Das letzte Rennen

Renndirektor Pascal Morillon hat beim Ironman Frankfurt an diesem Sonntag letztmals die Verantwortung: Der Seelentröster hört auf.
Sein Gesicht, vielleicht viel mehr noch sein Dialekt sind ein Markenzeichen des Ironman Frankfurt. Renndirektor Pascal Morillon kennen inzwischen eigentlich alle, wenn die Stadt für einen Tag im Zeichen des Triathlon steht. Wenn jetzt am Sonntag die 20. Auflage stattfindet, ist es zugleich die Abschiedsveranstaltung für den 64-Jährigen. Der Mann, der am Renntag selbst mit seinen fünf Ressortleitern die 3000 Teilnehmer und 4300 freiwilligen Helfer koordiniert, hört auf. „Ich habe immer noch extrem viel Spaß an meiner Aufgabe, aber es ist meine private Entscheidung. Ich lasse neue Jungs ran“, sagt er. Wobei, das ist ihm wichtig, er auch nächstes Jahr am Rande noch auftauchen wird, um seinen Rat weiterzugeben. „Ich hatte noch keine Gelegenheit, meinen Nachfolger einzuarbeiten.“
Morillon hat mit seiner Crew aus Liederbach in diesem Jahr bereits die Ironman-Events im Kraichgau, Hamburg und Luxemburg orchestriert, es folgen noch Halbdistanzrennen in Thun, Dresden, Duisburg und Erkner (Brandenburg), ehe sein letzter Auftritt am 18. November beim Ironman 70.3 in Saal Hasheesh in Ägypten sein wird. Die Arbeit aber sei nicht vergleichbar: „Frankfurt ist ein sehr komplexes Rennen, eben kein Wald-und-Wiesen-Triathlon.“ Bei ihm laufen für die privaten und öffentlichen Dienstleister alle Fäden zusammen.
Angefangen hat bei ihm alles, als Begründer Kurt Denk in der Anfangszeit dringend Leute suchte, die irgendwo tatkräftig anpacken können. Morillon meldete sich 2002 als Volunteer für die Party im Ostpark. Der in Bayonne im Baskenland aufgewachsene Franzose war der Liebe wegen 1981 nach Frankfurt gekommen: Er hatte als junger Mann bei einem Deutschland-Besuch in einem Pub in Sachsenhausen seine heutige Ehefrau Karin kennengelernt. Nur ein Jahr nach der Frankfurt-Premiere des Ironman fragte ihn der spätere Rennleiter Kai Walter, „ob ich nicht ein bisschen mehr machen kann“.
Als er dann bei einem Ironman-Camp auf Mallorca („das war ein bisschen chaotisch“) sein Organisationstalent bewies, spannte ihn Denks Agentur vollends ein. „Ich war danach als Streckenchef für alle Absperrungen zuständig. Das war eine Monsterarbeit. Allein für die 475 Kreuzungen brauchte ich 2000 Helfer.“
Da lebt einer den Triathlon
Er erinnert sich gut daran, wie schwer es damals war, die Anwohner zu überzeugen, dass sich die Einschränkungen für Ausdauerenthusiasten lohnt, die sich über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen teilweise von früh morgens bis spät abends quälen, ehe der rote Teppich mit dem Zielkanal auf dem Römerberg erreicht ist.
Hier steht am Ende auch Morillon, nachdem der längste Tag des Jahres für ihn gegen drei Uhr morgens beginnt. Am Langener Waldsee, um den letzten Check in der bewachten Wechselzone mit den sündhaft teuren Hightech-Rennrädern vorzunehmen. Die Professionalisierung bei den Altersklassenathleten ist weit fortgeschritten – dass wie früher noch etliche Teilnehmer mit Tourenrädern unterwegs sind, kommt heutzutage kaum mehr vor. Und doch vermisst Morillon etwas: „Früher hatten wir eine größere Nähe zum Athleten. Da ist einiges verloren gegangen, es ist sehr nüchtern geworden.“ Das behagt einem Tausendsassa nicht, der irgendwie auch immer als Seelentröster unterwegs war, wenn es nicht so lief. Er hat niemandem die kalte Schulter gezeigt.
Da hat einer stets im Sinne der Triathleten gedacht, weshalb ihm ambitionierte Dauerteilnehmer wie Thomas Tzschentke oder Frank Poggendorff von Spiridon Frankfurt mehr als nur eine Träne nachweinen. „Leider das letzte Mal unser Racedirektor“, haben sie auf Facebook zu den Umarmungen mit einem Organisationschef geschrieben, der für alle ein offenes Ohr hatte. Vielleicht hat keiner den besonderen Spirit so sehr geatmet wie Morillon. Er ist der erste Angestellte des Ironman Frankfurt, der in Rente geht – darüber muss er selbst schmunzeln. „Es gibt kein Vorruhestandsmodell oder so etwas.“
Dass innerhalb der letztlich von einem US-amerikanischen Investor gesteuerten Organisation auch „Sand im Getriebe“ war, so drückt es Morillon aus, verschweigt er nicht; er will aber nicht sagen, welche Sandkörner es genau waren. Nur so viel steht fest: Wenn am Sonntag wieder Profis wie Amateure durchs Zieltor laufen, gehen oder wanken, mit den Kräften völlig am Ende sind, aber doch Tränen des Glücks verdrücken, dann weiß der scheidende Renndirektor: „Diese Momente sind das, wofür ich das ganze Jahr arbeite. Bei allem Geld der Welt: Deshalb mache ich den Job so gern.“ Nun aber ein letztes Mal in Frankfurt.