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Wiesbaden möchte mehr Biodiversität in der Landwirtschaft

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Von: Madeleine Reckmann

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Über 20 Prozent der Wiesbadener Landwirte sind Bio-Bauern.
Über 20 Prozent der Wiesbadener Landwirte sind Bio-Bauern. © Michael Schick

Umweltamt erarbeitet neue Strategie, die auch die Bauernschaft einbezieht.

Um Pflanzen und Tiere vor dem Aussterben zu bewahren, müssen Städte, Gärten und Landschaften ihnen mehr Lebensraum zur Verfügung stellen. Eigentlich ist das allen Menschen klar, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Auch die Landwirtschaft muss sich ändern und tendenziell auf Pestizide und chemischen Dünger verzichten, soll dem Artensterben ein Ende gemacht werden. Aber wie gelingt es, alle Akteure davon zu überzeugen?

„Nicht mit der Brechstange“, kommentierte Kreislandwirt Ditmar Kranz neulich im Umweltausschuss. Die Rathaus-Kooperation von Grünen, SPD, Linken und Volt hatte zur Förderung der Biodiversität auf städtischen Agrarpachtflächen beantragt, sie bei einem Pächterwechsel nur an ökologisch wirtschaftende Landwirte zu vergeben. Kranz, selbst ein Ökobauer, hält das nicht für den richtigen Weg. Auch Klaus Dörr, Geschäftsführer des Wiesbadener Bauernverbands, sagt, dass dies unter Bäuerinnen und Bauern nur Unruhe stiften würde - obwohl eine solche Regel für die Betriebe nicht existenzgefährdend sei.

Die vermutete Unruhe in der Bauernschaft ist vor allem auf den Umstand zurückzuführen, dass die Landwirtschaft ohnehin unter Druck steht. „Die große Bedrohung für uns sind das Ostfeld und das Westfeld“, gesteht Kranz. In Wiesbaden könnten 227 Hektar Agrarland entfallen, sollte das 450 Hektar große Gebiet Ostfeld/Kalkofen wie geplant bebaut werden. Auch in der Perspektivfläche West könnten 79 Hektar Feld verloren gehen, sollte dort ein Wohn- und Gewerbegebiet entstehen. „Sieben bis acht Prozent des Wiesbadener Ackerlandes wären einfach weg“, so Dörr. Die Landeshauptstadt hat zwar Ersatzflächen versprochen. Von den 20 Landwirten, die im Ostfeld tätig sind, arbeiten nur zwei nach Ökorichtlinien. Die anderen, befürchtet Dörr, hätten das Nachsehen, weil sie sich nicht auf städtische Tauschflächen bewerben könnten.

Und dann sollen die Landwirt:innen noch vier Prozent ihrer auf städtischem Gelände liegenden Äcker in Blühstreifen verwandeln, wie das die Kooperation gerne möchte? Dörr holt tief Luft und zählt auf, was Landwirt:innen mit der Agrarreform 2023 ohnehin leisten und erbringen müssen. Die Stilllegung von Flächen beziehungsweise das Anlegen von Blühstreifen gehöre dazu, sagt er.

„Die Umweltstandards an die Landwirtschaft steigen“, bestätigt Umweltamtsleiter Klaus Friedrich. Das städtische Umweltamt arbeitet jetzt an einer Biodiversitätsstrategie, die ausdrücklich Landwirt:innen einbezieht. „Das braucht viel Dialog, wir sind auf dem Weg“, sagt er der FR. Außer der Landwirtschaft werde die gesamte „Kulisse“, Wald, Feld, Flur und die Gärten in der Stadt einbezogen, um Lebensräume für möglichst viele Tiere und Pflanzen zu schaffen. Die Renaturierung der Bäche nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie sei ebenso ein Teil der Strategie wie extensiv bewirtschaftete Blühflächen, wie sie die Hegegemeinschaft Wiesbaden-Ost angelegt habe. Demnächst möchte das Umweltamt die verschiedenen Projekte zur Biodiversität vorstellen. „Es läuft schon viel“, sagt Friedrich, „es ist eine positive Entwicklung erkennbar.“ In Wiesbaden seien zudem über 20 Prozent der Landwirtschaften Ökobetriebe. Dennoch könne auch in diesem Bereich noch über das geforderte Mindestmaß etwas beigetragen werden. Auf den Wegstreifen an den Feldrändern etwa könne das Grün für die Insekten möglichst lange stehen bleiben, schlägt Friedrich vor.

Der Antrag zu den Agrarpachtflächen ist zunächst nicht verabschiedet worden. Der Bericht zur Biodiversitätsstrategie soll abgewartet werden.

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