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Wiesbadener Verkehrsdezernent: „Je nach Tarifabschluss eine Schippe drauflegen“

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Von: Madeleine Reckmann

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Andreas Kowol möchte den öffentlichen Nahverkehr mit Elektro-Bussen fit machen.
Andreas Kowol möchte den öffentlichen Nahverkehr mit Elektro-Bussen fit machen. © Renate Hoyer

Andreas Kowol (Grüne) über Lernprozesse, Doppelgelenkbusse und mehr Geld fürs Personal.

Zu wenig Personal, zu kleine Betriebsflächen– die Geschäfte laufen für den städtischen Verkehrsträger Eswe nicht rund. Seit September gilt an Wochentagen der Samstagsfahrplan mit ausgedünntem Angebot. Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) stellt sich unseren Fragen.

Herr Kowol, Eswe Verkehr verschiebt den Termin für die Rückkehr zum normalen Fahrplan schon wieder. Zuerst hieß es, der Samstagsfahrplan würde bis zum Jahresende gelten, dann bis März, jetzt bis September.

Die Personalsituation ist noch angespannt. Deshalb kann Eswe nicht alle Linien vollständig fahren lassen. Der Krankenstand ist zwar niedriger. Von Oktober bis Dezember haben sich 100 bis 120 Personen am Tag krankgemeldet. Jetzt sind es nur noch 70 bis 80. Aber es fehlen rund 100 Busfahrer. Zurzeit sind es 20 bis 30 weniger als vor einem Jahr.

Wie viele Fahrten werden jetzt täglich angeboten? Bei Einführung des Samstagsfahrplans waren es 2800 anstatt der sonst 3700 Fahrten.

Es sind über 2800, aber es schwankt, je nach Verfügbarkeit von Fahrern. Zusätzlich zum Samstagsfahrplan werden Einsatzfahrten für den Schülerverkehr, etwa von Dotzheim und Biebrich in die Innenstadt, angeboten, damit die normalen Busse nicht überfüllt sind.

Wie klappt es mit den Leiharbeitsunternehmen, die Eswe Verkehr unterstützen?

Das hat sich nicht bewährt. Wir haben drei bis sechs Mitarbeiter gewinnen können, mehr nicht.

…und die privaten Busunternehmen, die einzelne Linien übernehmen sollten?

Seit Oktober fahren zwei Busunternehmen einfache Teillinien. Diese Regelung läuft jetzt aus. Die Geschäftsführung arbeitet an einer Folgeregelung und möchte mehr Leistung über Subunternehmen beauftragen.

Was macht Sie optimistisch, dass das bis September klappt?

Aus der ersten Ausschreibung im Sommer 2022 hat Eswe Verkehr gelernt. Wir müssen den Unternehmen mehr Planungssicherheit bieten, teils möchten sie mit ihren eigenen Bussen fahren, teils nicht. Es gibt Signale, dass das funktionieren wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Eswe früher zum normalen Fahrplan zurückkehrt, wenn Subunternehmen beauftragt werden.

Sind sie mit der Entscheidung, den Fahrplan über so lange Zeit auszudünnen, einverstanden?

Herr Görnemanns (Geschäftsführer Eswe Verkehr, Anm. d. Red.) Strategie ist, das Personal nicht auf Kante zu fahren. Aus der Erfahrung anderer Städte und des S-Bahn-Verkehrs ist das nicht falsch. Dort sind ja zunehmend Fahrten ausgefallen. Aber es ist die Entscheidung der Geschäftsführung von Eswe Verkehr, keine Überstunden anzuordnen. Ich wurde von ihr informiert. Jan Görnemann ist hochkompetent, er zeigt höchste Professionalität. Ich bin überzeugt, dass er weiß, was er macht.

Sie tragen die politische Verantwortung.

Ja, ich trage die politische Verantwortung. Über die Beratungen im Aufsichtsrat kann ich einwirken und über das Budget die Dinge steuern.

Um attraktiver für die Mitarbeiter:innen zu werden, könnte eine bessere Bezahlung helfen. Kürzlich hat die Belegschaft eine 1000-Euro-Prämie erhalten. Wird es das häufiger geben?

