Wiesbaden: Viele Wege führen zum Job

Zwei Ukrainerinnen informieren sich auf der Berufsinfomesse. Eine hat schon eine Ausbildung in der Tasche, für die andere wird es schwieriger.
Im Rathausfoyer herrscht dichtes Gedränge. Marharyta Lukianchuk und Inessa Vorobiova bahnen sich einen Weg durch die Menge. An 30 Ständen bieten unterschiedliche Organisationen Beratungen zur Berufswegeplanung an. Jugendliche und Erwachsene wechseln von Stand zu Stand. „Was geht? – Perspektiven für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte“ heißt die Berufsinformationsmesse, die das Amt für Zuwanderung und Integration Wiesbaden und Evim – Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau gemeinsam organisiert haben.
Für Lukianchuk, 29, und Vorobiova, 50, steht viel auf dem Spiel. Die beiden Frauen, die im Mai 2022 vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland flohen, möchten einen Beruf ausüben, ihr eigenes Geld verdienen. In ihrer Heimatstadt Odessa war Lukianchuk fünf Jahre als Englischlehrerin tätig, bevor sie als Speditionskauffrau arbeitete. Vorobiova kommt auch aus der Logistikbranche, hatte sogar einmal eine eigene Firma, erzählt sie. Später wechselte sie in ein Reisebüro. Die Jüngere der beiden hat bereits eine Ausbildung in einem Mainzer Logistikunternehmen in der Tasche. Doch für Vorobiova stellt sich die Frage, ob sie in Deutschland eine Ausbildung braucht, um Fuß zu fassen und ob ihre ukrainischen Diplome anerkannt werden. In der Ukraine hatte sie Mathematik studiert. Zurzeit nehmen die beiden Frauen an einem Integrationskurs teil und lernen berufsbezogenes Deutsch. Sie können sich schon gut verständigen.
Der Fachkräftemangel spielt den Menschen, die eine qualifizierte Arbeitsstelle suchen und eine Migrationsgeschichte haben, in die Hände. Der Fachverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Hessen-Thüringen ist mit zwei Ausbildungsbotschaftern auf der Messe vertreten. Mladan Belic und Sarwar Hossein möchten Geflüchtete für den Garten- und Landschaftsbau gewinnen. „Wir möchten mehr Frauen für den Beruf interessieren“, sagt Belic und verweist stolz auf seine private Statistik, nach der er in der ersten Stunde schon mit 15 Frauen und einem Mann Gespräche führte. Hossein ist so etwas wie ein Vorzeigekandidat. Der Afghane lebt seit sieben Jahren in Deutschland und schloss 2022 seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner als bester Absolvent seines Wiesbadener Jahrgangs ab. Dafür erhielt er den Bildungspreis des Bundesverbands.
Die beiden Ukrainerinnen zieht es zum Stand der Handwerkskammer. Dort erfahren sie, dass Logistik kein Handwerk ist. Sie werden zur Berufsberatung für Frauen verwiesen. Die Frauen von Berufswege für Frauen vermitteln aber nach Aussage der Ukrainerinnen nur in Pflege- und Erziehungsberufe. Jetzt geht es zur Industrie- und Handwerkskammer (IHK). Da sind sie richtig. Raphael Dech macht den Frauen Mut. „Logistik ist eine schnell wachsende Branche“, erklärt er. „Die Handelsbeziehungen mit Osteuropa nehmen zu.“ Für Unternehmen, die mit Osteuropa Geschäfte machen, könnten die beiden Frauen aus der Ukraine hilfreich sein. Sollte Lukianchuk in der Ausbildung Probleme bekommen, finde sie bei der IHK Ansprechpartner. Die Prüfungsaufgaben könne sie vorher kaufen, um sich damit besser vorzubereiten; Prüfungen ließen sich auch verschieben, falls sie mehr Zeit brauche.
„Die Menschen, die heute als Zugewanderte die Infomesse besuchen, profitieren von den inzwischen gewachsenen Strukturen und der gestiegenen Professionalität der Beteiligten“, sagt Sozialdezernent Christoph Manjura (SPD). 2016 war die Berufsinfomesse noch für Geflüchtete gedacht gewesen. Viele Akteure hätten ihr Angebot inzwischen angepasst, Kammern, Verbänden und Organisationen inzwischen Willkommenslotsinnen und -lotsen eingerichtet. Seit 2020 ist das Angebot der Messe auf alle Personen, die auf dem Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, zugeschnitten. Wie hoch der Bedarf ist, lässt sich laut Manjura nicht mit Zahlen belegen. „Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig“, kommentiert er. „Die Zielgruppe verschiebt sich“, stellt auch Karin Falkenstein, Evim-Referentin für Fortbildung, fest, „es sind heute mehr Leute mit einer Ausbildung oder einem Studium im Ausland gekommen.“ Dass Bedarf besteht, ist sicher. Aus Offenbach soll ein Bus mit Ukrainerinnen gekommen sein.
Lukianchuk und Vorobiova haben Antworten auf ihre Fragen gefunden. Beim Info-Stand des Jobcenters sei ihr gesagt worden, dass sie keine Ausbildung mehr brauche, berichtet Vorobiova. Als nächsten Schritt will sie einen Termin beim Jobcenter vereinbaren, um sich in ein Logistikunternehmen vermitteln zu lassen.