern. Welche Unterschiede gibt es?

Jede Liga hat verschiedene Regelungen zu Klauseln, Versicherungen, Steuern. Wenn man das nicht weiß, bringt man den Spieler für die Zukunft in eine benachteiligte Situation. Es ist die Aufgabe eines Spielerberaters, wenn er Spieler aus unterschiedlichen Ligen betreut, sich bestens auszukennen. Man muss wissen, wer der richtige Ansprechpartner ist: Ob der Trainer, Vereinspräsident, der Sportdirektor oder der Eigentümer entscheidet, ist je nach Land unterschiedlich.

Wie hat sich der Berater-Job in den 16 Jahren, in denen Sie dabei sind, verändert?

Ich finde, die erste positive Veränderung ist, dass die Spieler sich mehr damit auseinandersetzen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Die Spieler sind neugieriger geworden. Durch das Internet und Seiten wie Transfermarkt können sie Informationen einholen und sich selbst eine Meinung bilden. Es gibt auch mehr große Beraterfirmen, weil die Märkte internationaler werden. Entweder man hat dann dort einen Berater, der sich in den gewissen Ländern auskennt oder man sucht sich jemanden, der im besagten Markt ein Experte ist, und mandatiert. Es gibt weniger einzelne Berater, wobei ich hoffe, dass diese Mischung beibehalten wird. Was noch auffällt: In den ersten Jahren waren die Berater plakativ gesagt einmal im Jahr bei ihren Spielern und haben kurz Hallo gesagt. Heutzutage wünschen sich die Fußballer eine ganzheitliche Betreuung: Marketingverträge, Unterstützung bei der Analyse, Unterstützung für das Visum der Familie und und und. Früher ging es mehr um die Vermittlung der Verträge.

Viele Berateragenturen bieten mittlerweile ein Rundum-Sorglos-Paket für ihre Spieler an, teilweise werden Urlaube gebucht und Play-Station-Konsolen gekauft. Wird den Spielern zu viel abgenommen?

Fußballer, die auf allerhöchstem Niveau spielen, sind aus meiner Sicht zeitlich sehr eingespannt. Wenn ein Spieler in ein neues Land kommt, braucht er natürlich mehr Unterstützung, zum Beispiel bei Versicherungen. Für mich ist klar: Es muss eine Mischung sein. Man kann die Spieler mit den neue Anforderungen nicht alleine lassen, aber sie müssen auch selbstständig bleiben. Man darf ihnen nicht alles abnehmen, weil sonst können sie nach der Karriere – unter Anführungszeichen – nicht mal selbst eine Pizza bestellen.

Werden Sie in Ihrem Beruf anders behandelt als ein Mann?

Ich kann mich nicht an eine Situation erinnern, in der ich anders behandelt worden wäre als ein Mann. Ich glaube nicht, dass ein Spieler mit mir zusammenarbeitet, nur weil ich eine Frau bin oder andersrum. Gespräche mit Präsidenten oder Sportdirektoren werden auch ganz professionell geführt. Es geht darum, wie man sich verhält, wie viel Expertise man hat, wie man sein Know how präsentiert, wie man mit Menschen umgeht, wie man verhandelt und welche Ergebnisse am Ende rauskommen. Der Rest ist für Sportdirektoren, Eigentümer, Trainer oder Spieler aus meiner Erfahrung egal.

Mit welchen Vorurteilen haben Sie zu kämpfen?

Als ich Spielerberaterin wurde, war ich im Fußball ja schon jahrelang mittendrin statt nur dabei. Ich weiß aus meiner Zeit bei Klubs, dass wenn der Verein einen Spielerberater zum ersten Mal trifft, man ihn sprechen lässt und guckt, was seine Intention ist, welche Spieler er hat und ob er versteht, welche Philosophie der Verein eigentlich hat. Wenn ich irgendwo neu hinkomme, ist es das Gleiche. Vielleicht gibt es Vorurteile, aber seitdem ich klein bin, musste ich durch meine Schwerhörigkeit immer hart kämpfen, um meine Ziele durchzuboxen. Ich lasse mich nicht limitieren.

Haben Männer Vorteile in der Fußballbranche?

Vorteil Nummer eins eines Mannes ist eventuell folgender: Wenn man als Praktikant oder Mitarbeiter in einem Verein arbeitet und der Vorgesetzte merkt, dass man fleißig und ambitioniert ist, dann sieht er sich oft selbst in dem jungen Mann und fördert ihn. Das würde bei einer jungen Frau nicht passieren. Nicht, weil ein Mann das nicht will, sondern weil er sich selbst in einem jungen Mann eher wiedererkennt.

Und gehaltstechnisch?

Es gibt neben dem Gehalt auch andere Faktoren. Als Priorität gibt es Faktoren die für die Auswahl des Arbeitsplatzes als Arbeitnehmer:in wichtig sind, wie beispielsweise die Philosophie des Unternehmens, der Verantwortungsbereich, die internationale Ausrichtung. Die Diskussion über Gehalt und Führungsposition ist etwas, wofür eine Frau leider immer noch kämpfen muss. Wenn ein Unternehmen einer Frau nicht dasselbe Gehalt anbietet wie einem Mann, dann sollte sie darum kämpfen oder woanders hingehen gehen, wo ihr der gleiche Respekt und die gleiche Wertschätzung entgegengebracht wird. Wenn man keinen Mentor hat, dann ist man das eben selbst. Es ist in fast jeder Branche schwierig für eine Frau, in eine Führungsposition zu kommen. Man muss sich bewusst sein, dass man sich selbst seinen Platz erkämpfen muss – ohne egoistisch zu sein.

Männer machen regelmäßig auch mitten in der Nacht bei einem Glas Alkohol untereinander Geschäfte. Sie auch?

Ich denke, es kommt immer auf den Kontext und die bestehende Beziehung zu seinem Gegenüber an, welcher der richtige Rahmen für solche Gespräche ist. Das muss am Ende jeder für sich entscheiden.

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