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Feste Bande auf dem Tennisplatz

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Von: Thorsten Remsperger

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Starke Duo: Michael Venus (links) Tim Pütz.
Starke Duo: Michael Venus (links) Tim Pütz. © AFP

Der Frankfurter Tennisprofi Tim Pütz ist 2021 in die Doppel-Weltspitze geklettert – auch, weil er Freundschaften auf der Tour pflegt.

Wenn es sich Tim Pütz dieser Tage nicht gerade mit seiner Familie gemütlich gemacht hat, dann ist er öfters von seinem Haus in Usingen nach Bad Homburg gefahren, über die Louisenstraße gelaufen und hat gegenüber dem Kurhaus den Physiotherapeuten seines Vertrauens, Matthias Sauer, aufgesucht. Völlig unerkannt, muss man hinzufügen. Er musste dabei keine Autogramme schreiben, keine Selfies mit Fans aufnehmen.

Der 34-jährige Pütz gehört zu den unbekanntesten Sportlern von Weltklasseformat, die dieses Land derzeit zu bieten hat. Das hat mit der Spielvariante seiner Sportart zu tun. Der junge Familienvater aus dem Taunus ist Doppelspezialist im Tennis und damit eher eine Randerscheinung im öffentlichen Interesse.

Viel Glück, viel Arbeit

Es ist aber nicht so, dass Tim Pütz gegen seinen Status intervenieren würde, wenn er daran etwas ändern könnte. „Das ist schon gut so, dass ich nicht populär bin“, sagt Pütz, nachdem er auf der Massagebank Platz genommen hat, „auf Aufmerksamkeit bin ich nicht scharf. Dafür kann man sich eh nichts kaufen“.

Es klingt glaubwürdig, wenn der Mann mit den großen braunen Augen und dem Dreitagebart dies sagt. Pütz sagt, was er denkt. Und meint es auch so. Als Boris Becker „Head of Men’s Tennis“ im Deutschen Tennis-Bund war und sich am Rande einer Daviscup-Partie alles um den Superstar auf Lebenszeit drehte, lobte er lieber Michael Kohlmann. Denn der macht als Daviscup-Chef nun einmal die Arbeit, um die es eigentlich ging.

Ja, der Daviscup. Dass Pütz nach mehrjähriger Abstinenz im November wieder in die Tennis-Nationalmannschaft berufen wurde, war nur folgerichtig, absolvierte er doch gerade die beste Saison seines Lebens. Vier Turniersiege auf der ATP-Tour (in Estoril, Lyon, Hamburg und das Masters in Paris) stehen nun in seiner Vita, zudem die Achtelfinalteilnahme bei den Olympischen Spielen in Tokio. Diese Bilanz hat der 1,85 Meter große Rechtshänder dann noch ausgebaut. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass Deutschland bis ins Daviscup-Halbfinale vordrang und damit den größten Erfolg seit 14 Jahren feierte. Pütz hatte – mit Doppelpartner Kevin Krawietz – seine Einsätze Nummer fünf, sechs, sieben und acht mit Siegen beendet. Acht Daviscup-Spiele, acht Siege. Unbesiegt zu sein, das konnte nicht einmal der große Boris Becker von sich behaupten.

Mit Krawietz spielte Pütz im Sommer das erste Mal zusammen. Als die Doppel für Olympia eingeteilt wurden, machte das Sinn. Eigentlich ist Krawietz‘ Partner Andreas Mies, mit dem er schon zweimal die French Open gewonnen hat. Der war zu jenem Zeitpunkt aber noch verletzt. Dass Deutschlands neues Topduo gleich so gut harmonierte, kam für Pütz nicht überraschend. „Ich kenne Kevin seit 2011, wir sind uns sympathisch, unsere Familien kennen sich.“ Auch darauf komme es im Tennisdoppel an.

Das sei wie in einer Liebesbeziehung, holt Pütz aus. „Wenn man sich gut kennt, hilft das viel mehr, als wenn man nur eingespielt ist. Sonst wartet man auf dem Platz auf Zeichen des Partners, die vielleicht nie kommen.“ Tim Pütz, der, als er noch Einzel spielte, die Zweitrunden-Teilnahme in Wimbledon (2014) als seinen größten Erfolg verbuchte, ist in der Weltklasse angekommen. Er belegt in der Doppel-Weltrangliste Position 18, hat aber gegen die meisten Top-Ten-Spieler in diesem Jahr eine positive Bilanz. Dass dem so ist, hat seiner Meinung nach „mit jeder Menge Glück und viel Arbeit“ zu tun. Aber auch mit dem Menschen Tim Pütz.

Auf der Tour pflege er bei seinen Reisen rund um die Welt zwischenmenschliche Beziehungen. Man bewege sich bei den Turnieren zwar schon im gleichen Kreis. Pütz hat aber eben auch darüber hinaus gute Kontakte.

Für den Saisonauftakt in Sydney (ab 2. Januar) habe er sich mit seinen Daviscup-Kollegen über die WhatsApp-Chatgruppe wieder im selben Hotel eingebucht. Dass man in Tokio das Leben im olympischen Dorf wegen der Pandemie nicht genießen durfte, sondern sich nur zwischen Unterkunft und Tennisstadion in einer „Bubble“ (Blase) bewegt habe, sei die beste Teambuilding-Maßnahme gewesen. „Wir haben auf dem Zimmer Karten gespielt, uns Witze erzählt“, erzählt Pütz. Das habe zusammengeschweißt.

Wenn man ihm vor der Saison gesagt habe, er schaffe es in die Top 20 der Welt, hätte er mit der Frage gekontert, wie er denn als Weltranglisten-61. so viele Punkte holen solle? Natürlich hängt das in einem Wettbewerb wie dem Tennisdoppel unmittelbar mit dem Partner zusammen. Mit Hugo Nys, dem 30-jährigen Monegassen, mit dem Pütz die ersten beiden Turniersiege des Jahres feierte, verstehe er sich schon seit Jahren prima. Als jedoch der Neuseeländer Michael Venus (34) – den erfahrenen Weltklassespieler kennt und schätzt er schon lange – nach dem Turnier in Madrid angerufen habe, weil er mit ihm zusammenspielen wolle, „da musste ich das einfach machen“.

Gesundheit geht vor

Auch Nys zeigte Verständnis für den Wechsel. Denn die hohe Weltranglistenplatzierung von Venus war für Pütz der Türöffner zu großen Turnieren. Nur bei denen gibt es viele Punkte. „Ich habe in diesem Jahr dreimal so viele Punkte geholt als sonst. Ich habe aber nicht dreimal so gut gespielt“, sagt Pütz. Mit dem Punktsystem der ATP habe seine sportliche Entwicklung auch zu tun. Und mit Matthias Sauer sowieso.

In der Praxis des Bad Homburger Physiotherapeuten schlägt er immer mal wieder auf. Sei es aus prophylaktischen oder wirklich dringenden Gründen. Nach seinem Bauchmuskelriss bei den US Open war er gut vier Wochen in intensiver Behandlung – um just nach der Pause die größten Erfolge seiner Karriere zu feiern.

Im Alter von 34 Jahren bleibt Tim Pütz nichts anderes übrig, als genauer auf seinen Körper zu hören. Wehwehchen gebe es eben immer mal wieder, befindet er lächelnd. Unter den Top 50 der Doppel-Weltrangliste gibt es gerade einmal acht Spieler, die jünger als 30 sind. „Ich möchte mich schon dort etablieren, wo ich jetzt hingekommen bin“, sagt Pütz: „In erster Linie möchte ich aber gesund bleiben.“

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