Die Försterin vom Dambachtal

Karin Bender hat das zwei Jahre verwaiste Forstrevier im Dambachtal übernommen. Die Historie des Gebiets ist bemerkenswert.
Der zartgliedrige, veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer hat sich das Forstrevier Dambachtal als Refugium gewählt. Eine Ehre und Verpflichtung für die Forstleute, die hier arbeiten. „Wir sind stolz, ihn zu beherbergen“, sagt Diplom-Forstwirtin Sabine Rippelbeck, Abteilungsleiterin Forst im Amt für Grünflächen der Stadt Wiesbaden. Gerade mal zehn Fundorte sind in Deutschland noch registriert, der Veilchenblaue zählt zu den am stärksten gefährdeten Tierarten Europas. In den Waldungen oberhalb des Nerotals fühlt er sich wohl, gesellt sich unter anderem zu allen mitteleuropäischen Spechtarten, die hier auch noch vorkommen. Ein „toller, uriger, charismatischer Wald“, so nennt ihn Karin Bender. Die 49-jährige Forstwirtin und zertifizierte Waldpädagogin hat das zwei Jahre lang verwaiste Revier Dambachtal zu Jahresbeginn übernommen und damit eine komplexe Aufgabe.
Im alten Forsthaus am Tränkweg hat Karin Bender Quartier bezogen, zuletzt war die Mannheimerin 14 Jahre dienstlich in einem großen Privatwald bei Schwäbisch Hall unterwegs. Auch die Kinder Johanna und Moritz sind begeistert vom Arbeitsplatz der Mutter und gerne im Wald unterwegs. Die Buche dominiert wie überall im Stadtwald Wiesbaden, viele über 150-jährige Bäume wachsen im alten Wald, neben der Buche auch Eiche, Ahorn, Kirsche. Aber es ist nicht nur Idylle, die das Forsthaus umgibt. Das Revier Dambachtal sei die am stärksten frequentierte Waldabteilung des städtischen Forsts, erläutert Sabine Rippelbeck beim Spaziergang mit Ortsbeiräten und Naturschutzbeiräten von der Talstation der Nerobergbahn hinauf zur berühmten Leichtweiß-Höhle. Auch so ein Ort im Freizeitprogramm vor allem von Familien mit Kindern. Der Wilderer Heinrich Anton Leichtweiß hielt sich hier Ende des ausgehenden 18. Jahrhunderts jahrelang versteckt, ehe ihn Rauch verriet, der aus der Höhle drang.
Eine asphaltierte Piste führt in den Wald Richtung Rabengrund. Hier sind Radfahrer:innen unterwegs, Läufer:innen, Wanderer:innen, durch den Wald preschen Mountainbiker:innen, an einer Felswand wird geklettert, rund um den Neroberg ist ordentlich was los. Mehr als 1000 Hektar umfasst das Reich von Karin Bender, sie beackert es mit drei Forstwirten, demnächst kommt noch ein Schleppfahrzeug mit Fahrer dazu. Ein Reich mit Naturland-Zertifizierung und dadurch mit besonderem Schutzstatus, stets ist ein Spagat zwischen Tourismus, Naturwaldschutz und klassischer Waldbewirtschaftung zu bewältigen. Was sieht sie als ihre Hauptaufgabe? „Mit Respekt das Erbe weitertragen, die Arbeit der Vorgänger fortführen, aber auch eine eigene Handschrift hinterlassen.“ Und die Namen all der Bäche lernen, die hier vom Taunuskamm runterfließen. Ihre persönliche Handschrift wird entsprechend ihrer beruflichen Prägung und passend zum Revier neben der Waldarbeit auch viel mit Öffentlichkeitsarbeit und Waldpädagogik zu tun haben.
Im Sommer 2022 wurde am Schwarzbach im Grenzbereich zwischen Wald und Stadt ein „Wassererlebnispfad“ eröffnet. Damals fiel es schwer, der Idee vom „Themenweg Wasser“ zu folgen, der Schwarzbach war aufgrund der Trockenheit nur noch ein Rinnsal. „Der Wald leidet“, hatte Rippelbeck gesagt. Viele Bäume sind seitdem gefallen, der Wald leidet immer noch. Der Wasserpfad soll die Besucher:innen sensibilisieren für die Fragilität des Systems. Und die spannende Geschichte vom Wilderer Leichtweiß den Nachwuchs in den Wald locken auf dem Weg zum Naturschutzgebiet Rabengrund. Die Höhle ist von April bis Oktober geöffnet. Öffnungszeiten sind mittwochs von 10 bis 14 Uhr und sonntags von 13 bis 18 Uhr.