Wiesbaden: Dezernentenwahl mit ungewissem Ausgang

Fünf Stadtratsposten und eine Bürgermeisterstelle sind zu besetzen. Die Kooperation hat nur zwei Stimmen mehr als die Opposition. Deshalb zittern einige dem Abend entgegen.
Für die Wiesbadener Stadtverordneten der Rathaus-Kooperation gilt am kommenden Dienstag strengste Anwesenheitspflicht. Es steht eine Superwahl an. Fünf Dezernenten und Dezernentinnen und eine Bürgermeisterin sollen in der Sondersitzung des Parlaments gewählt werden. Das ist nicht nur ein Wahlmarathon, der mehrere Stunden in Anspruch nehmen wird, sondern das Viererbündnis von Grünen, SPD, Linken und Volt verfügt nur über eine äußerst knapp Mehrheit von zwei Stimmen. Von den 81 Stadtverordneten entfallen 42 auf das Bündnis. Das macht den Abend spannend.
Die Wahl der Grünen-Politikerin Christiane Hinninger zur Stadträtin im September hatte deutlich gemacht, dass sich das Bündnis nicht auf alle Mitglieder verlassen kann. Damals hatte die Kooperation noch drei Stimmen mehr als die Opposition, weil der Stadtverordnete Lukas Haker (heute Die Partei) der Fraktion der Linken angehörte. Hinninger wurde mit einer Stimme Mehrheit gewählt. Zwei Personen aus dem eigenen Lager versagten die Zustimmung.
Selbstverständlich hat es im Vorfeld innerhalb der Kooperation Gespräche gegeben, um alle KoMitglieder bei der Stange zu halten. Den Kandidat:innen wurde von den jeweils anderen Parteien auf den Zahn gefühlt; die Fraktion Die Linke hat sogar den Wahlgang geprobt. Aber die Wahlen sind geheim. Wie sich einzelne verhalten, ist nicht vorherzusehen. Insbesondere bei der Wahl Hinningers zur Bürgermeisterin bleibt ein flaues Gefühl.
Die Opposition fordert das regierende links-grüne Bündnis mit vier Gegenkandidatinnen und Gegenkandidaten heraus. Die Stimmung in der Stadtverordnetenversammlung ist seit der Kommunalwahl 2021 feindlich aufgeladen. Dass es CDU und FDP nicht gelang, Teil der Rathausmehrheit zu werden, nehmen sie den anderen Parteien immer noch übel.
Offen ist, ob sich die kleineren Oppositionsfraktionen, die zusammengerechnet zwölf Stimmen ausmachen, CDU und FDP anschließen oder sich enthalten. Die Linke kritisiert, dass CDU und FDP auf die Stimmen der AfD setzen, um ihre Ziele zu erreichen.
Vor allem Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) stellt für die Konservativen wegen seiner Politik, die zunehmend auf den öffentlichen Nahverkehr und Fahrräder setzt, ein rotes Tuch dar. Gegen Kowol, der für eine zweite Amtszeit antritt, stellt die CDU den Rechtsanwalt und Fachsprecher für Mobilität, Marc Dahlen, auf. Der CDU-Stadtverordnete André Weck, Mitglied im Sozialausschuss, tritt gegen die SPD-Kandidatin Patricia Eck an, die für das Dezernat Soziales und Wohnen vorgesehen ist. Eck ist promovierte Pädagogin und Wiesbadener Parteivorsitzende und seit vielen Jahren Fachreferentin im Sozialreferat. Weck ist Vorsitzender des Sozialverbands VDK.
Heike Jäger (CDU), Leiterin der Abteilung Haushalt im hessischen Kultusministerium, ist die Konkurrentin von Hendrik Schmehl. Der SPD-Fraktionschef und Fraktionsgeschäftsführer gilt als haushalts- und kulturpolitischer Experte und soll nach dem Willen der Kooperation die Kämmerei und die Ressorts Schule und Kultur übernehmen. Für das Dezernat Gesundheit, Integration und Verbraucher sieht die Kooperation die Linkenpolitikerin Milena Löbcke vor. Es wäre das erste Mal, dass die Linke eine Stadträtin in Wiesbaden stellt. Löbcke war in der hessischen Landtagsfraktion als Referentin tätig. Ihr Kontrahent ist Sebastian Rutten (FDP), Jurist und Geschäftsführer im Pflegesektor.
Da die CDU es ablehnt, einen fünften Stadtratsposten einzurichten, geht Maral Koohestanian (Volt) ohne Gegenkandidaten in die Wahl. Koohestanian ist in der Immobilienbranche mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit betraut und soll auf einer Halbtagsstelle das Dezernat für Ordnung, Statistik, Stadtforschung und Digitalisierung übernehmen.
Laut dem CDU-Parteivorsitzenden Ingmar Jung wird die Opposition für den Fall, dass einer oder eine ihrer Kandidat:innen eine Dezernentenwahl gewinnt, einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin für die Bürgermeisterwahl präsentieren. Ob es so weit kommt, ist offen.