Vom Kaiser bis zu Gerhard Schröder - Die Wiesbadener Maifestspiele im Wandel der Zeit.

Ausstellung „Vorhang auf!“ widmet sich der Geschichte des renommierten Musikevents in den 125 Jahren.
Kaiser Wilhelm II. darf in der Ausstellung „Vorhang auf!“ zum 125-jährigen Bestehen der Internationalen Maifestspiele natürlich nicht fehlen. Es war der Wunsch des Kaisers, in seiner Lieblingskurstadt Wiesbaden, in der er sich im Mai zu erholen pflegte, Festspiele nach dem Vorbild der Bayreuther Festspiele zu etablieren. In der Ausstellung in den Kurhauskolonaden begegnet der Kaiser den Besucher:innen mit Gattin und Tochter im Gefolge gleich nach dem Eintritt in mannshoher Silhouettenfigur. Zwei Jahre nachdem der Theaterbau fertiggestellt war, organisierte der preußische Hofbeamte Georg von Hülsen 1896 das erste Musikfest.
Die Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden eröffnet zeitgleich mit den diesjährigen Internationalen Maifestspielen ihre Jubiläumsausstellung. Sie war ursprünglich für das vergangene Jahr geplant, wurde aber wie die Festspiele coronabedingt verschoben. Wer vor den Opernaufführungen Zeit hat, kann sich gegenüber des Theaters ansehen, wie die Maifestspiele sich seit Kaisers Zeiten wandelten. In minutiöser Kleinarbeit hat die Kuratorin Vera Klewitz Erinnerungsstücke, Requisiten, Garderoben, Fotos und Gemälde aus der Theater- und Bühnenwelt zusammengetragen, um die jeweiligen Epochen anschaulich zu präsentieren. Manche Ausstellungsstücke kamen in den Maifestspielen zum Einsatz, andere stammen aus anderen Städten und beschreiben den Zeitgeist. Für die Kaiserzeit steht auch ein „Debütantinnenkleid“ aus einer Stuttgarter Modesammlung, weiß und mit Spitzen. Es sei vorgeschrieben gewesen „ein halbhohes Dekolleté zu tragen“, berichtet Klewitz.
Öffnungszeiten
Die Ausstellung „Vorhang auf!“ – 125 Jahre Internationale Maifestspiele ist von Sonntag, 1. Mai, bis 3. Juli in den Kurhauskolonnaden, direkt gegenüber des Hessischen Staatstheaters, zu sehen. Die Adresse lautet Bowling Green, Kurhausplatz 1.
Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr, Donnerstag und Samstag von 10 bis 21 Uhr. Der Eintritt kostet 7 Euro, 5 Euro ermäßigt.
Der Begleitkatalog „Vorhang auf! 125 + 1 Jahre Internationale Maifestspiele“ wird von der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden herausgegeben und kostet 28 Euro. Er umfasst 200 Seiten und enthält 170 farbige Abbildungen.
Wer möchte, kann Bühnenkostüme anprobieren. Auch sonst ist die Ausstellung lebhaft gestaltet. Es gibt Hör- und Filmstationen. An ausgewählten Tagen plaudern als historische Persönlichkeiten verkleidete Menschen aus dem Nähkästchen. Die Ausstellung räumt aber auch mit so manchem Mythos auf. Der berühmte Opernsänger Enrico Caruso trat nicht anlässlich der Maifestspiele in Wiesbaden auf, stellt Klewitz klar, sondern im Oktober 1908. Er soll zudem vom Balkon des Palasthotels für das Volk Rigoletto gesungen haben.
Die Ausstellung ist in vier Themenbereiche untergliedert. Der erste endet 1914 mit Beginn des ersten Weltkriegs; die Festspiele werden 1928 wieder aufgenommen. Da herrscht ein anderer Wind als in der Kaiserzeit. Die Bühnenbilder werden sachlicher. Intendant Paul Bekker lässt Einakter des Komponisten Ernst Krenek aufführen, das den italienischen Diktator Mussolini als tragische Figur darstellt und den Boxer Max Schmeling als Held. Beide begegnen den Besucher:innen als Silhouettenfiguren. Bei dem konservativen Publikum kommt so etwas nicht gut an. Unter Bekkers Nachfolger Carl von Schirach, Vater des späteren Reichsjugendführers Baldur von Schirach, werden die Maifestspiele dem Diktat der Reichskulturkammer unterstellt und mit Kriegsbeginn 1939 nicht mehr veranstaltet.
Von 1950 an werden die Maifestspiele zu den Internationalen Maifestspielen, Völkerverständigung ist Auftrag. Solisten und Ensembles aus der ganzen Welt werden eingeladen, auch aus dem Ostblock. Maria Callas tritt 1959 auf, ein Foto zeigt, wie herzlich sie in einem Wiesbadener Hotel empfangen wird. Der weltbeste Balletttänzer Rudolf Nureyev tanzt sich in die Herzen, nachdem er 1961 nach Auftritten in Paris nicht in die Sowjetunion zurückkehrt. Die Abendgarderobe verdeutlicht, wie stark sich die Gesellschaft verändert. Für die 1950er Jahre steht ein cremefarbenes Abendkleid mit ausladendem Rock, in Wiesbaden geschneidert, in Paris mit Perlen bestickt, das von einer Frau der Familie Thonet auf den Maifestspielen getragen wird. Gegen Ende der 1960er Jahre sieht der Chic moderner aus: Ein schlichtes schwarzes Kleid mit einem Rock, in den weiße Kreise eingewebt sind.
Nach der Wende 1989 ist der gesellschaftliche Auftrag nicht mehr klar. Aber mitunter erweisen sich die Aktionen hellsichtiger als damals erkannt. Weil der Moskauer Regisseur Kirill Serebrennikov 2017 zur Aufführung seines Stücks „Who is happy in Russia?“ nicht ausreisen darf, platziert der Intendant des Wiesbadener Staatstheaters Uwe Eric Laufenberg ein Double von Gerhard Schröder vor das Theater. Laufenberg bietet dem russischen Staatschef Putin an, Serebrennikov gegen die Geisel Schröder, der passenderweise ein Gazprom-T-Shirt trägt, auszutauschen.

