Benedikt Doll: „... dann hat man einen perfekten Tag und wird Vierter“

Top-Biathlet Benedikt Doll über die Medaillechancen bei der WM in Oberhof, die Dominanz der Norweger, seine Rolle als Leader und als Vater
Herr Doll, kann man auf eine Heim-WM überhaupt mehr Vorfreude haben, als man sie sowieso auf eine WM hat?
Klar, denn Oberhof wird besonders cool: der Saison-Höhepunkt auch noch daheim. Bis jetzt hatte ich das noch nie. Ich kenne zwar die Stimmung mit den vielen Zuschauern, aber nicht als WM, sondern nur als Weltcup-Station. Zudem waren ja die letzten Saison-Höhepunkte, beziehungsweise die Olympischen Spiele, die ich erlebt habe, in Ländern, wo der Wintersport und Biathlon nicht so heimisch ist. Es war zwar der Saison-Höhepunkt, aber die Stimmung war nicht höhepunktwürdig. Jetzt kommt beides zusammen.
Muss man sich da als ambitionierter Sportler auch vornehmen, das richtig zu genießen und es nicht zu vergessen im Wettkampfmodus?
Ich habe die Zuschauer und die Stimmung, sei es in Antholz oder Ruhpolding, schon die ganze Saison genossen. Aber natürlich genießt man jetzt auch beim Trainieren im Stadion die Atmosphäre. Ich werde, wenn Zeit ist, auch sicher bei den Mädels zuschauen. Aber am besten ist es immer noch, ein gutes Rennen zu liefern und die Stimmung dann aufzusaugen, wenn man gefeiert wird. Das genießt man am meisten.
Am besten mit einer Medaille um den Hals …
Ähm ja, so eine Medaille ist immer schön. Aber ob es in den Einzelrennen klappt, steht wirklich in den Sternen. Ich muss ein perfektes Rennen machen, um eine Chance auf die Medaille zu habe. Läuferisch bin ich gut dabei, aber es gibt noch welche, die sind stärker. Wenn die fehlerfrei schießen, hat man einen perfekten Tag und ist Vierter. Das kann vorkommen. Man hat es eben selbst nicht immer in der Hand. Darum muss man auch nur auf sich selbst schauen.
Und in der Staffel?
Da müssen wir kein Geheimnis aus unseren Ambitionen machen. Es wird das Highlight, ich glaube das Wochenende ist auch schon lange ausverkauft. Die Chancen sind da bestimmt besser, als wenn wir allein laufen.
Topfavoriten in allen Rennen dürfte wohl Johannes Thingnes Bö und die restlichen Norweger sein.
Wie gesagt, ich schaue auf mich. Alles andere bringt nichts. Klar sind Johannes Thingnes Bö und Sturla Holm Laegreid läuferisch etwas voraus. Und sie kriegen eben meistens beides hin, Laufen und Schießen. Das ist beeindruckend, da es ja auch eine Trainingssache und mentale Angelegenheit ist. Ein bisschen macht es den Sport vielleicht langweiliger, wenn einer immer gewinnt. Aber solche Jahre gibt es eben manchmal … da muss man dann durch (lacht).
Sie haben schon ein paar WMs erlebt – geben sie den wenig erfahrenen Kollegen Tipps?
Bis jetzt haben wir da noch nicht viel gesprochen, es ging immer mehr um die letzten Rennen. Ich glaube, das Einzige, was ich den Jungen in dieser Hinsicht mitgeben kann, ist: Wenn man zu einer WM was anders machen will, nur weil es eine WM ist, geht es bestimmt in die Hose. Aber das wissen sie schon, die sind erfahren genug und keine 21-Jährigen mehr. Die können damit umgehen. Jeder, der Mal IBU-Cup gelaufen ist, kennt es ja auch, zu einer EM zu fahren. Da ist man dann genauso aufgeregt wie vor einer WM.
Spüren Sie trotzdem einen Unterschied in dieser Saison, da sie die viel beschriebene Leader-Rolle nach den Rücktritten von Erik Lesser und Arnd Peiffer eingenommen haben?
Das Einzige ist, dass ich ständig darauf angesprochen werde (lacht). Nein, es gibt eigentlich gar nicht so viele Momente, in denen man der Leader sein oder eine Entscheidung treffen muss. Nur selten, dann mache ich das halt, aber mehr, weil es mir aufgetragen wird. Wann Kaffee und Kuchen ansteht zum Beispiel, das entscheide ich.
Wie steht es um die andere Änderung für Sie zu diesem Winter, ihrem ersten als Vater?
Mein Dopingkontrolleur, den ich bekommen habe, hat mir gesagt: Die letzten, die ein Kind bekommen haben und für die ich zugeteilt war, hatten dann immer eine schlechte Saison. Vielen Dank für die motivierenden Worte, habe ich mir gedacht. Man muss sich eben umorganisieren, es fällt manches weg. Auf Social Media und bei anderen Projekten habe ich früher mehr nebenher gemacht, das ist eben jetzt Familienzeit. Familie und Sport bekomme ich unter einen Hut, noch mehr würde stressig werden.
Vor dem Winter meinten Sie, Sie fällen ihre Entscheidung über ein Karriereende nach der Saison. Auch wenn sie das noch nicht getan haben – ist das im Hinterkopf, dass es ihre letzte WM, ihr letzter Auftritt vor deutschen Fans sein könnte?
Nein, gar nicht. Ich denke überhaupt nicht darüber nach. Auch nicht, ob es schön wäre, wenn mein Kind nochmal dabei wäre. Aktuell kann ich mir aber vorstellen, noch ein Jahr dranzuhängen. Das muss ich schauen. Stress mache ich mir da nicht. Gar keinen Stress.
Interview: Thomas Jensen
Top-Biathlet Benedikt Doll über die Medaillechancen bei der WM in Oberhof, die Dominanz der Norweger, seine Rolle als Leader und als Vater