Wasserstoff in Wiesbaden herstellen

Die städtische Gesellschaft in Wiesbaden arbeitet an Strategie. Müllautos und Busse könnten mit dem klimafreundlichen Antrieb fahren. Vielleicht könnte auch die Industrie profitieren.
Für Jürgen Pilz ist es zunächst eine Projektidee. Aber mit dem Zeug, ein Leuchtturmprojekt für die Energiewende zu werden. Wiesbaden könnte bald in die Produktion von Wasserstoff (H2) einsteigen. Laut Bundesregierung kommt Wasserstoff eine Schlüsselrolle bei der Energiewende zu. Wird er klimafreundlich hergestellt, kann er die CO2-Emissionen in Industrie und Verkehr verringern.
Trotzdem gibt sich der Leiter der Hauptabteilung des Energieversorgers Eswe zunächst bescheiden. „Die Idee befindet sich zurzeit in der Evaluierung, es gibt Kriterien zu prüfen: Wirtschaftlichkeit, Wirkungsgrad, ökologische Beurteilung“, nennt Pilz Stichworte. Gemeinsam mit dem privaten Unternehmen Knettenbrech & Gurdulic (K & G) und den städtischen Gesellschaften Eswe Verkehr sowie den Entsorgungsbetrieben ELW arbeitet Eswe Versorgung an einem gesamtstädtischen Konzept zur Wasserstoffproduktion. Der Ausschuss für Umwelt, Klima und Energie hieß diese Pläne einstimmig gut. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie die beste alternative Lösung zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen sind und eine Bewertung auf einer ISO-Norm beruht. „Wasserstoff hat auch Tücken“, sagt Konny Küpper, energiepolitische Sprecherin der Grünen, „das Verhältnis von Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz muss stimmen.“
Sollten die Pläne die Kriterien erfüllen, sollen sie zu einer Wasserstoff-Gesamtstrategie für den Wirtschaftsstandort Wiesbaden zusammengeführt werden, wünscht sich die Politik. Hintergrund ist, dass der nationale Wasserstoffrat fordert, zur Herstellung von Wasserstoff Strom aus zusätzlich errichteten Windkraft- oder Solaranlagen zu verwenden und dass der grüne Wasserstoff dort eingesetzt wird, wo Elektrifizierung von Nachteil ist.
Den Strom für die energieintensive Herstellung des Wasserstoffs soll das im Bau befindliche Müllheizkraftwerk des privaten Unternehmens K & G liefern, wo ein Elektrolyseur als dezentrale H2-Quelle errichtet werden soll. „Den Strom veredeln“, nennt das der Eswe-Pressesprecher Frank Rolle. Das Werk, dessen Fertigstellung für 2024 angekündigt ist, könnte genug Strom erzeugen, um so viel Wasserstoff zu produzieren, dass 250 schwere Fahrzeuge wie Müllautos, Lastwagen oder Gelenkbusse versorgt werden könnten, erklärt Jürgen Pilz. Beabsichtigt ist, mit dem Wasserstoff 140 Gelenkbusse des städtischen Nahverkehrdienstleisters Eswe, 60 Müllfahrzeuge von Knettenbrech & Gurdulic und 40 ELW-Lastwagen zu betanken. ELW bestellt gerade ein erstes Müllfahrzeug, das mit einem Wasserstoffantrieb fährt. Eswe-Verkehr hat schon mehrere Busse im Einsatz. Aber das sei nur die „Keimzelle der Idee“, sagt Pilz.
„Wir denken darüber nach, ob weitere Industrie ortsnah angesiedelt werden kann, um den Wasserstoff zu nutzen“, fügt er vorsichtig an. Das neue Müllheizkraftwerk, das bei der Ankündigung für seinen Bau 2018 herber Kritik ausgesetzt war, wird in der Nähe des Industrieparks Infraserv gebaut. Eventuell könnten dortige Unternehmen profitieren. Es sollen Fördermittel vom Bund beantragt werden.