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Die Zeit des Leidens ist vorbei

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Von: Thorsten Remsperger

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Allen Grund zur Freude: Sabine Lisicki.
Allen Grund zur Freude: Sabine Lisicki. © Rob Prange/imago

Dass Sabine Lisicki weiterhin professionell Tennis spielt, grenzt an ein Wunder.

Es ist ihr in jeder Sekunde anzusehen, wie sehr sie es genießt, wieder dazu zu gehören. Sabine Lisicki war bei den Bad Homburg Open schon vor ihrer gestrigen Erstrundenpartie, dem deutschen Duell gegen Tamara Korpatsch, sehr präsent. Sie schrieb auf der familiär anmutenden Anlage im Kurpark Autogramme, nahm Selfie mit den Zuschauern auf und plauderte aus dem Nähkästchen.

Während einer Kinderpressekonferenz vor dem Kaiser-Wilhelms-Bad fragte sie der neunjährige Georg nicht nur nach ihren Vorbildern, woraufhin Lisicki mit Stolz erzählte, dass sie mit ihrem Idol Martina Hingis sogar mehrere Turniere im Doppel gewonnen habe. Der Bad Homburger Bub wollte auch wissen, wie sie das denn mit ihren Tieren regele. Die könne sie ja schlecht zum Training oder Spiel mitbringen. „Für ihren kleinen Yorkshire Terrier“, entgegnete Lisicki lächelnd, gebe es mehrere Aufpasser, die in Frage kämen. Manchmal passten die Eltern, manchmal Freunde, manchmal freundliche Turniermitarbeiter auf.

Auftaktsieg gegen Korpatsch

Der Hund von der einstigen großen Hoffnung im deutschen Tennis war also bestens versorgt, als Lisicki gestern Mittag im Eröffnungsmatch auf dem Centre Court Schwerstarbeit verrichten musste. Gegen die 27-jährige Tamara Korpatsch aus Hamburg, die erst wegen des verletzungsbedingten Verzichtes von Olympiasiegerin Belinda Bencic ins Hauptfeld gerutscht war, lag Lisicki schnell mit 0:3 hinten. Sie konnte den ersten Satz aber zum 6:4 drehen und behielt auch im Tiebreak des zweiten Durchgangs die Nerven – 7:5. Nach 1:49 Stunden ließ sie sich im roten Tenniskleid vom begeisterten Publikum feiern.

Dass Lisicki, mittlerweile 32 Jahre alt, überhaupt wieder auf der WTA-Tour spielt, grenzt an ein kleines Wunder. Einst hatte sie es in Wimbledon bis ins Halbfinale (2011, 4:6, 3:6 gegen Marija Scharapowa) und ins Finale (2013, 1:6, 4:6 gegen Marion Bartoli) geschafft, die britische Yellow Press titelte in Anlehnung an Boris Becker schon „Bum-Bum-Bine“, doch begann bald Lisickes Leidenszeit mit körperlichen Blessuren, was im Oktober 2020 in einer schweren Verletzung gipfelte. Kreuzband, Außenband, Innenband, Meniskus – alles war im linken Knie kaputt.

Bei der Bad Homburger Turnier-Premiere im vergangenen Jahr, mitten in ihrer Reha-Phase, war sie noch als TV-Experten für den Hessischen Rundfunk im Einsatz gewesen. Dann, Anfang Mai, nach 18-monatiger Pause, ihr Comeback beim ITF-Turnier in Bonita Springs/Florida, im US-Bundestaat lebt sie auch.

Sie weinte auf dem Platz

Sabine Lisicki, sonst immer strahlend um gutes Aussehen bemüht, weinte auf dem Platz. „Es ist ein herrlich befreiendes Gefühl, dass ich wieder die Kontrolle über meinen Körper habe“, diktierte sie den Journalisten in die Notizblöcke.

Die Ziele der bis auf Weltranglistenplatz 804 abgerutschten ehemaligen Nummer 12 haben sich natürlich geändert. Früher, erzählte sie den jungen Bad Homburger Zuhörern, als sie selbst noch ein Kind war, habe sie die beste Tennisspielerin der Welt werden wollen. Heute wolle sie schlicht „ihr Bestes geben, mein Herz auf dem Platz

Sportlich klappt es noch nicht, wie sie sich das wünscht. So war die vierfache WTA-Turniersiegerin in der Vorwoche in Berlin in der zweiten Qualifikationsrunde gescheitert, immerhin im Doppel mit der früheren US-Open-Siegerin Monica Andreescu ins Halbfinale gekommen. „Man muss Dinge akzeptieren, abhaken, nach vorne blicken“, hat Lisicki danach gesagt.

Falls es nicht mit der Karriere geklappt hätte, wäre sie Grundschullehrerin geworden, erzählte sie dem Bad Homburger Nachwuchs noch. Ihr Lieblingsfach: Mathe. Heute kreisen ihre Gedanken mehr denn je wieder um den geliebten Tennissport.

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