Ein guter Mensch

Harold Kreis geht mit einer Menge Vorschusslorbeeren in seinen neuen Job als Eishockey-Bundestrainer
Bundestrainer nennt sich Harold Kreis noch nicht, dafür ist er zu korrekt. Richtig „Bundestrainer“ wird er erst sein, wenn das letzte Spiel mit seinem Verein, den Schwenninger Wild Wings in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), hinter ihm liegen wird. Und auch wenn er schnell schon in Gespräche mit den Nationalspielern einzusteigen gedenkt („Das gibt Mehrarbeit“), bezeichnet er seinen jetzigen Status als „künftiger Bundestrainer“.
Nun ist es raus, dass Kreis, 64, geboren in Kanada, mit 18 nach Deutschland gekommen und hier zum Eishockeyprofi geworden, die Nachfolge des Finnen Toni Söderholm antritt, der sich im vergangenen November überraschend zum SC Bern verabschiedet hat.
Am gestrigen Montag wurde Harold Kreis in München, wo der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) seinen Sitz hat, präsentiert. Seinen Assistenten konnte er gleich mitbringen: Alexander Sulzer, 38, ehemaliger NHL-Profi. Passenderweise waren sie am Abend zuvor in der DEL noch Gegner gewesen: Kreis als Chefcoach von Schwenningen, Sulzer als Co-Trainer von Bremerhaven. Das Team von Kreis gewann nach Penaltyschießen.
Andreas Niederberger, der Vizepräsident des DEB, formulierte schon einmal die Zielvorgaben für den künftigen Neuen: „Bei der kommenden Weltmeisterschaft das Viertelfinale und die direkte Olympiaqualifikation.“ Christian Künast, der Sportdirektor des Verbands, will Kreis „nicht nur an Zahlen, sondern auch an der Art und Weise der Arbeit“ messen.
Kreis selbst nennt die vorgegeben Zielsetzungen „realistisch“, möchte sich aber „in der Formulierung noch zurückhalten“. Das ist die Lebenserfahrung: Erst einmal sehen, wer für die Turniere wirklich zur Verfügung steht und wen er noch für seinen Trainerstab gewinnen kann. Was er sagen kann: „Dass Alex und ich Überzeugung und Selbstbewusstsein der Mannschaft weiterentwickeln wollen. Die Zeiten, dass wir vor einem Spiel gegen Schweden oder Kanada sagen: ,Hoffentlich fällt es nicht so hoch aus‘, sind vorbei.“
Wahrgenommen wurde und wird Kreis in vier Jahrzehnten im deutschen Eishockey (mit einem Intermezzo in der Schweiz, wo er mit Lugano und Zürich zwei komplizierte Klubs zu Meisterschaften führte) vor allem über seine menschliche Seite. Er war ein Spieler, der jeglichen Radau verabscheute, mit allen Akteuren auf Basis der Vernunft umging.
Andreas Niederberger sagt: „Harry ist charakterlich unantastbar.“ Der heutige DEB-Vize war Kreis‘ langjähriger Abwehrpartner im Nationalteam und kannte ihn schon aus Mannheim: „Da bin ich frisch nach dem Abitur aus Bad Tölz in eine gestandene Bundesligamannschaft gekommen; Harry war der Kapitän, ich bin sofort von ihm aufgenommen worden.“ In den vergangenen Jahren hatten sie regelmäßig miteinander zu tun. Niederbergers Söhne Mathias und Leon spielten in Düsseldorf – wo Kreis Trainer war. Nun sind sie wieder ein Tandem im deutschen Eishockey.
Einen herausragenden Trainererfolg, sprich eine Meisterschaft, hat Kreis in der DEL nicht realisieren können. In Mannheim, bei seinem Lebensklub, wurde er vor sieben Jahren entlassen, er kennt auch diese Seite des Geschäfts. „Ich hatte den Stempel. Dass ich zu weich bin und mich bei den Spielern nicht durchsetzen kann“, sagt er offen. Er glaubt aber, eine gewisse Härte entwickelt zu haben: „Ich mag es nicht, wenn Leute meine Zeit verschwenden; da komme ich auch schnell zur Sache.“ Und ein wenig stört ihn, dass er als Defensivfanatiker kategorisiert wird: „Meine Mannschaften haben eine gute defensive Struktur, aber wir werden das Spiel suchen und nicht zuschauen.“ So soll die Nationalmannschaft auftreten. Künftig.