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Wie eine Berliner Veranstaltung eine Wiesbadener Institution beleben könnte

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Von: Diana Unkart

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Vanessa Remy ist Projektbeauftragte für das Walhalla und angetan vom morbiden Charme des Hauses.
Vanessa Remy ist Projektbeauftragte für das Walhalla und angetan vom morbiden Charme des Hauses. © Michael Schick

Walhalla-Projektleiterin Vanessa Remy will keine Denkverbote. Ihre Vision vom einstigen Varité-Theater: Ein Haus für alle, in dem immer was los ist.

Vanessa Remy steht im großen Festsaal des einstigen Walhalla-Theaters, blickt an die hohe Rabitz-Decke, von der Putz bröckelt und fragt: „Welche Stadt hat schon so einen Ort?“ Einen Ort, der als Theaterruine, als Lost Place inmitten Wiesbadens bezeichnet und gleichzeitig als Leuchtturm und Identifikationsobjekt apostrophiert wird. Vor gut drei Monaten, am 1. Februar, hat die Kulturmanagerin ihren Job als Projektleiterin für die Entwicklung des Walhalla-Theaters angetreten.

Von außen sieht das 1897 als „Spezialitätentheater mit Grand Restaurant“ eröffnete Haus unscheinbar aus, seine Pracht entfaltet sich im Inneren. Mit seinen stuckverzierten Wänden und Decken, den funkelnden Lüstern und glänzenden Spiegeln trotzt es mit unvergänglicher Eleganz dem Verfall. Es wirkt, als sei das Stimmengewirr, das Lachen der fein herausgeputzten Gäste, der Klang der Stummfilm-Orgel gerade erst verstummt und als warte die Walhalla nur darauf, dass das Leben zurückkehrt. Das soll es auch, recht bald sogar.

Ende des Jahres soll das Nutzungskonzept stehen

Die Zeit drängt. Nicht nur, weil sich der Zustand des Gebäudes, das 2017 wegen Brandschutzmängeln geschlossen wurde, verschlechtert, sondern auch, weil Fördermittel zu verfallen drohen. Derzeit wird europaweit nach einem Architekturbüro gesucht, das versiert ist in der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude und im Bau von Kultur- und Veranstaltungsstätten. Im Sommer soll der Vergabeprozess abgeschlossen und das Walhalla-Team komplett sein, Ende des Jahres dann das Nutzungskonzept stehen, damit im kommenden Jahr mit den ersten Arbeiten begonnen werden kann. Wenn alles läuft wie geplant, könnte das Walhalla 2026 wieder eröffnen. Aber mit welchem Profil?

Diese Frage muss jenes Nutzungskonzept beantworten, an dem Vanessa Remy zurzeit arbeitet. Sie könne auf zahlreiche Ideen und Vorschläge zurückgreifen, erzählt sie. Die Zukunft des Walhalla-Theaters beschäftigt viele Menschen und Initiativen in Wiesbaden. Mit denen hat sich Remy in den vergangenen Wochen ausgetauscht. Was auch immer die neue Walhalla bieten soll, die Voraussetzungen müssen heute gedacht und geschaffen werden. „Wenn beispielsweise Tanz vorstellbar ist, muss die Bühne entsprechend gestaltet werden.“

Vanessa Remy kennt Wiesbaden gut

Wegen des hohen Zeitdrucks beschäftigt sich Vanessa Remy neben der Nutzung gleichzeitig mit baulichen und technischen Themen, mit Brandschutz, Logistik, Barrierefreiheit, Klima- und Denkmalschutz, dabei muss sie die Quartiersentwicklung oder Förderfragen mitdenken. Die Komplexität der Aufgabe habe sie gereizt und bewogen, von Berlin nach Wiesbaden zu wechseln, erzählt sie.

Historie

1897 wurde das „Walhalla Varieté- und Spezialitäten-Theater mit Grand Restaurant“ und 1400 Plätzen eröffnet. Aufgeführt wurden Varietés, Opern und Operetten. Ab 1919 wurde es zu einer Lichtspielstätte.

