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Materialmangel trifft das Handwerk hart

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Lange Lieferzeiten verzögern Arbeiten. Betriebe führen Lagerhaltung wieder ein.

Trockenbauplatten, Türen und Metallprofile seien derzeit schwer zu kriegen, stöhnt Stefan Füll. Die aktuelle Materialknappheit mache sich in seiner Malerwerkstatt in Wiesbaden, die auch Komplettsanierungen und Trockenbauarbeiten anbietet, stark bemerkbar. Das bremse die energetische Gebäudesanierung gerade aus. Wenn die Politik demnächst neue Programme für Gebäudedämmung auflege, werde es ganz eng, meint Füll.

Für Styropor-Dämmplatten gebe es gerade eine Lieferzeit von sechs Wochen, für Mineralwolle von vier Wochen, auf Türzargen habe er schon vier Monate gewartet. Früher seien diese Materialien innerhalb eines Tages erhältlich gewesen. „Dachausbauten kriegen wir zurzeit nicht hin“, sagt Füll. Er geht davon aus, dass sich die Lage erst im Frühjahr 2022 normalisiere.

Füll, der auch Präsident der Wiesbadener Handwerkskammer (Hwk) ist, erzählt, was er über die Ursachen weiß. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene weltweite Produktionsstopp wirkten nach und zögen einen Rattenschwanz von Wirkungen nach sich. Da weniger Flugzeuge starten konnten, gebe es weniger Farbeimer, um die Farbe abzufüllen, denn die Eimer würden aus dem Restkerosin hergestellt. Zudem fehle es an Rohstoffen für die Farben, die im Ausland produziert würden. Bis Werke, die wegen Corona geschlossen hatten, ihre Produktion wieder hochfahren könnten, dauere es einige Zeit. Oft fehle das Personal.

Der Mangel wirke sich in allen Gewerken aus. „Elektriker bekommen die Kabel nicht bei“, berichtet Füll. Kfz-Werkstätten warteten lange auf Ersatzteile. Schreiner könnten für den Küchenausbau keine Einbaugeräte besorgen. Trotz voller Auftragsbücher meldeten Dachdecker Kurzarbeit an. Die Gerüste stünden länger an den Häusern, weshalb die Bauherren und Bauherrinnen mit höheren Kosten zu rechnen hätten. „Es kommt zu halbfertigen Sachen, das bedeutet Mehrkosten“, erklärt der Hwk-Präsident.

Manche Handwerker führten die Lagerwirtschaft wieder ein, nachdem sie vor Jahren ihre Lager verkleinert oder abgeschafft hätten, weil die Just-in-time-Lieferung gut funktionierte. Ähnlich wie damals beim Klopapier verknappe die Lagerwirtschaft das Material für die anderen. Vorratshaltung bedeute aber auch, dass die Handwerker liquide sein müssten, denn das Material werde im Voraus bezahlt und könne erst später der Kundschaft in Rechnung gestellt werden.

Theo Baumstark gehört zu den Unternehmern, die ihre Lager jetzt füllen. „Für unseren Notdienst müssen wir bestimmte Artikel greifbar haben“, sagt der Inhaber des gleichnamigen Haustechnikbetriebs in Wiesbaden. Kürzlich habe er für eine 500 Meter lange Kanalleitung die Rohre bei vier Händlern kaufen müssen – zu unterschiedlichen Konditionen –, um den Auftrag fristgemäß abschließen zu können. Der Bagger habe bereit gestanden, also habe er sich ans Telefon gehängt.

Die Lieferzeit für Heizkörper betrage jetzt drei bis vier Monate anstatt sechs Wochen. Gerade habe er einen größeren Ölkessel als den bestellten einbauen müssen, damit der Kunde nicht frieren müsse. Der Hersteller habe zwar den Kessel gehabt, aber ohne Elektronikbauteile. Weil der Auftrag langfristig bestellt war, habe der Hersteller den Aufpreis gezahlt. Eine Ausnahme, wie Baumstark sagt.

Für ein renommiertes Autohaus habe er großflächige Fliesenarbeiten bis Weihnachten zugesagt. Dass ausgerechnet ein banaler Artikel wie eine Metallschiene, die plötzlich vier Wochen Lieferzeit habe, die Frist dann ins Wanken bringen könne, habe er nicht vorausgesehen. „Wir machen jetzt Klimmzüge“, erklärt Baumstark. Der Ablauf der verschiedenen Arbeiten werde nun umgestellt, um den Termin einhalten zu können.

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