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Wiesbaden: Kunstprojekt für Obdachlose

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Von: Andrea Rost

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Von Obdachlosen bemalte Fliesen sollen auf Wohnungslosigkeit in Wiesbaden aufmerksam machen. Im Bild links: Kunsttherapeutin Theresa Kreuzmann.
Von Obdachlosen bemalte Fliesen sollen auf Wohnungslosigkeit in Wiesbaden aufmerksam machen. Im Bild links: Kunsttherapeutin Theresa Kreuzmann. © Renate Hoyer

Das diakonische Werk Wiesbaden hat ein Kunstprojekt für Menschen ohne festen Wohnsitz gestartet. Sie bemalen Fliesen und stellen sie in der Stadt aus. Dazu formulieren sie eine ganz persönliche Botschaft.

Balu ist gut drauf, er klatscht in die Hände und lacht. „Hört auf zu denken, fühlt!“, hat er auf eine 15 mal 15 Zentimeter große Fliese mit grauer Farbe geschrieben. Der Spruch sei seine Botschaft an die Gesellschaft, sagt der 47-Jährige, der zurzeit im Übergangswohnheim des Diakonischen Werkes in Erbenheim lebt. „Ich war auf der Straße und habe mich fast zu Tode gesoffen“, erzählt er. „Die Diakonie ist mein Auffangpunkt.“

Balu ist einer von rund 20 Menschen ohne festen Wohnsitz, die sich zurzeit am Kunstprojekt „Hausfliesenbruch“ beteiligen. Alexander Trauten hat das pädagogische Projekt für Obdachlose konzipiert. Er studiert soziale Arbeit und schreibt aktuell an seiner Bachelor-Arbeit. Angeleitet werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Kunsttherapeutin Theresa Kreuzmann. Rohe Fliesen hat sie besorgt und Flüssigglasuren in verschiedenen Farben. Pinsel liegen bereit und Filzstifte.

In der Holzwerkstatt des Übergangswohnheimes haben sich an diesem Nachmittag fünf Männer eingefunden. Paul August nennt sich einer von ihnen. Er will den Grundriss einer 48 Quadratmeter großen Wohnung auf eine Fliese malen. 600 bis 700 Euro müsste er dafür Miete bezahlen, vermutet der 44-Jährige, der seit fünf Jahren ohne festen Wohnsitz ist und Phasen der Depression durchlebt hat. „Das Geld habe ich nicht.“ Er wolle aufmerksam machen, wie schwer es sei, „auf der anderen Seite der Gesellschaft“ zu leben, sagt er. „Wir bräuchten mehr Privatvermieter, die Wohnraum preiswert zur Verfügung stellen.“ Die Teilnahme an dem Projekt „Hausfliesenbruch“ tue ihm gut, sagt Paul August. „Man kann kreativ sein und aktiv im Kopf.“

30 Fliesen sollen bei dem Kunstprojekt insgesamt zusammenkommen. Workshoptermine gebe es nicht nur im Erbenheimer Wohnheim, sondern auch in der Teestube des Diakonischen Werkes in der Wiesbadener Innenstadt, berichtet Alexander Trauten. „Das Interesse ist groß, die Leute wollen auf ihre Situation aufmerksam machen.“

Auf eine neue Art soll das Thema Obdachlosigkeit damit öffentlich sichtbar werden. Im Internet werden die fertigen Fliesen in einem Mosaik gezeigt, versehen mit einem kurzen Text, in dem zu lesen ist, was die Teilnehmenden mit ihrem Kunstwerk zum Ausdruck bringen wollten.

Bei mehr als 1000 Grad werden die fertig bemalten Fliesen außerdem in einem Keramikofen gebrannt, damit sie wetterfest sind und an Hauswänden in Wiesbaden angebracht werden können. Sie werden mit einem QR-Code versehen, der zu den erklärenden Texten verlinkt. Teilhabe an der Gestaltung des öffentlichen Raumes sei damit für Menschen ohne festen Wohnsitz möglich, formuliert Alexander Trauten. Bürger:innen würden auf die obdachlosen Künstler:innen aufmerksam, könnten sich ihnen annähern, ohne nur Defizite im Blick zu haben.

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