Wiesbaden: Sauerstoff aus der Druckkammer rettet Leben

Seit 25 Jahren gibt es die Druckkammer in Wiesbaden. Notfälle nach Tauchunfällen oder Bränden werden hier rund um die Uhr behandelt. Auch bei Long Covid hilft reiner Sauerstoff.
Die Rettungshubschrauber landen oft mitten in der Nacht. Von weither kommen sie angeflogen, an Bord haben sie Menschen, die Tauchunfälle hatten, nach einem Brand an einer Kohlenmonoxidvergiftung leiden oder an Gasembolie. „Wir sind eine der wenigen Anlaufstellen, die in solchen Fällen eine Therapie anbieten können“, sagt der Geschäftsführer der Druckkammer Wiesbaden, Michael Kemmerer. Durch Einatmen von medizinisch reinem Sauerstoff bei gleichzeitigem Überdruck in der Umgebung werde der Sauerstoff in einer bis zu 20fach höheren Dosierung als üblich an das Blut weitergeben und dort gelöst. „Das funktioniert wie bei einem Wassersprudler“, erläutert Kemmerer. Dass der rote Blutfarbstoff Hämoglobin durch die Rauchgasvergiftung blockiert sei, spiele dann keine Rolle mehr. Der Körper erhalte genügend Sauerstoff, um das Überleben zu sichern, im besten Fall würden bleibende Schäden verhindert.
Die Druckkammer Wiesbaden gibt es fast auf den Tag genau seit 25 Jahren. Anfang Februar 1998 ist sie in Betrieb gegangen, damals war sie noch am Rot-Kreuz-Krankenhaus angesiedelt. Heute ist das Therapiezentrum Teil der Asklepios Paulinenklinik an der Schiersteiner Straße. Vor elf Jahren hat die Druckkammer den Versorgungsauftrag für Notfälle vom Land Hessen erhalten.
„Wir haben schon viele Leben gerettet“, sagt Michael Kemmerer. Der 57-Jährige arbeitet von Anfang an in der Druckkammer mit. Er ist Rettungsassistent, Druckkammerbediener, intensivmedizinischer Assistent für Tauch-Hyperbar-Medizin, Feuerwehrmann und seit 30 Jahren Tauchlehrer. Kemmerer organisiert auch die Ausbildung für das nötige Fachpersonal in Druckkammern über die Grenzen Deutschlands hinweg.
An diesem Vormittag sitzt Ilyas Osman an der Schaltzentrale, über die er die Sauerstoffzufuhr in der Druckkammer steuert und alle wichtigen Funktionen überwacht. Der 23-Jährige hat vor kurzem seine Ausbildung zum Druckkammerbediener abgeschlossen. Sein Arbeitsplatz mit den großen Kontrollmonitoren erinnert an ein Flugzeug-Cockpit. Die Stahlkammer, in der behandelt wird, beschreibt Peter Freitag, der ebenfalls Druckkammerbediener ist, als „eine Mischung zwischen U-Boot und Flugzeugkabine“. Die Druckkammer sei annähernd sieben Meter lang und habe einen Durchmesser von mehr als zwei Metern, wiege 19 Tonnen und verfüge über zwölf Sitzplätze, wo die Patient:innen über durchschnittlich 90 Minuten den reinen Sauerstoff einatmen. Auch liegend könnten Menschen behandelt werden.
Das Therapiezentrum
Seit 1998 bietet die Druckkammer Wiesbaden die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO-Therapie) an.
Patientinnen und Patienten atmen medizinisch reinen Sauerstoff unter Überdruck ein wie bei einem Tauchgang, nur ohne Wasser.
Behandelt werden unter anderem diabetische Füße, Knochenentzündungen, Hörsturz sowie Knochenmarködeme und neuerdings auch Post-Covid-Symptome.
Für Notfälle nach Rauchgasvergiftungen, Tauchunfällen, arterieller Gasembolie und Gasbrand steht das Therapiezentrum seit 2012 bereit. Die Behandlung wird in Zusammenarbeit mit der Asklepios Paulinenklinik Wiesbaden durchgeführt. aro
Peter Freitag hat im Stadtarchiv nachgeforscht und herausgefunden, dass es 1889 die erste Druckkammer in der Kaiser-Wilhelm-Heilanstalt in Wiesbaden gab. Ärzte hätten schon damals berichtet, dass Sauerstoff bei der Wundheilung helfen könne.
Während es in den 1990er Jahren noch 180 Druckkammern in Deutschland gab, sind es heute nur noch um die 20. Das liege auch an der Finanzierung der Therapiezentren, weiß Peter Kemmerer. Die Behandlung von Notfällen bezahlten mittlerweile zwar die Krankenkassen. Wer als gesetzlich Versicherter in die Druckkammer komme, damit Knochenbrüche und Entzündungen schneller heilten, die Folgen eines Hörsturzes oder eines Schlaganfalles gelindert würden, müsse die Kosten jedoch fast immer selbst tragen. Nur private Kassen seien bereit, sich zu beteiligen. „Das ist die Gesetzeslage, leider hat sich seit 1999 nichts geändert, obwohl die Hyperbar-Therapie wissenschaftlich anerkannt ist“, sagt der Geschäftsführer. Als erste in Deutschland hat die Wiesbadener Druckkammer begonnen, Post-Covid-Symptome wie neurologische Schädigungen und Fatigue zu behandeln. Mit Erfolg. Mittlerweile schickten auch einige Berufsgenossenschaften Patient:innen, sagt Kemmerer.
Zum 25-jährigen Bestehen der Druckkammer gibt es am Samstag, 4. Februar, ein Kindertauchsymposium im Dorint Hotel Pallas. Mehr Informationen unter www.diedruckkammer.de