Das „Bambi -Studio-Kino für anspruchsvolle Filmkunst“ wurde 1950 eingebaut. Ende der 1960er-Jahre öffnete der Club „Big Apple“. Während des Umbaus des Staatstheaters 1975–78 diente das Haus als Ausweichbühne. 1988 schloss es. 2007 erwarb die Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden (SEG) die Immobilie. Bis das Gebäude 2017 wegen Mängeln beim Brandschutz geschlossen wurde, bespielte der Verein D „Walhalla-Theater“ einige Räume.

Nach 2017 existierten mehrere Nutzungskonzepte. Unter anderem wollte die GOP-Gruppe in dem Haus Varieté mit Gastronomie anbieten, sprang aber später ab.

Einem europaweiten Interessensbekundungsverfahren setzte Corona ein Ende. diu

Vanessa Remy kennt Wiesbaden gut. Gebürtig in Limburg hat sie zwölf Jahre in der Stadt gelebt, nach dem Schauspielstudium in Frankfurt am Staatstheater in Wiesbaden debütiert. Später folgten Engagements am Theater am Turm und am Schauspiel Frankfurt bevor sie in den Bereich Öffentlichkeitsarbeit wechselte und unter anderem bei Suhrkamp und im Aufbau Verlag arbeitete und als Programmleiterin des Internationalen Literaturfestivals Berlin tätig war. In der Karl-Marx-Buchhandlung gründete und leitete sie den Kultursalon.

Eine ihrer Prämissen: Es gibt beim Nachdenken darüber, was das Haus dereinst sein könnte, keine Denkverbote. Nichtsdestotrotz hat sie Vorstellungen: Das neue Walhalla-Theater soll die Wiesbadener Kulturlandschaft mit einem eigenen Profil ergänzen. Ins Blaue gedacht sei ein Format wie das „Kulinarische Kino“ denkbar, das während der Berlinale 2007 Premiere hatte und inzwischen von anderen Festivals adaptiert wurde. Wiesbaden habe tolle Programmkinos. Ein weiteres brauche die Stadt nicht. Aber die Kinos, die es gibt, haben nicht die Möglichkeit, eine solche Veranstaltungsreihe umzusetzen. Also warum nicht alle zusammen? Die Wiesbadener Gastronomen, die Kinos, das Walhalla? Das einstige Theater soll ein Haus für alle werden, für alle Generationen, für die freie Szene. Geöffnet von vormittags bis in die Abendstunden könnte es, das ist die Vision, Wiesbadens neuer Place to be werden, ein Ort, an dem sich viele Menschen treffen, weil dort Aufregendes passiert.

Als Elvis in Wiesbaden ausging

Das Haus verfüge über ein hohes Identifikationspotenzial, sagt Vanessa Remy. Als sie vor einigen Wochen wegen des Bahnstreiks ins Taxi stieg, kam sie mit dem Fahrer ins Gespräch, der ihr von seiner Begegnung mit Elvis Presley im Walhalla erzählte. Es entstand die Idee für „Meine Walhalla Geschichte“. Unter dem Stichwort können Erinnerungen, Geschichten, Visionen, Bilder oder Videos eingereicht werden.

„Wir wollen aus den Gremien raus, in die Stadtgesellschaft rein.“ Es soll erkennbar werden: „Das ist ein Ort für euch.“ Vielleicht werden auf die Bauzäune Zitate von Menschen gedruckt, die sich an ihr Walhalla-Erlebnis erinnern, vielleicht gibt es bald eine Internetseite „Neues von der Kulturbaustelle“. Die Menschen, die in der Stadt unterwegs sind, sollen sehen: „Hinter den Kulissen läuft schon mehr, als man denkt.“

Das Walhalla-Theater war Lichtspielstätte und beherbergte später im Keller das Bambi-Kino. Michael Schick (2
Das Walhalla-Theater war Lichtspielstätte und beherbergte später im Keller das Bambi-Kino. Michael Schick (2 © Michael Schick

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