Das Schicksal von Peng Shuai

Obwohl die chinesische Tennisspielerin noch nicht wieder in der Öffentlichkeit aufgetaucht ist, finden in China wieder Frauenturniere statt. Das ist bedauerlich. Ein Kommentar.
Es muss ein Spiel auf Zeit gewesen sein. Anders ist fast nicht zu erklären, dass Steve Simon, Chef der WTA, noch bis vor Kurzem an seinem Standpunkt festhielt, die Frauen-Tennistour werde erst dann wieder nach China zurückkehren, wenn sie direkten Kontakt mit Spielerin Peng Shuai, 37, aufnehmen könne. Um transparent aufzuarbeiten, was geschehen ist, nachdem Peng im November 2021 einen ehemaligen hochrangigen Funktionär der kommunistischen Partei öffentlich des sexuellen Missbrauchs beschuldigte. Und danach verschwand. Und nur hier und da mal wieder kurz auftauchte, in offensichtlich gestellte, von der Regierung kontrollierten Situationen, welche die Welt von ihrem Wohlergehen überzeugen sollten.
Wie es ihr wirklich geht, ist ungewiss. Von Freiheit kann wohl keine Rede mehr sein. Niemand kommt an sie heran, auch die WTA nicht mit dem Chef Steve Simon, der im Dezember 2021 mit damals bewundernswerter Entschlossenheit entschied, alle Turniere in China abzusagen.
Er hat Klarheit gefordert im Fall Peng Shuai, er hat sie nicht bekommen. Klar ist jetzt nur: Die WTA kehrt trotzdem nach China zurück in diesem Jahr. Ab September werden dort wieder Turniere der höchsten Kategorie stattfinden, wie die Organisation am Donnerstag mitteilte.
Das ist schade. Simon muss gehofft haben, die Sache würde sich irgendwie in Luft auflösen, sei es durch Aufklärung, sei es durch Vergessen. In China liegt ja das große Geld für die Tennisspielerinnen. Seit Li Na sich in Paris zur ersten chinesischen Grand-Slam-Siegerin kürte und in der Heimat einen Tennisboom auslöste, ist das Land der wichtigste Wachstumsmarkt für die Frauen.
Tennis-Boomland China
2019, bevor die Corona-Pandemie alles durcheinanderbrachte, wurden neun WTA-Turniere in China ausgetragen, insgesamt 30 Millionen US-Dollar ausgeschüttet. Die Siegerin des Saisonfinals in Shenzhen, Ash Barty, kassierte 4,4 Millionen. Ein Meilenstein beim Versuch, finanziell zur Männertour aufzuschließen. Schwierig, sich da dauerhaft abzuwenden, ohne Alternative.
Die scheinbar starke, schnelle Reaktion Simons nach Bekanntwerden des Falls war bei Licht betrachtet ohne großes Risiko, wegen der strikten Corona-Politik sollte ihn China ohnehin nicht gespielt werden. Doch jetzt sieht die Sache anders aus, und einmal mehr wird deutlich: Geld geht vor, auch im Sport. Auch, wenn das Schicksal einer jungen Frau in Frage steht.