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Radfahren lebensgefährlich

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Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – vor allem, wenn Schüler in Wiesbaden Rad fahren. Oft bieten sich Schleichwege an.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – vor allem, wenn Schüler in Wiesbaden Rad fahren. Oft bieten sich Schleichwege an. © Michael Schick

Es gibt keine fahrradfreundlichen ausgewiesenen Routen durch Wiesbaden, keine durchgehende Beschilderung und auch nicht genug Abstellplätze. Das Projekt „Schleichwege“ soll sichere Schulwege aufzeigen – doch der Plan geht nicht auf.

Von Bastian Beege

Wenn es ums Thema Radfahren geht, hängt Wiesbaden noch in der Steinzeit fest – diesen Vorwurf musste auch Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) am Montag wieder einmal über sich ergehen lassen, wenn auch wissenschaftlich verklausuliert: „Der Radverkehrsanteil liegt bei 5 Prozent“, doziert Annika Busch-Geertsema von der Uni Frankfurt. „Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt sind es 10 Prozent, in Frankfurt sogar 11.“ Für die schonungslose Interpretation dieser Zahlen sorgt Thomas Fuchs vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC): „Wiesbaden ist extrem rückständig.“

Soll heißen: Es gibt keine fahrradfreundlichen ausgewiesenen Routen durch die Stadt, keine durchgehende Beschilderung und auch nicht genug Abstellplätze. Besonders leidtragend sind Kinder und Jugendliche. Um denen einen sicheren Schulweg mit dem Fahrrad zu ermöglichen, hat der Schulsportverein vor einigen Jahren das Schleichwege-Projekt initiiert: Freiwillige haben inzwischen den kompletten Innenstadtbereich abgefahren und sämtliche Straßen – 380 an der Zahl – in Kategorien eingeteilt: Von grün (empfehlenswert) über orange bis hin zu rot (gefährlich). Eine in diesen drei Farben skalierte Straßenkarte wurde jetzt auf der Internet-Homepage des Rathauses veröffentlicht. Der Hintergedanke: Eltern stellen gemeinsam mit ihren Sprösslingen deren optimalen Fahrradschulweg zusammen – an den Gefahren-Hotspots vorbei, auf Schleichwegen eben. „Eine tolle Sache“, lobt der OB angesichts der Tatsache, „dass der Anteil der Kinder, die auf der Straße verunglücken, nach wie vor viel zu hoch ist.“

Doch ein Blick auf den bunten Straßenplan zeigt sofort, dass die Rechnung nicht aufgeht: Denn der Innenstadtbereich ist von vielbefahrenen Hauptverkehrsachsen und Umgehungsstraßen durchzogen, denen zu entkommen praktisch unmöglich ist – die Schüler sitzen förmlich in der Falle. „Keine Frage: Hier lässt man seine Kinder nicht gern Radfahren“, urteilt Thomas Fuchs. Ein junger Lehrer der Elly-Heuss-Schule kann das bestätigen: „Nur 8 von 1400 Schülern kommen bei uns regelmäßig mit dem Rad zu Schule – das zeigt, wie gefährlich das hier ist.“ Und sein Kollege Jan Prediger fordert in die Richtung von OB Müller: „Der Schleichwege-Plan ist nicht die Lösung der Probleme – sondern Planungsgrundlage.“

Helmut Müller verteidigt sich. Ja, es müssten Lösungen gefunden werden, die großen Verkehrsachsen zu überqueren. Ja, es gebe noch ein paar Nüsse zu knacken. Nein, man sei nicht tatenlos gewesen in der Vergangenheit – habe man nicht gerade rund um den Hauptbahnhof vorzügliche Arbeit geleistet? Und überhaupt: Das es in Wiesbaden so wenig Radfahrer gäbe, liege ja wohl auch an der Topographie – heißt: Zu bergig.

Der ADFC fordert derweil einen umfassenden Radverkehrsplan für die Stadt, wie es ihn sonst inzwischen überall gibt. „Zusammenhanglose Einzelaktionen wie zuletzt am Bahnhof reichen nicht mehr aus“, so Fuchs. Und Busch-Geertsema setzt noch einen drauf: „Die Berge in den Köpfen der Politiker sind das Problem.“

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