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Ornithologe empfiehlt, in Wiesbaden Nilgänse zu schießen

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Von: Madeleine Reckmann

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Oliver Weirich bei der Beobachtung der Nilgänse in der Herbert-Anlage.
Oliver Weirich bei der Beobachtung der Nilgänse in der Herbert-Anlage. © Michael Schick

Der Bestand der Vögel in der Stadt soll sich reduzieren, weil die Tiere Parks und Wege verkoten. Der Königsweg ist die Vergrämung durch Hecken. Doch das ist nicht überall erlaubt.

Zwei Jahre lang hat Oliver Weirich Woche für Woche die Nilgänse in der Wiesbadener Innenstadt beobachtet, sie gezählt und ihr Verhalten studiert. Er hat ihre Brut-und Mauserplätze in sechs Parkanlagen in der Stadt analysiert und die Lebensdramen der Nilgänse aufgezeichnet. Dabei ist der Diplombiologe zu der Erkenntnis gelangt, dass die ursprünglich aus Afrika stammenden Wasservögel die Wiesbadener Bestände der Stockenten, Teichhühner und Blesshühner nicht dezimieren. Diese Frage ist von politischer Bedeutung. Denn die Nilgans steht auf der Liste der invasiven Arten der Europäischen Union. Aus Weirichs Sicht zu Unrecht, weil sie wegen den unproblematischen Miteinanders mit anderen Wasservögeln nicht das Kriterium erfüllt, einheimische Arten zu gefährden.

Traumhafte Bedingungen für Nilgänse

Dennoch möchte der 45 Jährige, der auch Biologielehrer an der Wiesbadener Humboldtschule ist, die Zahl der Nilgänse in Wiesbaden reduzieren. Im Sommer hat Weirich 200 Nilgänse zwischen Hauptbahnhof und Dietenmühlenweiher gezählt. Zwei Drittel davon würden zur Mauser nach Wiesbaden ziehen, weil sie dort traumhafte Bedingungen vorfinden: saftigen Rasen an Wasserflächen. Die Zahl von 50 Nilgänsen hält er für vertretbar.

Seine Ansicht über die Wasservögel widerrufen

Weirich ist Arbeitskreisleiter der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz in Wiesbaden und im Taunus und anerkannter Experte für Nilgänse. In der renommierten Zeitschrift „Vogelwarte“ veröffentlichte er mit dem Co-Autor Witico Heuser seine Erkenntnisse über die Nilgänse. Weirich wirkt zerknirscht, als er erläutert, dass er seine Ansicht über diese Wasservögel widerrufen muss. 2019 habe er die Nilgänse als Bereicherung für das Tierleben in der Stadt empfunden. Inzwischen möchte er es ihnen möglichst ungemütlich machen, damit sie die Stadt verlassen. Als Grund nennt er ihre Hinterlassenschaften auf Rasenplätzen und Wegen. Weirich spricht sogar von „letaler Vergrämung“; einzelne Vögel sollten in den Parkanlagen geschossen werden, damit die ganze Gruppe lernt, dass der Platz gefährlich ist und das Weite sucht.

Verschmutzung macht Ballspiel unmöglich

„Mein Schlüsselerlebnis war, als eine alte Frau mir erzählte, dass sie auf dem Hauptweg im Kurpark nicht mehr spazieren geht, weil sie sich nicht bücken kann, um den Rollator danach zu säubern“, berichtet Weirich. Die Beschwerden über die große Mengen Vogelkots auf dem Rasen im Kurpark, am Warmen Damm, in den Reisinger Anlagen und anderen Parks gehen Weirich inzwischen nahe. „Es kann doch nicht sein, dass Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen den Park meiden“, sagt er. Seine Schüler erzählten, dass sie im Park nicht Ball spielen könnten, weil der Ball so schmutzig werde. „Die Leute beschweren sich zu Recht“, sagt Weirich und betont, dass die starke Vermehrung der Nilgänse „Ausdruck menschlichen Fehlverhaltens“ sei. Die Vögel seien in den 1960er Jahren aus privater Haltung in den Niederlanden ausgebüxt. Ihre Nachkommen seien über Belgien nach Deutschland gekommen.

Hecken um den Weiher

Weirich schlägt vor, das Fütterungsverbot stärker durchzusetzen. Viele Menschen fütterten die Vögel, was denen das Leben zu leicht mache. Auch andere gute Bedingungen könne man ändern, etwa am Dietenmühlenweiher. Nilgänse lieben Plätze, wo sie Gras zum Fressen und ein Gewässer finden. Wenn sie ihre Federn wechseln, können sie für einige Wochen nicht fliegen, der kleine Weiher ist ihr Rückzugsort, in den sie sich bei Gefahr retten. Deshalb schlägt Weirich vor, wie im Frankfurter Ostpark um den Dietenmühlenweiher einen halben Meter hohe Hecken anzulegen, damit den Nilgänsen der Fluchtweg ins Wasser versperrt ist. Das würde den Platz für sie unattraktiv machen.

Braten und essen

Da der Kurpark jedoch als englischer Landschaftsgarten geschützt ist, sind dort solche Anpflanzungen nicht erlaubt. Weirich empfiehlt als „letztes Mittel“ im Rahmen der Gefahrenabwehr den Abschuss einiger Vögel im Spätsommer und Frühherbst. „Das würde ihren Abflug ins Umland vorziehen“, so Weirich, und vielleicht dazu führen, dass sie die Plätze künftig meiden. Auch den Abschuss stellt Weirich unter eine Bedingung: Das Fleisch der Nilgans sollte verwertet, also gebraten und verspeist werden.

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