Auftakt in Wimbledon: War was?

Beinahe unversehrt von Corona kehrt der Tennisklassiker Wimbledon am Montag zurück.
Es hat sich natürlich nichts verändert in Wimbledon. Noch nie hat sich etwas verändert in Wimbledon. Das Tennisturnier ist wie eine Zeitkapsel, in der die Vergangenheit fröhlich weitermachen darf. Werbung ist nicht erlaubt, alle Spieler:innen sind verpflichtet, weiße Kleidung zu tragen, von Kopf bis Fuß, die Spielfläche aus Rasen ist millimetergenau getrimmt, und das Publikum, teuer verköstigt mit Erdbeeren mit Sahne, präsentiert die schönsten Hüte.
Die Pandemie scheint Wimbledon britisch kühl an sich vorbeiziehen zu lassen. Keep on walking, Corona. Ja, sie hat das Turnier in seiner schrulligen Gestrigkeit sogar gestärkt. Eine Versicherung gegen eine Seuche? Vor wenigen Jahren hat man die Damen und Herren des All England Lawn Tennis and Croquet Club noch dafür belächelt, aber als Corona im vergangenen Jahr mit voller Wucht einschlug, konnte Wimbledon als einziges der Grand-Slam-Turniere ersatzlos auf die Austragung verzichten, während French Open und US Open unter größten Mühen und Beschimpfungen im Herbst ihr Notprogramm durchdrückten, um die finanziellen Schäden in Grenzen zu halten.
Umso schöner ist in London nun die Vorfreude auf den Klassiker in Wimbledon, der erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein Jahr pausiert hatte. Geschrumpft ist die sportliche Bedeutung ganz bestimmt nicht. „Es ist das Turnier, das jede Spielerin gewinnen will“, sagt Angelique Kerber, die 2018 als erste Deutsche seit Steffi Gras auf dem Londoner Rasen triumphierte und sich dieser Tage beim Turnier in Bad Homburg aufs Spektakel einstimmt. „Dieses Turnier kennt man überall auf der Welt. Ganz egal, ob sich die Menschen für Tennis interessieren oder nicht – Wimbledon ist allen ein Begriff.“ Kerber gefällt es auch, dass die Tradition so gepflegt wird. Als erste Gegnerin bekam die 33-Jährige am Freitag die Weltranglisten-86. Nina Stojanovic aus Serbien zugelost.
An Klasse fehlt es dem Turnier nicht bei seinem Comeback, an Weltklasse allerdings schon ein wenig. Bei den Frauen fehlt Naomi Osaka, die unter mentalen Problemen leidet und schon bei den French Open vorzeitig ausstieg. Titelverteidigerin Simona Halep gab am Freitag wegen einer Verletzung ihren Rückzug bekannt. Grand-Slam-Rekordsiegerin Serena Williams unternimmt einen weiteren Anlauf, zuletzt bewegte sie ihren bald 40-jährigen Körper jedoch nur noch wenig gewinnbringend über die Courts dieser Welt.
Volle Ränge ab Halbfinale
Ähnlich geht es dem gleichaltrigen Schweizer Tennismaestro Roger Federer, 39, der nach längerer Knieverletzung zuletzt in Paris seine Rückkehr auf die große Bühne feierte – und aus Rücksicht auf seinen Körper freiwillig vor dem Viertelfinale ausstieg. Er hat es auf Wimbledon abgesehen, auf Rasen rechnet er sich noch Chancen aus auf große Erfolge, doch nach seinem frühen Aus beim Turnier in Halle sind gewaltige Zweifel angebracht.
Und weil auch Federers ewiger Rivale Rafael Nadal, 35, nur noch eine Art Teilzeitprofi ist und für Wimbledon aus körperlichen Gründen absagte, und weil auch der österreichische Mitfavorit Dominic Thiem, 27, mit einem Gebrechen nicht mitwirken kann, hat sich bei den Männern das Kandidatenfeld für den Titel arg verengt. Eigentlich bis auf einen Namen: Novak Djokovic. Der nimmersatte Serbe, der nach seinem French-Open-Sieg nun in Wimbledon in Sachen Grand-Slam-Triumphe gleichziehen kann mit Federer und Nadal (beide 20). Ein historischer Ansporn, der den 34-Jährigen zu einer unbesiegbaren Tennismaschine machen könnte.
Nach Djokovic darf sich womöglich noch Allrounder Alexander Zverev die größten Hoffnungen auf eine Überraschung machen. Zverev startet gegen den niederländischen Qualifikanten Tallon Griekspoor.
Der Deutsche wird sich reintasten müssen in dieses Turnier, und auch Wimbledon muss sich erst wieder an Wimbledon gewöhnen. Zunächst wird mit einer Publikumsauslastung von bis 50 Prozent auf dem Centre Court und dem Platz Nummer 1 gestartet, auf Außenplätzen dürfen bis zu drei Viertel der Plätze besetzt werden. Zum Halbfinale und Finale soll es dann jeweils einen mit 15 000 Zuschauer:innen komplett gefüllten Centre Court geben – so wie immer. mit dpa