Der gute Mensch mit Ballnetz

Holger Obermann, der im Alter von 85 Jahren an den Folgen einer Corona-Erkrankung starb, war Torwart, TV-Journalist, Entwicklungshelfer und Schlappekicker-Freund.
Holger Obermann, der jetzt im Alter von 85 Jahren an den Folgen einer Covid 19-Erkrankung trotz doppelter Impfung gestorben ist, hatte sich immer seinen ganz besonderen Blick auf die Welt bewahrt, die über viele Jahre die des Sports war, rief ihm dieser Tage sein alter Haussender nach, der Hessische Rundfunk. Das bedeutete, dass der Mann die Moderation des „Sportkalenders“, ein viel besserer Vorgänger des HR-Heimspiels, schon mal in einem laut knatterten Go Kart begann, mit entsprechendem Sturzhelm auf dem Kopf, das bedeutete weiterhin, dass der gebürtige Kasselaner selten auf ausgetretenen Pfaden wandelte. Sondern neue, unbekannte Wege suchte und fand, sei es als Kicker, sei es als Journalist oder, in den letzten Jahrzehnten, als Fußball-Aufbauhelfer in Diensten des DFB.
Er war ein Weltenbummler im besten Sinne, neugierig, aufmerksam, hilfsbereit, auch demütig, nie von oben herab. Sein Motto: anpacken und dazulernen. Er hat sich als Diener des Fußballs verstanden, hat die immense Kraft des Fußballs zur Verständigung, zum Aufbau, zur Überwindung von Grenzen erkannt. Mehr als drei Jahrzehnte lang war Obermann als Fußball-Entwicklungshelfer aktiv, 30 Stationen, rastlos. Er war in Afghanistan, in Pakistan, Ost-Timor, in Sibirien, Sri Lanka, fast überall in Afrika, häufig in Asien, vor allem Nepal hatte es ihm angetan. An seinem 85. Geburtstag, den er am 31. August feierte, verkündete er, bald wieder nach Nepal reisen zu wollen, gemeinsam mit seiner Frau Barbara, mit der seit 60 Jahren verheiratet war. Die Kontakte in diese Bergregion waren eng, er nannte seine Verbindung nach Nepal „das Herzstück meiner Arbeit“. Zuletzt war er 2017 dort, das gefüllte Ballnetz über der Schulter, um seine dritte Jugendfußballschule zu eröffnen.
Fußball ist Hoffnung
„Mit dem Ball am Fuß hat Obermann den Fußball zu den und in die Herzen der Menschen gebracht“, schrieb der DFB, in dessen Namen Obermann unterwegs war, kaum ein Risiko scheuend. Osama bin Laden soll ihm bei der Arbeit zugeschaut, die Taliban vergeblich Anschläge auf ihn verübt haben, in Ost-Timor wurde er entführt und über Wochen gefangen gehalten. Aber an den Menschen hat er nie gezweifelt, bei allem Elend, Leid und Zerstörung, die er gesehen hat. Nie war er sich zu schade, selbst die Ärmel hochzukrempeln, und hier einen Sportplatz anzulegen, dort Strukturen und Fußballschulen aufzubauen, kleine Inseln inmitten des Chaos. „Wo immer und unter welchen Bedingungen er gespielt wird, der Fußball lebt, er macht Hoffnung. Und wo Hoffnung ist, ist bald auch Mut“, hat er in einem seiner Bücher geschrieben. Und dieser Mut hat die Menschen bewogen, auch bei deutlich schwierigeren Aufgaben anzupacken. Für sein Engagement ist der Vater zweier erwachsener Kinder mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse und dem Verdienstorden des Weltverbandes Fifa ausgezeichnet worden.
„Ich will nicht mehr der große Zampano sein, den man beim Fernsehen vielleicht war“, sagte er Mitte der 80er Jahre zum Ende seiner TV-Karriere als Moderator. Bald 20 Jahre stand er vor der Kamera, moderierte mit angenehm warmer Stimme die ARD-Sportschau, er berichtete von allen großen Sportereignissen auf diesem Planeten und vor seiner Fernsehkarriere zeitweise für die Frankfurter Rundschau. Er wusste, von was er sprach, denn er war selbst aktiver Spieler, Torwart, bei Hessen Kassel, Concordia Hamburg und den FSV Frankfurt, und er war der erste deutsche Profi, der in die USA ging, 1961 war das, da schloss sich Keeper Obermann SC Elizabeth New Jersey an. Seine Journalisten-Laufbahn begann er mit einem Volontariat bei der „Hamburger Morgenpost“. Später war er Auslandskorrespondent bei der New Yorker Staats-Zeitung, Leiter einer deutschsprachigen Radiostation und Mitarbeiter des US-amerikanischen Fernsehsenders ABC in Miami.
Der Frankfurter Rundschau ist Obermann immer verbunden geblieben. Er engagierte sich für die Schlappekicker-Aktion, moderierte, wie selbstverständlich, bei den traditionsreichen Weihnachtsfeiern hoch droben im alten Henninger Turm. Er hat sich halt immer den besonderen Blick bewahrt, gerade auf jene, denen es nicht so gut ging und die nicht im gleißenden Rampenlicht stehen. Ihnen stand er zur Seite.