Sprengung der Salzbachtalbrücke: Menschen müssen sich jahrelang auf Staus gefasst machen

Verkehrsprobleme in Wiesbaden sind damit nicht gelöst.
Wiesbaden - Wenn heute um die Mittagszeit in Wiesbaden dreimal das Signalhorn trötet und Sekunden später ein lauter, scharfer Doppelknall ertönt, ist sie dahin, die Salzbachtalbrücke. Dann werden sich 15.000 Tonnen Beton in Brocken und Schutt zerlegen.
Viele Menschen in Wiesbaden und der Region werden die Sprengung der 1963 erbauten Spannbetonbrücke herbeisehnen. Hat doch ihr Beinahe-Zusammenbruch am 18. Juni den Pendlerinnen und Pendlern und den Unternehmen nichts als Scherereien gebracht. Noch nie zuvor war eine deutsche Landeshauptstadt für Monate vom bundesweiten Bahnverkehr und vom regionalen S-Bahn-Verkehr abgeschnitten. Die 80.000 Fahrzeuge, die täglich die Autobahnbrücke passierten, bahnen sich seitdem einen Weg durch die Stadt oder außen herum, die Folge sind ewig lange Staus.
Salzbachtalbrücke: Sprengung heute Mittag
Wiesbaden ist, was die Verkehrsverbindung in die Region betrifft, eine gebeutelte Stadt. Die Sperrung der Schiersteiner Brücke über den Rhein nach Mainz 2015 dürfte vielen Menschen wegen monatelanger Verkehrsbehinderungen noch in lebhafter Erinnerung sein. Damals war die Brücke während Bauarbeiten aufgrund eines gekippten Pfeilers abgesackt. 2017 wurde der westliche Brückenteil neu gebaut. Der Verkehr kann seitdem in beide Richtungen rollen. Die Fertigstellung der ganzen Brücke zögert sich aber wegen der Sperrung der Salzbachtalbrücke hinaus. Anstatt wie zuletzt Ende 2021, kann auch der östliche Brückenteil der Schiersteiner Brücke erst Anfang 2023 für den Verkehr geöffnet werden, teilte die Autobahngesellschaft kürzlich mit. Da die über die Brücke verlaufende A643 als großräumige Umleitung dient und aktuell mehr Verkehr als vorgesehen aufzunehmen hat, können die Bauarbeiten für den Anschluss an die Wiesbadener Äppelallee nicht in Angriff genommen werden, heißt es.
Mit dem Fall der Salzbachtalbrücke werden die Verkehrsprobleme also noch lange nicht enden. Frühestens 2023 soll ein Teil der neuen Ersatzbrücke über das Salzbachtal fertig sein. Erst dann können Autos wieder durchgehend auf der A66 von Frankfurt in den Rheingau fahren und umgekehrt. Bis die beiden Brückenteile stehen, wird es noch länger dauern. Die zuständige Autobahngesellschaft des Bundes setzt zwar nach eigenen Worten alles daran, um die unter der Brücke verlaufenden Bahngleise und die Bundesstraße 263 nach der Sprengung schnell vom Schutt freizuräumen. Bis Straße und Gleise wieder in Betrieb gehen können, dauert es dennoch sechs Wochen.
Der Schlamassel geht für viele Personen ins Geld. Christian Gastl, Präsident der Wiesbadener Industrie- und Handelskammer, fordert daher von der Politik, den Sanierungsstau zügig zu beenden. „Es kann nicht sein, dass unsere Unternehmen für die Versäumnisse der Politik die Zeche zahlen“, teilt er mit. Schließlich hätten Dienstleister und Speditionen Umwege einplanen und der Rheingau habe Einbußen im Tourismus hinnehmen müssen.
Salzbachtalbrücke: Wer kommt für die Mehrkosten auf?
Auch wer für die direkten Mehrkosten durch den Schaden aufkommt, steht in den Sternen. Ursprünglich sollte der Neubau der Salzbachtalbrücke 140 Millionen Euro kosten. Nun müssen zusätzlich die Sicherung des baufälligen Bauwerks, Sprengung und Räumung bezahlt werden. Um die Schuldfrage zu klären, seien nach dem Schadensfall umfangreiche Dokumentationen mit von Drohnen aufgenommenen Fotos gemacht worden, hatte die Autobahngesellschaft der FR im September auf Anfrage erklärt. Vier Gutachter:innen seien zum Ergebnis gekommen, dass ein in der Junihitze kollabiertes Rollenlager eines Brückenpfeilers die Ursache dafür war, dass sich Pfeiler schiefstellten und der Überbau verschob. Die beteiligte Baufirma trage keine Schuld.
Wenn heute die Salzbachtalbrücke in die Luft fliegt, müssen sich alle Beteiligten auf die Gutachten verlassen, eine erneute Beweisaufnahme ist nicht möglich. Dem Hessischen Rundfunk mochte die Autobahngesellschaft das Papier dieser Tage nicht aushändigen. Das soll nicht so bleiben. „Eine Veröffentlichung war von Beginn an geplant. Sie wird derzeit abgestimmt und vorbereitet“, teilt ein Sprecher der FR auf Anfrage mit. Die Beratungen zu Ursachen und Hergang der Havarie dauerten an.
Im Falle der Schiersteiner Brücke musste der Bund für den Schaden von acht Millionen Euro aufkommen. Weder der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz noch die beteiligte Baufirma wurden herangezogen. Der Schadensfall sei einfach Pech gewesen, hieß es damals. (Madeleine Reckmann)