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Hessen: Mehr queerfeindliche Attacken

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Von: Gregor Haschnik

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Bei Teilen der Community herrscht Misstrauen gegenüber der Polizei.
Bei Teilen der Community herrscht Misstrauen gegenüber der Polizei. © Peter Jülich

Das Landeskriminalamt registriert höhere Fallzahlen. Derweil werden hauptamtliche LGBTQI+-Beauftragte bei der Polizei gefordert.

Die Zahl der erfassten Straftaten gegen lesbische, schwule, bi-, trans-, intersexuelle und queere (LGBTQI+) Menschen in Hessen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Nach Angaben des hessischen Landeskriminalamtes (HLKA) wurden 2018 sieben Fälle gezählt, 2019 zwölf und ein Jahr später 23. Meistens ging es um Beleidigung, Volksverhetzung und Körperverletzung, zum Teil gefährliche.

Das geht aus der Antwort von Innenminister Peter Beuth (CDU) auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Christoph Degen und Tobias Eckert (beide SPD) hervor. Das LKA teilte der Frankfurter Rundschau auf Anfrage mit, dass die Statistik für das letzte Jahr 34 Fälle ausweise.

Sie gehören zur sogenannten Hasskriminalität in Bezug auf „sexuelle Orientierung“ und „sexuelle Identität“, wobei der zweite Bereich erst seit 2020 ausgewiesen wird. Deshalb – und weil viele queerfeindliche Angriffe nicht angezeigt oder als solche erfasst werden – gehen Expert:innen, etwa vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD), und die Innenministerkonferenz von einer hohen Dunkelziffer aus.

Die Aufklärungsquote bei den zuletzt registrierten Fällen beziffert das HLKA auf 50 Prozent im Jahr 2019, 22 Prozent im darauffolgenden Jahr und 41 Prozent im vergangenen Jahr.

2010 hat das Land angefangen, in Polizeibehörden Ansprechpartner:innen „für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ (AgL) zu ernennen. Intern, so das LKA, sollten sie Mitarbeitende zum Beispiel auf dem Weg zu einem „Coming-Out“ oder bei einem Verdacht auf Diskriminierung begleiten. Extern stünden sie zur Verfügung, um bei Einsätzen Hinweise für „ein queersensibles polizeilich notwendiges Einschreiten“ zu geben. Ein weiteres Aufgabenfeld sei die Aus- und Fortbildung. Laut Beuth gibt es in den hessischen Behörden derzeit insgesamt 13 AgL, in den Polizeipräsidien Frankfurt, Südosthessen und Nordhessen jeweils zwei, in den anderen, darunter Mittelhessen und Westhessen, je eine Kontaktperson. Sie üben diese Tätigkeit alle lediglich nebenamtlich aus, anders als zum Beispiel ihre Kolleg:innen in Berlin.

Dort und in Leipzig haben auch die Staatsanwaltschaften AgL. In Hessen hält der Innenminister dies für verzichtbar: Die Verfahren würden auch so sachgerecht bearbeitet, zumal meistens Sonderdezernate, etwa für Sexualdelikte, zuständig seien. Die Amtsanwaltschaft Frankfurt habe kürzlich eigens ein Dezernat für Beleidigungsdelikte geschaffen, die sich etwa gegen die geschlechtliche Identität richteten.

Christoph Degen gibt die Steigerung bei den erfassten Straftaten zu denken. Es sei zu prüfen, inwieweit dies Ausdruck einer höheren Sensibilität bei den Behörden, einer größeren Anzeigebereitschaft oder einer zunehmenden Gewalt sei. Darüber hinaus spricht sich Degen dafür aus, LGBTQI+-Beauftragte bei den Staatsanwaltschaften einzuführen. Auch dort brauche es geeignete Kontaktpersonen. Dass die Fälle in Sonderdezernaten bearbeitet würden, reiche nicht. Positiv bewertet Degen, dass die Polizei die Posten der AgL eingeführt habe. Schlecht sei, dass es sich nur um ein Nebenamt handele.

Ähnlich äußert sich ein Informant aus Polizeikreisen gegenüber der FR: Die Ansprechpartner:innen seien ein Fortschritt, gäben ihr Bestes. Doch wenn das Innenministerium es ernst meine, müsse es hauptamtliche LGBTQI+-Beauftragte einführen und dafür sorgen, dass diese in allen notwendigen Fällen auch zu Rate gezogen werden und das Thema in der Ausbildung mehr Raum einnimmt. Extern könnten die Kontaktpersonen bei LGBTQI+ intensiver um Vertrauen gegenüber der Polizei werben. Daran mangele es, weshalb queerfeindliche Straftaten nicht immer angezeigt würden. Für zusätzliches Misstrauen sorgten Skandale wie rechtsextreme Chats.

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