Pikante Torwart-Frage

Jonas Lössl oder Gianluca Curci: Beim FSV Mainz 05 ist längst nicht geklärt, wer Loris Karius beerben wird.
Martin Schmidt ist mal wieder hochzufrieden, was er im Aostatal erlebt. Ein gepflegter Rasenplatz in einem engen Talkessel – bei keinem Bundesligatrainer kommen da mehr Heimatgefühle auf als beim Schweizer Fußballlehrer. „Hier sieht es aus wie im Wallis“, hat der Chefcoach des FSV Mainz 05 am Wochenende nach den ersten Eindrücken im Stadio Perucca von Saint Vincent gesagt. Kein Wunder, der italienische Ort liegt ja – von seinem Heimatort Naters betrachtet – auf der anderen Seite des mächtigen Matterhorns.
In dem aktuellen Domizil mit seinen nicht einmal 5000 Einwohnern bestreiten die Rheinhessen gerade ihr zweites Trainingslager. Schmidt findet es ideal. „Der Ort ist ruhig, die Bedingungen sind gut und nachts kühlt es ab.“ Was bekanntlich den Schlaf und die Erholung fördert, wenn schweißtreibende Einheiten anstehen. Bis Samstag formt Schmidt seinen Kader mit Blick auf eine faszinierende Bergwelt, überdies wird am Mittwoch gegen Servette Genf getestet.
Schmidt hält sich alles offen
Interessant wird sein, wie Schmidt dann die Torwartfrage beantwortet. Kommt es wieder zu einer Arbeitsteilung wie am vergangenen Donnerstag gegen den FC Sevilla (0:1)? Und wer bitte steht beim ultimativen Härtetest, dem fast schon ausverkauften Kräftemessen gegen den FC Liverpool (7. August) mit Kulttrainer Jürgen Klopp zwischen den Pfosten? Jonas Lössl, der eigentlich mit der Nummer eins ausgestattete Däne, der im Sommer vom französischen Erstligisten EA Guingamp kam? Oder Gianluca Curci, der gebürtige Römer, der vergangene Saison brav im Schatten des nach Liverpool abgewanderten Loris Karius stand?
Erstaunlich: Bislang kristallisiert sich kein Keeper als Favorit heraus. Denn der 31 Jahre alte Curci hat speziell gegen Sevilla so gut gehalten, dass es sich verbietet, den 27 Jahre alten Lössl bereits den Stammplatz zuzusprechen. Was der Trainer denn auch nicht tun will. „Der Kampf um die Nummer eins ist jetzt erst richtig eröffnet. Das wird noch spannend“, hat Schmidt gesagt.
Den 49-Jährigen scheint es diebisch zu freuen, dass sich auch auf dieser Position ein Konkurrenzkampf anbahnt, der eingedenk der Dreifachbelastung nur gut tun kann. Hinter den beiden lauern mit Jannik Huth (22) und Florian Müller (18) noch zwei Talente, die indes vorwiegend in der Dritten Liga zum Einsatz kommen dürften.
Die Entdeckung aber könnte Curci werden. Der immerhin 187-mal in der italienischen Serie A eingesetzte Schlussmann (AS Rom, FC Bologna, AC Siena, Sampdoria Genua) bewegte sich vergangene Spielzeit unter dem Radar der Öffentlichkeit, doch Schmidt hat den Italiener immer schon seine „1B“ genannt. Nun heimste der dunkelhaarige Beau für sein forsches Eingreifen gegen den Europa-League-Sieger Sevilla vor wenigen Tagen mächtig viel Anerkennung ein. „Gianni hat super gehalten“, konstatierte Verteidiger Stefan Bell. Und Sportchef Rouven Schröder scherzte gar: „Es muss der Curci ins Tor, damit es ein paar Paraden gibt.“
Eigentlich schien mit der Lössl-Verpflichtung Mitte Juni alles klar. „Mein erstes Ziel ist es, die Nummer eins zu Saisonbeginn zu sein“, sagte der Neuzugang bei seiner Vorstellung. Das zweite Vorhaben sei, jeden Tag besser zu werden. Das dritte Anliegen bestehe darin, sich weiter für die dänische Nationalelf zu empfehlen, für die der 1,95-Meter-Mann im Frühjahr debütieren durfte. Die EM in Frankreich nur am Fernsehen zu verfolgen, sei eine Qual für ihn gewesen.
Eine Großmutter in Flensburg
Einerseits. Andererseits konnte er so mit Beginn der Mainzer Vorbereitung einsteigen, was kein Nachteil für einen Profi ist, der zuletzt bei einem Erstligisten in einer Stadt mit mickrigen 7500 Einwohnern spielte. Mainz wirkt für ihn fast wie eine Großstadt, obwohl die Mitspieler sie als „klein“ beschrieben hätte. Da muss er sich umgewöhnen. Ebenso wie an die großen deutschen Arenen, die er aus Dänemark („Da habe ich vor nicht mehr als 10 000 Zuschauern gespielt“) schon mal gar nicht kennt.
Sein Name klingt nicht nur Deutsch: Er hat eine Großmutter, die in Flensburg lebt und einen Vater, der in Deutschland arbeitet. Zusammen mit dem Deutsch-Unterricht aus der Schule genügt das, um zumindest das meiste in der Sprache seines neuen Arbeitgebers zu verstehen. „Beim Reden bin ich noch schüchtern. Auf dem Feld ist das kein Problem. Vieles geht über Körpersprache.“ Tatsächlich bemühte sich der blonde Ballfänger gegen Sevilla, viel zu dirigieren – mit klaren Fingerzeigen. Doch er weiß selbst, dass dies noch nicht ausreicht, um sich als Stammtorwart durchzusetzen.