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Wiesbaden: Die Aartalbahn kann kommen

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Von: Madeleine Reckmann

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Am Bahnhof Dotzheim sollen Fahrgäste der Aartalbahn mit Ziel Wiesbadener Innenstadt umsteigen können.
Am Bahnhof Dotzheim sollen Fahrgäste der Aartalbahn mit Ziel Wiesbadener Innenstadt umsteigen können. © Monika Müller

Die Machbarkeitsstudie bescheinigt der Strecke großen Nutzen. Bund und Länder können einen Großteil der Kosten übernehmen. Bis zur Inbetriebnahme vergehen aber noch viele Jahre.

Noch ist die Machbarkeitsstudie für die Wiederinbetriebnahme der Aartalbahn nicht komplett fertig. Mit ihrer Veröffentlichung wird für Sommer gerechnet. Aber schon jetzt ist klar, dass im Streckenabschnitt Wiesbaden - Bad Schwalbach der Nutzen die Kosten bei weitem überwiegt und das Verkehrsprojekt öffentlich gefördert werden kann.

Volkswirtschaftlich sinnvoll

Mit dieser guten Nachricht möchten die politisch Verantwortlichen nicht hinter dem Berg halten. Die Machbarkeitsstudie für den südlichen Teilabschnitt hatten die Landeshauptstadt, der Rheingau-Taunus-Kreis und der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) initiiert. Diese Studien müssen bei Infrastrukturprojekten erfolgen, um unnütze Projekte zu verhindern. „Wir haben die Gewissheit, dass die Schiene sinnvoll reaktiviert werden kann“, sagt der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) freudig. Günter Döring (SPD), Verkehrsdezernent des Rheingau-Taunus-Kreises, nennt das Ergebnis sogar einen „Knaller“. Das Gutachten bewertet den Streckenabschnitt mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 2,1. Jeder Wert über eins bedeutet, dass das Vorhaben volkswirtschaftlich sinnvoll ist, wobei Klimaaspekte eingepreist sind. Döring geht davon aus, dass 80 Prozent der Bau- und Planungskosten von Bund und Ländern gefördert werden. Liegt die fertige Machbarkeitsstudie auf dem Tisch, müssen die Kommunen dem Projekt zustimmen. Erst dann kann das Land den Auftrag erteilen, mit den Planungen zu beginnen.

Aartalbahn nach dem Scheitern der Citybahn im Blick

Nachdem die Aartalbahn vor 40 Jahren stillgelegt worden sei und einige Versuche, die Strecke zu reaktivieren, gescheitert seien, gebe es wieder Hoffnung, Bad Schwalbach und Taunusstein mit der Schiene erreichbar zu machen, sagte Döring.

Die Aartalbahn war wieder in den Blick geraten, nachdem die Citybahn von den Wiesbadener Wahlberechtigten im November 2020 abgelehnt worden war. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der Citybahn lag bei 1,5.

Gute Bausubstanz

Die positive Bewertung des ursprünglich 1889 eröffneten und denkmalgeschützten Streckenabschnitts ist der teilweise überraschend guten Bausubstanz von Brücken und Dämmen zu verdanken. Vor allem aber sorgte die Entscheidung, die Bahn nicht zum Wiesbadener Hauptbahnhof zu führen, für finanzielle Entlastung. Dadurch würden aufwendige Umbauten in Richtung Hauptbahnhof vermieden. Denn bis dorthin fehlen einige Hundert Meter Gleise. Die Aartalbahn soll künftig bis zum Bahnhof Wiesbaden-Ost fahren.

Prognosen

Nach derzeitiger Planung soll es auf der 23,7 Kilometer langen Strecke zwischen Wiesbaden-Ost und Bad Schwalbach zehn Haltepunkte geben: Steinberger Straße, Schiersteiner Straße, Dotzheim, Dolomitenstraße, Klarenthal und Chausseehaus, Eiserne Hand, Taunusstein-Hahn, Friedrichstraße und Bleidenstadt.

Die Fahrtzeit von Wiesbaden-Ost nach Bad Schwalbach soll 34 Minuten betragen. An den Wochentagen ist von 5 bis 8.30 Uhr und 13 bis 19.30 Uhr ein Halbstundentakt vorgesehen. Ansonsten soll die Bahn stündlich verkehren. Die Fahrtzeit vom Untertaunus nach Frankfurt verkürzt sich um 20 bis 30 Minuten.

Je nach Streckenabschnitt werden 400 bis 3350 Fahrgäste pro Tag prognostiziert. Etwa tausend Personen steigen vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr um.

Die Endstation Ost hat auch den Vorteil, dass die Fahrgäste dort in die S-Bahnen nach Mainz und Frankfurt umsteigen können und sich ihr Weg deutlich verkürzt. „Wiesbaden-Ost wird zum wichtigen S-Bahn-Knotenpunkt nach Mainz und ins Herz des Rhein-Main-Gebiets“, stellt André Kavai, RMV-Geschäftsführer fest.

Umsteigen am Bahnhof Dotzheim und in der Schiersteiner Straße

Wer in die Wiesbadener Innenstadt will, kann vom Bahnhof Dotzheim aus mit dem Bus im Minutentakt zum Luisenplatz fahren. Leute mit dem Ziel Hauptbahnhof können vielleicht in der Schiersteiner Straße in den Bus umsteigen. Dieser Haltepunkt wird laut Kowol noch geprüft. Die Aartalbahn werde die dramatisch schlechte Verkehrssituation in Wiesbaden etwas verbessern. „Sie ist ein Anfang, der uns in die Lage versetzt, den Verkehr in Wiesbaden neu zu strukturieren“, so Kowol.

Gleise, Schwellen und Schotter erneuern

Die Gutachter fanden heraus, dass Gleise, Schwellen und Schotter erneuert werden müssen. Die Strecke soll eingleisig bleiben und nicht elektrifiziert werden. Damit sich die Züge begegnen können, sollen die Bahnhöfe Taunusstein und Dotzheim ein zweites Gleis erhalten. Vorgesehen ist, Lokomotiven mit Wasserstofftechnik einzusetzen und Bahnübergänge mit moderner Technik auszustatten.

Untersuchungen zur Citybahn nutzen

Bis zur prognostizierten Eröffnung der Strecke in sechs bis sieben Jahren könnte sich die Technik fortentwickelt haben, hofft Döring. Das Gutachten habe auf Erkenntnisse und Untersuchungen zurückgreifen können, die für die Citybahn erstellt worden seien. „Das Geld von damals ist nicht verloren“, betont er. Die Studie geht von Sanierungskosten von 60 Millionen Euro aus. Allerdings steht schon fest, dass mit bis zu doppelt so hohen Kosten zu rechnen ist, da die Gutachter aus formalen Gründen die Preise von 2016 heranziehen müssen.

Strecke bis nach Diez fahrbereit machen

Auch das Land freut sich über das gute Ergebnis der Studie. Es sei eine solide Basis, um die gesamte Strecke bis nach Diez in Rheinland-Pfalz wieder fahrbereit zu machen, teilt Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) mit. Reaktivierungen von Schienenstrecken seien ein wichtiger Beitrag zur klimafreundlichen Mobilität.

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