Wir zahlen nicht schlechter als andere, etwa Mainz. Mit Blick auf die Teuerung muss es eine Gehaltssteigerung geben. Verdi fordert gerade 10,5 Prozent mehr, mindestens 500 Euro pro Person. Sobald das Ergebnis der Tarifverhandlungen in den Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Hessen übertragen ist, werden wir sehen, was rausgekommen ist. Wenn ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen ist, dann können die Busfahrer:innen auch in Wiesbaden mehr verdienen.

Zur Person

Andreas Kowol (60, Grüne) ist seit 2017 Stadtrat in Wiesbaden.

Das Dezernat für Bauen und Verkehr führt er seit 2022. Davor war er für Umwelt, Grünflächen und Verkehr zuständig.

Der Betriebswirt , der auch Chemie und Biologie studiert hat, war zuvor Verkehrsdezernent in Hanau

Wird die Stadt noch was drauflegen?

Zurzeit gibt es ein undurchsichtiges Zulagewesen von 30 oder 40 Zulagen. Das schafft Misstrauen. Wenn die Tarifverhandlung kein gutes Ergebnis erbringt, können wir das Zulagewesen auf einzelne Zulagen eindampfen und bei diesen eine Schippe drauflegen. Das ist maximal transparent. Aber erstmal abwarten. Eswe Verkehr wird je nach Tarifabschluss höhere Gehälter zahlen. Wir müssen unbedingt die unteren Lohngruppen stützen.

Wie wird das Bussystem weiterentwickelt? Die Wasserstoffbusse werden ja verkauft.

Wir haben 120 Busse mit Elektro-Antrieb, die sind gut. Auf dem Betriebshof haben wir eine Ladeinfrastruktur für 96 Busse. Zusätzlich entstehen 24 Ladepunkte, so dass alle ein Ladegerät haben.

Und die restlichen Busse haben einen Dieselmotor.

Jetzt warten wir auf die Entwicklung von Gelenkbussen und Doppelgelenkbussen mit Elektro-Antrieb und ausreichender Reichweite. Noch dieses Jahr werden wir in Wiesbaden einen E-Doppelgelenkbus testen. Es gibt die Diskussion mit Herrn Görnemann – er möchte so lange auf Dieselmotoren setzen, bis die E-Gelenk- und Doppelgelenkbusse sich bewährt haben. Ich bin dafür, das Marktgeschehen zu beobachten und vielleicht früher welche anzuschaffen.

Gibt es schon Käufer für die Wasserstoffbusse?

Die Wasserstofftankstelle geht nach Mainz-Hechtsheim, wo Wasserstoff produziert wird, das passt gut. Für die Wasserstoffbusse haben wir eine Reihe von Interessenten. Es gibt Hinweise, dass wir die Förderung von Bund und Land nicht zurückzahlen müssen, wenn die Busse weiterhin nach dem Förderzweck genutzt werden.

Wie möchten Sie die Verkehrswende mit Bussen schaffen?

Das Busnetz wird weiter ertüchtigt. Ab Herbst fahren zwei neue Linien in den östlichen Stadtteilen. Das Ziel ist, zwischen 2025 und 2028 die Zahl der Fahrgäste von jetzt 61 Millionen im Jahr auf 80 Millionen und 2030 auf bis zu 90 Millionen zu steigern. Ich bin optimistisch, dass das klappt, weil wir mit dem 49-Euro-Ticket, dem Jobticket, dem Kinder- und Jugendticket und anderen Tickets auch beim Tarif ein gutes Angebot machen.

Es muss nur mehr Busfahrer geben.

Das ist die Herausforderung. Wir bilden aus und gehen auf junge Menschen ohne Ausbildung zu.

Gibt es Flächen für neue Betriebshöfe?

Es gibt drei Standorte für Infrastruktur und Werkstätten in der Prüfung; in diesem Jahr soll eine finale Entscheidung fallen. Vielleicht wird es auch einen zweiten Standort ohne Infrastruktur geben, wo die Busse nur abgestellt werden können.

Sie möchten sich für weitere sechs Jahre als Verkehrsdezernent verpflichten. Was soll in dieser Zeit passieren?

Dass 80 Millionen Fahrgäste den ÖPNV nutzen, es mehr Angebote auf der Schiene gibt: Die Wallauer Spange wird den Verkehr in die Region beflügeln. Die Aartalbahn soll fahren und die Ländchesbahn einen Haltepunkt am neuen Bundeskriminalamt im Ostfeld haben. Ja, und das Ostfeld wird auch mit der Schiene erschlossen werden.

Interview: Madeleine Reckmann

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