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Bach ist zu flott

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Von: Frank Hellmann

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Writer auf dem Tennis-Court: Elena Rybakina (li.) und Aryna Sabalenka. Foto: AFP
Writer auf dem Tennis-Court: Elena Rybakina (li.) und Aryna Sabalenka. Foto: AFP © afp

Der IOC-Boss Thomas Bach darf mit seinem Vorhaben, Russland den roten Teppich auszurollen, nicht durchkommen. Dazu ist die Zeit noch lange nicht reif. Ein Kommentar.

Es hat wohl so kommen müssen: Im Frauen-Finale der Australian Open stehen in der in Russland geborenen, für Kasachstan spielenden Jelena Rybakina und Aryna Sabalenka aus Belarus zwei Spielerinnen, die in anderen Sportarten gar nicht erst zugelassen worden wären. Die Tennis-Verbände gehen einen anderen Weg, weil man der Ansicht ist, dass es sich bei Protagonisten wie die seit Jahren in Kalifornien lebenden Halbfinalistin Viktoria Asarenka ohnehin um Weltbürgerinnen handelt.

Diese Brücke ist bewusst gebaut worden, aber es muss dann sichergestellt sein, dass im Melbourne Park keine Symbole auftauchen, mit denen die russische Invasion in der Ukraine unterstützt wird. Es kann nicht sein, dass solche Parolen ein Grand-Slam-Turnier beschmutzen. Das Event an der australischen Ostküste dient also wieder als Paradebeispiel für das Spannungsfeld, in das der Sport ständig gerät.

Die Grundsatzfrage lautet: Soll der Sport bei der ersten Annäherung vorangehen, in dem er die Verständigung vorantreibt oder soll er klare Kante zeigen, in dem er auf Ausgrenzung setzt? Es ist ein ständiges Für und Wider, ein fortwährendes Abwägen der Argumente – und es kann sein, dass man sich auf keine eindeutige Haltung verständigen muss. Einerseits besitzt der Sport eine riesige Kraft, Menschen zusammenzuführen. Anderseits ist er oft genug von Machthabern für Propagandazwecke missbraucht worden. Auch in Deutschland bekanntermaßen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) fokussiert sich ganz auf den Idealfall. IOC-Chef Thomas Bach macht angeblich eine „überwiegende Mehrheit“ in der Welt aus, um die Sanktionen gegen Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus zu lockern. Dahinter stecken im Vorlauf für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris nicht nur völkerverbindende, sondern auch geschäftliche Interessen.

Gefühlt ist die Zeit für das größte weltumspannende Sportereignis mit Russland noch nicht reif. Es müsste im fürchterlichen Krieg mit ungewissem Ausgang in der Ukraine zuerst irgendwelche Hoffnungen auf diplomatische Lösungen geben. Das ist leider immer noch nicht im Ansatz zu erkennen. Insofern wirkt die Öffnung übereilt und unangemessen. Zu bedenken ist auch, wie das russische Regime mit seinem staatlich orchestrierten Dopingsystem die Winterspiele 2014 in Sotschi missbrauchte. Nur zwei Jahre später starteten Athletinnen und Athleten unter neutraler Flagge in Rio; von Reue war danach in Moskau wenig zu hören, stattdessen wurden diejenigen beschimpft, die den Skandal aufgedeckt hatten.

Auch Strippenzieher Bach hat im Nachgang seine Verbeugungen vor Kriegstreiber Putin nicht wirklich bereut. Wenn der Ex-Fechter jetzt so flott den Weg ebnet, Russland im Zeichen der Olympischen Ringe antreten zu lassen, provoziert er den Boykott der Ukraine – und beschwört Debatten in Deutschland und anderswo herauf, wer aus Solidarität den Spielen ebenfalls fernbleibt.

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