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Wiesbaden: Seelsorge im Freien

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Von: Andrea Rost

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Pastoralreferentin Anke Jarzina weiß aus eigener Erfahrung um die Heilkräfte der Natur.
Pastoralreferentin Anke Jarzina weiß aus eigener Erfahrung um die Heilkräfte der Natur. © Monika Müller

Pastoralreferentin Anke Jarzina hat in der Pfarrei Sankt Peter und Paul ein neues Kirchenangebot entwickelt. Eine persönliche Krise gab den Anstoß dazu.

Durch den Wald wandern mit einer aufmerksamen Zuhörerin an seiner Seite, sich Sorgen und Nöte von der Seele reden, Geräuschen in der Natur lauschen und dabei schweigend einen Fuß vor den anderen setzen – das und vieles mehr kann tun, wer eine Seelsorge-Tour bei Anke Jarzina bucht.

Die 44-Jährige ist Pastoralreferentin in der katholischen Pfarrei Sankt Peter und Paul in Wiesbaden. Das Bistum Limburg ist ihr Arbeitgeber. Seit ein paar Monaten bietet sie unter dem Dach der Kirche an, was gemeinhin als Naturcoaching oder Waldbaden bekannt ist: In Wiesbaden und im Rheingau-Taunus-Kreis kann man mit ihr wandern, durchatmen, auftanken. Sie leitet Achtsamkeitsübungen im Freien an, gibt Tipps zur Stressreduktion.

Ein Dutzend Menschen hat sie bisher schon auf diese Weise seelsorgerisch begleitet. Das Angebot ist kostenlos und über ihre Homepage „Lebensmark“ zu buchen. Zwei bis drei Stunden ist sie dann mit einzelnen Menschen oder kleinen Gruppen unterwegs. Die Teilnehmer:innen müssen weder ein nahes Verhältnis zur Kirche haben noch gläubig sein. „Ich bin für alle da, die suchen“, sagt Anke Jarzina. Häufig gehe es bei ihren Seelsorge-Touren auch nicht um konkrete Themen, die besprochen werden sollen. Viele Menschen fühlten sich getrieben, seien kraftlos, verzagt, wollten wieder zu sich finden.

Anke Jarzina, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in Eltville lebt, kennt diesen Zustand sehr gut. Im September 2021 hatte die Diplomtheologin einen Hörsturz, eine monatelange Krankheitsphase schloss sich an. „Ich war verunsichert, müde, depressiv, machte mir große Sorgen um meinen Job“, erinnert sie sich. Bewegung in der Natur tat ihr damals besonders gut. Und es reifte die Erkenntnis, etwas ändern zu müssen in ihrem Leben.

Sie legte das Amt der Vorsitzenden bei den Eltviller Grünen nieder, reduzierte ihre Arbeitszeit beim Bistum und konzipierte über Monate hinweg ein Seelsorgeangebot im Freien, das mittlerweile den Großteil ihrer Tätigkeit als Pastoralreferentin bei Sankt Peter und Paul ausmacht.

Die Diagnose „chronische Depression“, die ihr in der Reha gestellt wurde, hat Anke Jarzina angenommen. Den Tinnitus, der nach dem Hörsturz zurückgeblieben ist, sieht sie als „Wächter“, wenn ihr Alltag wieder einmal besonders stressig zu werden droht. „Ich bin dankbar für die Krise, die ich erlebt habe“, sagt sie rückblickend. „Sie hat mir Klarheit gebracht und neue Türen geöffnet.“

Dass die Organisationsstruktur im Bistum sich ändert und seit 1. Januar die Stadt Wiesbaden, Untertaunus und Rheingau als Region zusammengehören, kommt ihr bei der Outdoor-Seelsorge zugute. Sie kann im gesamten Gebiet unterwegs sein und thematisch übergreifend arbeiten anstatt lokal begrenzt. Außerdem sei das Angebot besonders niedrigschwellig, betont sie. „Das ist wichtig in einer Zeit, in der die Kirche gesellschaftlich nicht mehr die Rolle spielt wie früher.“

Weitere Informationen zur Outdoor-Seelsorge von Anke Jarzina gibt es auf der Homepage www.lebensmark.de. Dort kann man auch über das Kontaktformular einen Termin zum Wandern mit ihr vereinbaren. Das Angebot ist für alle kostenlos.

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