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Wiesbaden: Kein Aufbruch für Frauennamen im öffentlichen Raum

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Von: Madeleine Reckmann

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Die Kunstaktion Femorial: Rote Schilder mit Frauennamen hängen unter herkömmlichen Straßenschildern.
Die Kunstaktion Femorial: Rote Schilder mit Frauennamen hängen unter herkömmlichen Straßenschildern. © Michael Schick

Eine Liste mit 60 Vorschlägen liegt vor, aber die Ortsbeiräte bestimmen, wie die Straßen heißen sollen. Daran soll auch nicht gerüttelt werden. Dennoch gibt es Lichtblicke.

Es ist noch ein weiter Weg, bis die Landeshauptstadt entschlossen Straßen und Plätze nach Frauen benennt. Das ist zumindest der Eindruck, den Kim Engels, Vorstandsmitglied des Frauenmuseums, hat. Dabei mangelt es nicht an Vorschlägen. Das Frauenmuseum hat 2021 mit der Kunstaktion Femorial 60 Frauen mit Bezug zu Wiesbaden aufgelistet, die Besonderes geleistet haben und nicht vergessen werden sollten.

Dominanz der Männernamen

Der Aufbruch, den sich Engels erhofft, bleibt wohl aus. „Wir haben gesehen, wie verwurzelt die eher traditionelle Sichtweise ist“, sagt sie. Aber es gebe auch Lichtblicke. Dass es die Diskriminierung fortschreibe, wenn Straßen zu gleichen Teilen Männer- und Frauennamen erhielten, sei inzwischen verstanden worden, sagt Engels.

Das zahlenmäßige Missverhältnis werde aufgrund der bestehenden Dominanz der Männernamen ja fortgesetzt. Engels debattierte kürzlich mit Kulturdezernent Axel Imholz (SPD), Vertreterinnen der Stadtverwaltung und des Stadtarchivs, dem Ortsbeiratsvorsitzenden Guido Haas und einem interessierten Publikum.

Zweimal Brahms

Zuletzt hatte die Umbenennung der Pfitznerstraße in Wiesbaden für Enttäuschung gesorgt. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung 2020 beschlossen hatte, der Straße wegen Pfitzners Verstrickungen in den Nationalsozialismus einen anderen Namen zu geben, entschloss sich der Ortsbeirat Nordost für Johannes-Brahms-Straße, obwohl es 200 Meter entfernt bereits den Brahmsweg gibt.

Die Idee, eine Frau mit dem Straßennamen zu ehren, setzte sich nicht durch. Theo Baumstark (CDU), dem Vorsitzenden des Ortsbeirats Nord-Ost, widerstrebt es auch jetzt wieder, Straßen nach Frauen zu benennen. „Ich würde auch für Männer plädieren, alles mit Maß und Ziel“, sagt er. Straßennamen zu vergeben, obliegt den Ortsbeiräten – eine Aufgabe, die nicht sehr oft wahrzunehmen ist. Die Vertreterinnen der Stadtverwaltung bestätigen, dass es nicht ihre Aufgabe sei, Einfluss auf deren Entscheidung zu nehmen.

Leitlinien für Straßenbenennungen

An der Befugnis des Ortsbeirats möchte Imholz nicht rütteln. „Es ist schön, wenn in den Ortsbeiräten die große Politik außen vor ist“, erklärte er. Dem Gremium zwangsweise Frauennamen vorzuschreiben, wenn mal eine Straße oder ein Platz neu zu benennen ist, möchte Imholz nicht. Das Vorrecht der Namensgebung werde „im Rathaus niemand anfassen“. Eine Alternative wäre, dass sich die Beiräte „auf Leitlinien verständigen“, wie bei Straßenbenennungen vorzugehen sei, schlägt der Dezernent vor.

Stadtarchiv überprüft Namen nach NS-Kontexten

Nur bei Personen, die sich im Nationalsozialismus schuldig gemacht haben, zieht die Stadt die Reißleine. Das Stadtarchiv hat den Auftrag, die vorhandenen Straßennamen nach NS-Kontexten zu überprüfen. Zum Jahresende wird mit Ergebnissen gerechnet. Imholz sieht darüber hinausgehende Namensänderungen kritisch. „Man kann Geschichte nicht einfach löschen“, sagte er.

Kritische Auseinandersetzung mit Geschichte

Er plädiert für eine kritische Auseinandersetzung mit Geschichte, nicht aber für ihr Verschwinden im Straßenbild, auch, um der voranschreitenden Spaltung der Gesellschaft nicht Vorschub zu leisten.

Einige Personen aus dem Publikum sprechen sich für mehr Mut aus. Dort, wo sich Lücken auftun, sollten sie mit einem Frauennamen gefüllt werden, sagt die SPD-Stadtverordnete Susanne Hoffmann-Fessner. Die Benennung der Sophie-Bickel-Straße gilt als Positivbeispiel. Das sei aber auch nur so einfach gewesen, weil die nach der Wiesbadener Sozialarbeiterin aus dem 19. Jahrhundert benannte Gasse ist nur ein Durchgang ohne Wohnadressen. Straßen mit Anwohner:innen umzutaufen, ist laut Stadtverwaltung schwierig, weil die Leute ihre Anschriften und die Verwaltung die Grundbücher und Stadtkarten ändern müssten.

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