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Wiesbaden: Michaela Wasemüller ist die neue Leiterin Jugendgefängnisses

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Von: Madeleine Reckmann

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Michaela Wasemüller will als Leiterin der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden junge Männer auf ein Leben ohne Kriminalität vorbereiten.
Michaela Wasemüller will als Leiterin der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden junge Männer auf ein Leben ohne Kriminalität vorbereiten. © Renate Hoyer

Michaela Wasemüller ist die neue Leiterin des Jugendgefängnisses in Wiesbaden.

Die Anekdote vom Einzug in ihr Büro in der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden erzählt Michaela Wasemüller gerne. Einer der Strafgefangenen, die ihr Büro weißelten, habe ihr empfohlen, doch lieber etwas Buntes an die Wand zu hängen anstatt der Schwarz-Weiß-Fotografien, die Ballettszenen darstellen, berichtet die neue Leitende Regierungsdirektorin schmunzelnd. „Man muss in meinem Beruf Menschen mögen, und zwar alle“, fügt Wasemüller hinzu, auch dann, wenn die erwartbare Distanz nicht eingehalten werde. Wasemüller hat sich nicht umstimmen lassen. Die Schwarz-Weiß-Fotografien schmücken heute ihr Büro.

Seit August leitet die 49-Jährige Juristin die hessische Jugendanstalt für männliche Strafgefangene im Alter von 18 bis 21 Jahren. Das Schöne an der Arbeit mit Heranwachsenden sei, dass der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehe, erklärt die zierliche Frau mit dem braunen Pferdeschwanz. Durch Fördern und Fordern könnten viele junge Männer auf ein Leben ohne Kriminalität vorbereitet werden. „Es gibt die Möglichkeit, innovativer und bunter sein zu dürfen als im Erwachsenen-Strafvollzug“, sagt sie.

Die Heranwachsenden leben in Wohngruppen, wo sie vielleicht das erste Mal in ihrem Leben Regeln für das Zusammenleben lernten, sie könnten ihren Haupt- oder Mittlere Reife-Abschluss nachholen, einen Beruf erlernen, Sport treiben, Theater oder ein Musikinstrument spielen.

Wasemüllers Vorgängerin Hadmut Birgit Jung-Silbereis, die in den Ruhestand getreten ist, setzte sich dafür ein, dass auch muslimische Gefangene ihre religiösen Feiertage und Gottesdienste begehen können; sie führte eine muslimische Gefängnisseelsorge ein und etablierte zahlreiche Kulturprojekte, darunter die Kulturbühne Werft.

Sichere Gesellschaft als Ziel

Dass die Rückfallquote Untersuchungen zufolge im Jugendstrafvollzug bei etwa 50 Prozent liege, mache ihre Arbeit so interessant: „Wir müssen immer schauen, was wirkt, was passt.“ Die Öffentlichkeit nehme Gefängnisse nur wahr, wenn etwas schief laufe, Insassen ausbrächen, rückfällig würden oder sich das Leben nähmen. Dabei sei die Leitung eines Gefängnisses eine praxisnahe Tätigkeit in einem interdisziplinären Team und mit gesellschaftlichen Auftrag. „Es ist eine große Herausforderung, diejenigen, die nicht freiwillig hier sind, zu erreichen, damit die Gesellschaft sicherer wird.“

Wasemüller studierte Jura in Mainz und Dijon und hat neben dem deutschen Staatsexamen auch einen Abschluss in französischem Recht. Als Studentin gehörte sie der sogenannten „Knastgruppe“ an, die regelmäßig Strafgefangene besuchte. Nach Hessen kam sie, weil sie sich nach eigenen Angaben früh für einen humaneren Strafvollzug interessierte und sich auf die Spuren der Kriminologin Helga Einsele begab. Einsele hatte nach dem zweiten Weltkrieg als Leiterin des Frauengefängnisses Frankfurt-Preungesheim Staatsrechtsreformen durchgesetzt. Unter anderem mussten die Frauen im Gefängnis nicht automatisch ihre Babys abgeben, in Preungesheim gibt es noch heute ein Mutter-Kind-Heim. Als Studentin lernte Wasemüller die Arbeit in einem Praktikum kennen. Bevor sie Jahre später nach Wiesbaden wechselte, hatte sie das Frauengefängnis elf Jahre geleitet, „mit Enthusiasmus und Leidenschaft“. Wasemüller, die heute Mutter einer Tochter ist, sagt, nach so langer Zeit habe sie ein neues Wagnis eingehen wollen, „um nicht betriebsblind zu werden“. Wie der Frauenvollzug sei der Jugendvollzug „etwas Besonderes“ mit dem Unterschied, dass weibliche Gefangene kommunikativer seien und mit niedriger Hemmschwelle eine Frau in einer Leitungsfunktion in Diskussionen verwickelten, während die männlichen Heranwachsenden eher „eine kurze Zündschnur“ hätten.

Die gesetzliche Grundlage für den Jugendstrafvollzug ist Wasemüller nur zu gut bekannt. Als Referatsleiterin im hessischen Justizministerium arbeitete sie am hessischen Jugendstrafvollzugsgesetz mit. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Länder dazu verpflichtet. In Hessen trat es 2008 in Kraft.

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