Von Schönheiten und Schmuddelkindern

Architekturführung mit Christopher Schwarz zu sieben Plätzen der Stadt, die nicht alle gelungen sind. Dass eine gute Gestaltung von Plätzen und deren Aufenthaltsqualität wichtig ist, zeigt nicht zuletzt die Corona-Pandemie.
Der Platz wirkt ein bisschen wie die traurige Prinzessin, nach der er heißt. Luise von Sachsen-Hildburghausen galt als große Schönheit. Ihre Ehe mit dem autokratischen Herzog von Nassau verlief jedoch unglücklich, Wilhelm I. tyrannisierte seine Familie. Luise starb 1825 mit nur 31 Jahren, kurz nach der Geburt des achten Kindes. Fünf Jahre später ließ der Herzog den Luisenplatz anlegen.
Das Areal zeichnet sich durch seine eindrucksvolle, klassizistische Gestaltung und guten Proportionen aus. Zudem liegt er zentral und weist mit der Bonifatiuskirche einen echten Blickfang auf. Dennoch bleibt er ungeliebt und unbelebt. „Der Luisenplatz ist ein gutes Beispiel für die Machtlosigkeit der schönen, leeren Form“, sagt der Journalist und Architekturkenner Christopher Schwarz.
Der gebürtige Wiesbadener reist eigens aus Köln an, um Interessierten einen neuen Blick auf sieben Plätze in Wiesbaden zu eröffnen. „Platz da! Wie schafft man schöne, lebendige Plätze?“, heißt die Erkundungstour. Plätze erfüllen nur dann ihre Funktion, wenn Leute gern dorthin gehen, um sich zu treffen, erläutert Schwarz. „Gute Plätze sind Bühnen und wir sind Akteure und Zuschauer zugleich.“
Die nächste Tour
Tür und Tor sind Thema der Architekturführung „Hier geht’s rein! Der Eingang – die Ouvertüre des Hauses“ am Sonntag, 17. Oktober, um 10 Uhr mit Christopher Schwarz in Wiesbaden.
Erwachsene zahlen 22 Euro, Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren 5 Euro.
Weitere Touren , Informationen und Anmeldung unter: cult-touren.de miu
Der Mauritiusplatz bringt einige Voraussetzungen für das Funktionieren eines Platzes mit. Sieben Straßen führen auf ihn zu und es herrscht zumindest tagsüber viel Betrieb. Dennoch war er laut Schwarz lange Zeit das „Schmuddelkind“ der Stadt. Schuld waren nicht nur das damals nahegelegene Rotlichtviertel, der ebenfalls verschwundene große Sexshop und ein Fastfood-Restaurant. 1968 baute der Karstadt-Konzern am Mauritiusplatz ein neues Warenhaus. Dafür ließ er drei Prachtbauten aus den Jahren 1892 bis 1908 abreißen, die längst dem Konzern gehörten: die ehemaligen Kaufhäuser Bormass und Blumenthal sowie das einstige Modehaus Schneider.
Diese Kaufhauskästen aus den 1960ern und 1970ern sprengen in den Innenstädten die Formate, sagt Schwarz. „Das ist so, als würde man der Stadt eins in die Fresse hauen.“ Inzwischen machen die Bänke um die Bäume und die Wasserspiele den Mauritiusplatz etwas wohnlicher, und auch die Treppe wird zum Sitzen genutzt. Dass eine gute Gestaltung von Plätzen und deren Aufenthaltsqualität wichtig ist, zeigt nicht zuletzt die Corona-Pandemie, durch die viele Innenstädte in die Krise geraten sind.
Wie schön der Kaiser-Friedrich-Platz einmal aussah, lässt sich beim Anblick der alten Fassaden des „Nassauer Hofs“ erahnen. Der ursprünglich sehr gelungene Platz wirkt heutzutage jedoch unbelebt und sinnlos. Das liegt zum einen daran, dass der früher hufeisenförmig umbaute Platz nach mehreren Seiten hin geöffnet wurde. Zum anderen liegt es am Apartmenthaus „Vier Jahreszeiten“, das Ende der 1950er Jahre anstelle des gleichnamigen, im Krieg zerstörten Grand Hotels errichtet wurde. Das Haus ist Architekturkenner Schwarz zufolge zu hoch und seine Rasterfassade passt nicht ins Ensemble. „Es schaut auch nicht auf den Platz, sondern zeigt ihm die kalte Schulter.“
Das „Bowling Green“ gegenüber lobt er: „Die Bildwirkung ist gewaltig und funktioniert auch auf die Entfernung.“ Städte konkurrieren heute miteinander damit, dass sie Bilder produzieren, erläutert Christopher Schwarz. „Man muss nur das Kurhaus zeigen und jeder weiß: Aha, Wiesbaden.“
