Die Grenzerfahrung des Felix Loch

Rodler Felix Loch engagiert sich im Verein „Athletes for Ukraine“ und fühlt sich das erste Mal in seinem Leben „hoffnungslos“.
Nie wird er vergessen, was er am Wochenende gesehen hat, sagt Felix Loch am Telefon. Der dreifache Rodel-Olympiasieger, der sich im neu gegründeten Verein „Athletes for Ukraine“ engagiert, ist am vergangenen Freitag gemeinsam mit Ehefrau Lisa an die ukrainische Grenze aufgebrochen – um zu helfen und Kriegsflüchtlinge nach Deutschland zu holen. 36 Stunden war der Tross aus 16 Leuten in acht Bussen unterwegs, um 47 Mütter und Kinder heil nach Inzell zu bringen. „Das war eine sehr kurzfristige und schnell geplante Aktion“, sagt Loch. Die Entscheidung sei „zack, zack“ getroffen worden.
16 Freiwillige hatten sich dafür gefunden, darunter mehrere Wintersportl:innen aus der Region. Die Vereinsmitglieder beschafften acht Transporter für die rund 1000 Kilometer lange Fahrt. „Wir haben gesagt: Wenn wir dort hinfahren, befüllen wir die Autos mit Hilfsgütern“, so Loch. „Auf der Rückfahrt wollten wir so viele Flüchtlinge wie möglich mitnehmen und in Sicherheit bringen“, sagt der 32-Jährige. Ehefrau Lisa sprach danach von der „emotionalsten Reise in meinem Leben“.
Früh morgens um neun Uhr ging es los in Richtung Polen, nach Lublin, im Osten des Landes. Dort befindet sich ein Verteilungslager für Güter, dort sitzt auch jene Hilfsorganisation, mit der der Verein zusammenarbeitet. „Es ist zwar eine weite Strecke, aber doch so unglaublich nah“, sagt Loch. Erschüttert waren er und seine Begleiter nach der Ankunft, als sie das Leid der Kriegsflüchtlinge sahen: Menschen, die ohne Hab und Gut ihre Verwandten in der Ukraine zurückgelassen und die Flucht in den Westen angetreten haben.
Der Tross aus Bayern fuhr weiter ins polnische Medyka, unweit der ukrainischen Grenze. In dem Dorf mit 2600 Einwohner:innen ist ein Auffanglager, ein ehemaliges Logistikzentrum. In einer großen Halle haben die aus der Ukraine Geflüchteten eine erste Anlaufstelle. „Die Hilflosigkeit und die Verzweiflung der tausenden von Müttern und Kindern ist der Horror“, sagt Loch. In den „vergangenen 36 Stunden hat sich für mich alles geändert: Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben richtig ratlos, fassungslos, hoffnungslos.“
„Verändert einfach alles“
Dank eines ukrainischen Schreibens, das die Deutschen mitführten, waren die Menschen, die eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland suchten, schnell gefunden: 21 Kinder und 26 Frauen. „Wir haben so viele mitgenommen, bis unsere Autos voll waren“, sagt der dreimalige Rodel-Olympiasieger. Leichte Kommunikationsschwierigkeiten wurden dank einer Übersetzungs-App weitgehend überwunden. Dennoch: ein Dolmetscher wäre wichtig gewesen, so Lochs Fazit. „Beim nächsten Mal nehmen wir jemanden mit, der Ukrainisch und Deutsch beherrscht.“
Ziel der Rückfahrt war Inzell im Landkreis Traunstein. Der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV) hatte das dortige Sportcamp zur Verfügung gestellt. „Ich habe den Chef des BLSV noch in der Nacht angerufen und gesagt, wann wir kommen“, sagt Lisa Loch. Köche bereiteten daraufhin stärkende Mahlzeiten vor. Alle Mütter und Kinder bekamen eigene Zimmer zugewiesen.
Wo sind im Anschluss unterkommen, entscheidet sich nach der offiziellen Registrierung in München. Die Neuankömmlinge sind am Montag zur Registrierung weiter nach München gefahren. Dort wird dann entschieden, wo sie nun unterkommen.
Ob Felix Loch nochmal fahren würde? „Jederzeit“, so der Weltklasserodler. „Ich werde nie vergessen, was wir gesehen und erlebt haben. Es verändert einfach alles.“