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Museum Wiesbaden gewährt Einblicke in die Architektur des Tierreichs

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Von: Diana Unkart

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Die Töpferwespe baut Bruttöpfchen, die Amphoren ähneln. Im Hintergrund erklärt Kuratorin Lisa Schwarz Details zur Ausstellung. M. Schick
Die Töpferwespe baut Bruttöpfchen, die Amphoren ähneln. Im Hintergrund erklärt Kuratorin Lisa Schwarz Details zur Ausstellung. M. Schick © Michael Schick

Der Mensch als bedeutender Baumeister? Mitnichten. Die Ausstellung „Leben aus Lehm“ zeigt, dass kleine Lebewesen die größten und ausgefeiltesten Bauwerke erschaffen.

Die Tiere haben den Menschen einiges voraus. Während sie seit Millionen Jahren Lehm als Baustoff zu schätzen wissen, kam der Mensch erst vor ungefähr 9000 Jahren auf die Idee, mit Lehm zu bauen.

Die Studienausstellung „Leben aus Lehm“ im Museum Wiesbaden zeigt vom 19. März bis 17. September einen Querschnitt durch die Natur- und Kulturgeschichte des Lehmbaus. Beim Rundgang durch die Ausstellung wird das Material zunächst aus geologischer Sicht betrachtet. Was ist Lehm und warum eignet er sich als Baumaterial? Das Gemisch aus Mineralkörnern unterschiedlicher Durchmesser lässt sich im feuchten Zustand gut formen. Ist Lehm getrocknet, ist er hart wie Stein und bleibt stabil. Die Eigenschaften des Lehms machen sich Termiten seit mehr als 20 Millionen Jahren zunutze. Ihre Bauten können im Verhältnis zu ihrer Körpergröße als die größten der Erde gelten.

Die Insekten sind die vielleicht kleinsten Lehmbauer, ihre Bauten aber sind gigantisch und ausgefeilt. Die Ausstellung „Leben aus Lehm“ holt sie aus dem Verborgenen. Sie zeigt unter anderem vielfach vergrößerte Insektenmodelle und Originalbauten der Tiere. Im Zentrum der Ausstellung steht die Töpferwespe mit ihren Bruttöpfen. Die befinden sich verborgen an Pflanzen-stängeln oder Steinen. Die Wespe trägt feuchte Lehmkugeln heran und baut daraus die etwa einen Zentimeter großen Zellen, die Amphoren ähneln.

Auch Vögel nutzen Lehm als Baumaterial. Bekannteste Lehmbauer in Deutschland sind die Schwalben. Die Singdrossel kleidet das Nest mit Lehm aus, damit es eine glatte Oberfläche bekommt. Töpfervögel, der Name verrät es, sind Meister im Lehmbau. Klümpchen für Klümpchen schaffen sie herbei, setzen daraus das Nest zusammen, glätten und polstern es. „Die Gestaltungskraft und die Erfindungsgabe der Natur kann man nur demütig bestaunen“, sagt Museumsdirektor Andreas Henning.

Seit Jahrtausenden nutzt auch der Mensch Lehm, um Kunst- und Gebrauchsgegenstände zu fertigen oder Behausungen zu erschaffen. In der Ausstellung ist das Modell eines quaderförmigen Gebäudes der Siedlung Catalhöyük zu sehen. Catalhöyük gilt als ältesteste Großsiedlung der Welt.

„Betrachtet man die unterschiedlichen Bauwerke nebeneinander, stellt man fest, dass die Grundtechniken bei Mensch und Tier ähnlich sind“, erläutert Lisa Schwarz. Sie hat die Ausstellung zum Abschluss ihres wissenschaftlichen Volontariats kuratiert. „Das schichtweise Auftragen und Modellieren des Materials sowie Anreicherung, Magerung zur Steigerung der Stabilität und zur Verminderung der Rissbildung sind bei Mensch und Tier zu beobachten.“

Während der Lehmbau in Europa und Deutschland in Vergessenheit geraten war, stößt die Rückbesinnung auf alte Baumethoden und -materialen inzwischen wieder auf zunehmendes Interesse.

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