Da war es dem Hamburger egal, dass die Goldmedaille unter seltsamen Bedingungen zustande gekommen war. Die Wahnsinnshitze, die Sache mit Corona, kein Publikum in den Stadien. Zahlreiche Stars der Szene hatten abgesagt für die Veranstaltung, aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen, denn so ist der Tennissport nun mal: tendenziell eine Zusammenkunft von Ich-AG’s.
Das hat man am Wochenende auch leider an Superstar Novak Djokovic gesehen. Der Serbe hatte durch das Halbfinalaus gegen Zverev die historische Chance auf den Golden Slam verpasst, also den Gewinn aller Grand-Slam-Titel plus Olympiasieg. Kraft- und lustlos hatte er dann auch das Bronzematch verloren – und kam anschließend zum bezeichnenden Schluss, das Mixed-Spiel um Platz drei abzusagen, um sich zu schonen für die US Open im Herbst. Eine egoistische Entscheidung, mit der er Mixed-Partnerin Nina Stojanovic die womöglich einzigartige Gelegenheit auf eine Olympiamedaille verbaute. Kein Verhalten im Sinne des olympischen Geistes, eher eine Peinlichkeit.
Zverev aber hat in Tokio gespürt, dass Olympia etwas sein kann, das weit über Einzelinteressen hinausragt – unabhängig vom Endergebnis. Die Wucht einer Goldmedaille ist natürlich besonders groß, aber die Deutschen, ein eher skeptisches Sportvölkchen, hatten zuvor schon wahrgenommen, wie emotional dieser Mann in Tokio bei der Sache war, den sie doch eigentlich für arrogant hielten und vielleicht auch halten wollten. Die Leute haben Zverevs Tränen nach dem Sieg gegen Djokovic gesehen, die feuchten Augen bei der Siegerehrung, und dann haben sie halt ein wenig mitgeweint. So gewinnt man Herzen.
Sein in allen Belangen herzlicher Olympiaauftritt hat Alexander Zverev Sympathiepunkte eingebracht, die er schon länger verdient hat. Gut möglich, dass ihm dies den Weg für weitere Großtaten ebnet, jenseits von Tokio