Wiesbaden: Biennale 2022 feiert Unterschiede und Vielfalt

Internationale Tanz-, Multimedia und Musikprojekte über Rassismus, Transgender und imperialistische Politik werden bei der Wiesbaden-Biennale im September gezeigt. Aufführungsort ist das neobarocke Hessische Staatstheater, das Kaiser Wilhelm II. erbauen ließ.
Der Kontrast könnte größer kaum sein. Tanz-, Multimedia- und Musikprojekte, dazu Performances zu aktuellen Themen wie Rassismus, imperialistische Politik und Kriegsführung, Afro-Feminismus, Transgender und Black Lives Matter stehen auf dem Programm der diesjährigen Wiesbaden-Biennale. Viele Veranstaltungen haben einen multidisziplinären Ansatz – bildende Kunst, Musik und Theater fließen ineinander.
Der Ort, an dem die Produktionen gezeigt werden, ist jedoch alles andere als „modern“. Das Hessische Staatstheater mit seiner prunkvollen wilhelminischen Architektur ist quasi ein in Stein gehauenes Statement für das weiße Patriarchat. Für Biennale-Kurator Kilian Engels wird es gerade deshalb zum idealen Ausgangs- und Bezugspunkt nahezu aller Veranstaltungen des zehntägigen Festivals. „Eine Fußgängerzone zu bespielen oder eine leer geräumte Einkaufspassage ist in jeder deutschen Stadt möglich“, sagte er in einem Pressegespräch und spielte damit auf die Biennale vor vier Jahren an, als die Aufführungsorte in der ganzen Stadt verteilt waren. Das Hessische Staatstheater hingegen sei einzigartig. „Die Biennale 2022 ist explizit für dieses Gebäude entstanden“, sagte Engels.
Der 44-Jährige war zuletzt Chefdramaturg am Münchner Volkstheater, hat auch das Festival „Radikal jung“ geleitet. Die Kuratierung der Wiesbaden-Biennale hat er nach dem Unfalltod von Maria Magdalena Ludewig und dem Weggang von Martin Hammer übernommen. Das Kuratoren-Duo hatte das Festival 2016 und 2018 radikal verändert und mit Aktionen im öffentlichen Raum wie dem Aufstellen einer goldenen Erdogan-Statue für Aufsehen gesorgt.
Festival
Die Wiesbaden-Biennale 2022 läuft von 1. bis 11. September. Sie wird gefördert vom Land Hessen, der Stadt Wiesbaden und dem Kulturfonds Frankfurt/Rhein-Main.
Informationen zum Programm gibt es unter www.wiesbaden-biennale.eu. Dort kann man sich auch zu den Mitmach-Angeboten anmelden.
Tickets können an der Kasse des Hessischen Staatstheaters sowie online gekauft werden. aro
Bei der Wiesbaden-Biennale 2022 stehen an elf Festivaltagen 17 internationale Produktionen auf dem Programm. Geplant ist unter anderem die Uraufführung eines interaktiven Film-Projektes des kenianischen Kollektivs „The Nest“. Für den Biennale-Beitrag haben sie mit der Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland und Aktivist:innen im Rhein-Main-Gebiet zusammengearbeitet. Angekündigt ist auch die Performance „Whitewashing“ der französischen Künstlerin Rebecca Chaillon, die unter dem pompösen Deckenfresko des Theater-Foyers die Ambivalenz und die Spannungen schildern wird, denen eine Schwarze Frau in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft ausgesetzt ist.
Der transmaskuline Künstler Samira Elagoz zeigt seine mit dem Silbernen Löwen der Biennale von Venedig ausgezeichnete Performance „Seek Bromance“. Außerdem gibt es einen Auftritt der feministischen chilenischen Frauen-Gruppe „Lastesis“. Sie präsentiert am Eröffnungstag im Kurpark die Produktion „Resistencia“. Bis zu 60 Wiesbadener:innen können daran teilnehmen.
Ein weiteres Projekt, in dem das lokale Publikum eingebunden wird, ist die Opern-Performance der litauischen Künstlerinnen Rugile Barzdžiukaite, Vaiva Grainyte und Lina Lapelyte „Sun & Sea“ (Marina). Sie wird an drei Abenden im Wartburg-Theater gezeigt. Darin mutiert die Bühne zum Strand, wo sich Menschen verschiedener Generationen versammeln. Während sie ihren Badeurlaub genießen, wird musikalisch und mit Kommentaren auf die klimapolitische Weltlage und die Folgen des Massentourismus verwiesen.
Die Frage, ob die Wiesbaden-Biennale einen pädagogischen Anspruch habe, beantwortete Kilian Engels mit einem klaren Nein. Es gehe bei dem Festival ausschließlich um Kunst, sagte der Kurator. „Wir wollen die Unterschiede und die Vielfalt in unserer Gesellschaft feiern.“