Ein Festival der Stile

Mehr als 80 internationale Graffiti-Künstler zeigen ab Freitag an der Reduit ihr Können.
Oscar aus Caracas kommt zu spät. Der 24-Jährige wollte eigentlich pünktlich zum Pressegespräch des Graffiti-Festivals „Meeting of Styles“ im Jugendzentrum Reduit da sein. Doch er hat die Straßenbahn verpasst und trudelt erst dann mit einem Kumpel ein, als Manuel Gerullis schon richtig in Fahrt ist und über das Event spricht, für das er um die ganze Welt reist.
Gerullis und Stefan Ölke sind die Macher des Festivals, das ursprünglich 1997 zur Erhaltung des Schlachthofs als „Wallstreet Meeting“ aus der Taufe gehoben worden war. Nach einigen Jahren wurde es umbenannt und findet seit 2005 in der Reduit statt – in diesem Jahr von Freitag, 29. Juni, bis Sonntag, 1. Juli. 80 Künstler aus der ganzen Welt erwarten die beiden. Oder auch ein paar mehr, wer weiß das schon so genau. „Oft kam es auch schon vor, dass drei angemeldet waren und dann vier kamen, weil sie das Festival toll fanden“, sagt Gerullis.
Ins Schwärmen gerät auch Oscar, der nach gut zehn Minuten endlich zum Gespräch dazustößt. Leuchtend grüne Turnschuhe, einen grünen Pulli in der Hand, schwarzes T-Shirt und Jeans – das gängige Klischee vom abgebrannten gepiercten Sprayer erfüllt der 24-Jährige nicht. „Es ist eine Ehre für mich, hier dabei sein zu können und auf solch tolle Künstler zu treffen“, sagt der gelernte Graphic-Designer auf Englisch, der Sprache, in der sich die Sprayer in den kommenden Tagen vor allem verständigen und austauschen werden.
Das Festival ist mittlerweile zum Export-Schlager geworden und findet in vielen Städten der Welt nach Wiesbadener Vorbild statt. „Im vergangenen Jahr gab es das zum ersten Mal in China“, sagt Gerullis und eine gehörige Portion Stolz schwingt in seiner Stimme mit.
Akzeptanz schaffen
Den Künstlern geht es um den Austausch, das Verstehen von Kulturen und das Sehen und Gesehen-Werden. Denn nicht selten entstehen während des Festivals wertvolle Kontakte, die die Sprayer weiterbringen. Und natürlich geht es ihnen darum, Akzeptanz für ihre Kunst zu schaffen. Kunst, die noch immer von vielen als Vandalismus bezeichnet wird. „In Chicago wird zum Beispiel ganz hart durchgegriffen, da lässt die Stadt zum Beispiel auch bezahlte Graffiti entfernen“, sagt Ölke. Und auch in Deutschland werden nicht immer bereitwillig Flächen bereitgestellt.
Ein bisschen neidisch schauen die beiden Macher nach Antwerpen, wo die besprühten Wände sogar in den Touristen-Führer aufgenommen worden sind. „So ganz angenommen fühlen wir uns in Wiesbaden noch nicht. Nach jedem Festival müssen wir uns wieder fragen, ob wir wieder Gelder von der Stadt fürs nächste bekommen“, sagt Gerullis. Derzeit unterstützt die das Meeting of Styles mit 10000 Euro. 1500 Euro gibt es dazu jeweils von den Ortsbeiräten Kastel und Kostheim. 2000 Dollar hat das amerikanische Konsulat gestiftet.
Von all diesen Problemen bekommt Oscar, dessen Künstlername Alien ist, nichts mit. Er ist froh, in Deutschland zu sein und ab Freitag mit vielen anderen Künstlern die Fläche der Unterführung an der Reduit zu besprühen. Eine Idee hat er noch nicht. „Die kommt, wenn ich vor der Wand stehe.“