Kapitänsbinde: Abrupte Rückkehr zu Schwarz-Rot-Gold

Unter dem Eindruck der verkorksten WM reißt der DFB sich alle Regenbogenbinden vom Oberarm und kehrt zu den Deutschland-Farben zurück. Eine bemerkenswerte Rolle rückwärts. Der Kommentar.
Hansi Flick fühlte sich bei der WM 2022 in Katar von den Debatten um die Kapitänsbinde in seiner Trainerarbeit behindert. Der Bundestrainer war schwer genervt von dem öffentlichen Gezerre, bei dem der Weltverband Fifa den Deutschen Fußball-Bund, dessen noch unerfahrenen Präsidenten Bernd Neuendorf und die Mannschaft genüsslich am Nasenring durch die Manege führte.
Jetzt knicken DFB und Spieler freiwillig und ohne jede weitere Gegenwehr ein. Man kann das selbstgefällige Triumphgeheul aus dem Hause des Fifa-Patrons Gianni Infantino förmlich als Echo vernehmen. Denn ab sofort läuft der deutsche Fußballkapitän wieder brav bei Fuß mit der schwarz-rot-goldenen Binde auf, am Samstag wird Joshua Kimmich das in Mainz gegen Peru tun. Schwarz-rot-gold stand im Sommer 2006 plötzlich und unerwartet für einen unbelasteten Umgang mit den Nationalfarben. Das ist betrüblicherweise seit geraumer Zeit nicht mehr so. Es ist offenkundig, in welchem Umfeld mit welchem Geschrei und welchen Absichten dahinter die stolze deutsche Flagge getragen wird.
Der DFB ist weit weg von derlei Gedankengut, aber Trainer, Mannschaft und der neue Sportdirektor Rudi Völler haben nun eine Überkompensation der Erlebnisse von Katar betrieben. Aus einem nachvollziehbaren Gefühl heraus, es sowieso niemandem Recht machen zu können. Bei der EM 2021 hatte Manuel Neuer noch die Regenbogenbinde getragen, der Europäische Verband Uefa ließ den Torwart mit Grummeln gewähren. Und der DFB twitterte triumphierend: „Die Regenbogenbinde wird als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit für „good cause“ bewertet.“ Waren das noch Zeiten!
Die EM 2024 im eigenen Land soll laut Turnierdirektor Philipp Lahm mit dem Fußball als große gesellschaftliche Kraft das Gemeinwohl stärken – Lahm spricht von „Vermittlung von Werten wie Fairness und Integration, von Vielfalt und Solidarität“. Es wäre hilfreich, wenn dieses Anliegen aus einem Guss präsentiert würde. Wird es aber nicht, Völler und Flick brechen den Auftrag des DFB-Teams darauf hinunter, gut Fußball zu spielen. Das ist ein bisschen kurz gesprungen, zumal auch als Botschaft der Demut an den Fifa-Präsidenten, dem sich Präsident Neuendorf doch gerade noch halbstark entgegengestellt hat.
Vielleicht ist der Rückzug auf den kleinsten gemeinsamen dreifarbigen Nenner aber auch ehrlicher als jede Regenbogen- oder One-Love-Binde, die deutsche Mannschaftskapitäne in der Vergangenheit womöglich nur deshalb trugen, um gesellschaftlichen Erwartungen zu genügen. Für das Gros der Fußballer zählt halt auf dem Platz.